Der Fernsehkonzern ProSiebenSat.1 ist im Strategiestreit mit seinem Hauptaktionär MFE mit einem blauen Auge davon gekommen. Bei der Hauptversammlung am Dienstag verfehlte der Antrag von MFE, dass ProSiebenSat.1 eine Abspaltung aller nicht zum Kerngeschäft zählenden Randaktivitäten vorbereiten solle, die nötige Dreiviertelmehrheit, wie Aufsichtsratschef Andreas Wiele sagte. Der Antrag erhielt zwar mit 70,95 Prozent eine deutliche Mehrheit der Stimmen, verfehlte aber knapp die vorgeschriebene 75-Prozent-Schwelle. Durchsetzen konnten die von der italienischen Familie Berlusconi kontrollierte MFE und der zweite Großaktionär PPF ihre gegen den Willen des Aufsichtsrats nominierten drei Kandidaten für das Gremium.

ProSiebenSat1-Vorstandschef Bernd Habets.
ProSiebenSat1-Vorstandschef Bernd Habets.
IMAGO/Michael McKee

Lieber abverkaufen

Vorstand und Aufsichtsrat hatten sich vehement gegen die Option einer Aufspaltung gewehrt. Vorstandschef Bert Habets widersprach dem Ansinnen von MFE vor der Abstimmung erneut: Viel besser als eine separate Börsennotierung von E-Commerce- und Dating-Geschäften sei ein Verkauf einzelner Beteiligungen. Damit könne die Verschuldung reduziert werden. Aufsichtsratschef Wiele schlug sich erneut auf die Seite des Vorstands: Dieser setze die vom Aufsichtsrat beschlossene Strategie erfolgreich um.

Zu Beginn der Hauptversammlung hatte eine Vertreterin der von der italienischen Familie Berlusconi kontrollierten MFE-Holding die Forderung bekräftigt, dass ProSiebenSat.1 eine Abspaltung aller nicht zum Kerngeschäft zählenden Randaktivitäten vorbereiten solle. "Die Strategie der letzten fünf Jahre hat in erheblichem Maße Wert vernichtet und die Strategie der letzten zwölf Monate hat bisher keine nennenswerten Werte geschaffen", beklagte sie.

Die Italiener hatten allerdings deutlich gemacht, dass sie auch mit einem Verkauf von Unternehmensteilen anstelle einer Aufspaltung leben könnten. "Es geht bei diesem Vorschlag explizit um die Analyse und Vorbereitung und nicht um die Durchführung einer Abspaltung", hatte die MFE-Anwältin vor der Abstimmung gesagt. "Es geht darum, zusätzliche Optionen zu schaffen." Nach Ansicht der Italiener geht das Management beim Konzernumbau aber zu zögerlich vor.

"Wir freuen uns über die Abstimmungsergebnisse der Hauptversammlung und schätzen die Unterstützung der Aktionäre für unsere Vorschläge", erklärte ein MFE-Sprecher. "Obwohl der Antrag zur Bewertung einer Abspaltung formell nicht angenommen wurde, haben mehr als zwei Drittel der Aktionäre dafür gestimmt." MFE erwarte, dass Vorstand und Aufsichtsrat von ProSiebenSat.1 sich sofort an die Arbeit machten, um greifbare Ergebnisse zu erzielen, die den Wert des Unternehmens zum Wohle aller Aktionäre steigerten.

Drei Aufsichtratsjobs für Großaktionäre

Im Streit über die Besetzung des Aufsichtsrats setzten sich MFE und PPF mit ihren drei als unabhängig aufgestellten Kandidaten gegen Vorschläge des Unternehmens durch. Die Versammlung beschloss, Aufsichtsrats-Vizechef Rolf Nonnenmacher nicht zu entlasten und ihn durch den MFE-Kandidaten Simone Scettri abzulösen. Wiele äußerte Bedauern über die Absetzung Nonnenmachers, den er als angesehenen Experten würdigte. Auf vakante Aufsichtsratsposten wurden ein weiterer Kandidat von MFE und ein vom tschechischen Großaktionär PPF benannter Bewerber gewählt. Zwei vom Aufsichtsrat selbst aufgestellte Kandidaten kamen damit nicht zum Zuge. Ein weiterer Aufsichtsratsposten jedoch ging an eine von dem Gremium aufgestellte Bewerberin.

MFE hielt zuletzt einen Aktienanteil von knapp 30 Prozent an ProSiebenSat.1. Die von der tschechischen Unternehmerin Renata Kellnerova kontrollierte PPF hält nach ProSiebenSat.1-Angaben 11,60 Prozent. Bei einer Präsenz von mehr als 60 Prozent während der Abstimmungen gelang es MFE letztlich nicht, ausreichend Unterstützer für den Aufspaltungsantrag zu finden.

Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) forderte bei dem Online-Treffen beide Seiten auf, ihren Konflikt nicht öffentlich auszutragen. Der Streit werfe kein gutes Licht auf das Unternehmen, sagte DSW-Vertreter Nikolaus Lutje. Er mahnte, das Unternehmen nicht unter Zeitdruck zu setzen: "Ein Verkauf unter Druck wird nicht das beste Ergebnis bringen." (Reuters, 1.5.2024)