Die meisten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer arbeiten sowieso schon 41 Stunden ohne mehr Lohn. Die Diskussion muss anders geführt werden.

Die Geschäftszahlen von Samsung in Südkorea waren im vergangenen Jahr in einigen Bereichen so schlecht, dass das Topmanagement den Schaden mit einem Tag mehr Arbeit ausbügeln soll: Im "Notfallmodus" sollen die Führungskräfte ab jetzt sechs Tage die Woche arbeiten.

Nun, dass ein internationaler Großkonzern in einer Zeit geopolitischer und wirtschaftlicher Megakrisen kein Wohlfühlprogramm fährt, ist irgendwo verständlich. Nicht verständlich ist, wie immer mehr Stunden in der Zeiterfassung das Geschäft retten sollen. Es ist Aufgabe eines strategischen, geordneten Managements, einen Konzern richtig zu führen und in Krisenzeiten einen sinnvollen Fahrplan zu kommunizieren. Was dieser nicht beinhalten sollte: inhumane Arbeitszeiten. Es ist doch längst bekannt, dass mehr Stunden nicht gleich mehr Produktivität bedeuten – und dass gute Ideen und Motivation nicht in Überstunden entstehen. Überlastete Beschäftigte, immer weniger Freizeit – das alles rettet keine Wirtschaftslage.

Viele arbeiten schon mehr als 40 Stunden

In Österreich lässt sich so eine Sechs-Tage-Forderung wohl kaum durchsetzen, dafür ist das Arbeitsrecht zu streng. Aber auch hierzulande versuchen es manche mit der Arbeitszeitverlängerung immer wieder: Die Industriellenvereinigung (IV) fordert eine 41-Stunden-Woche, natürlich mehr symbolisch als aus purem Ernst. Denn, und das müssten gerade die Industriellen wissen, es arbeiten eh genug Menschen mit 40-Stunden-Verträgen in Wahrheit 41 Stunden oder mehr. Und das auch, so wie es sich die IV vorstellt, ohne Lohnerhöhung.

Es ist also – wieder einmal – Wunschdenken, dass die Arbeitszeitverlängerung ein Allheilmittel für mehr Leistung ist. Die wird außerdem niemandem einen Job schmackhafter machen. Im Gegenteil: Der Fachkräftemangel wird wohl eher verschärft. Schon jetzt wollen viele Menschen jene Jobs nicht machen, die für den Arbeitsaufwand unterbezahlt sind und für die es kaum Wertschätzung gibt, aber ständiger Mehreinsatz verlangt wird.

Mehr Stress gegen Fachkräftemangel?

Kein Unternehmen kann noch so sinnstiftende Arbeit anbieten und "für junge Leute attraktiv" werden, egal wie nachhaltig oder sozial es ist, wenn die Stunden immer mehr werden und kaum Zeit für Familie, Freunde und einen freien Kopf bleibt. Wie also mehr Stunden Stress (oder längeres Absitzen) eine positive Konjunktur herbeiführen oder den Fachkräftemangel besiegen sollen, bleibt ein Mysterium.

Viel wichtiger wäre es, sich den konkreten Herausforderungen am Arbeitsmarkt zu stellen: Wie können wir Arbeitsbedingungen in einer schnelllebigen Zeit neu denken? Wie gehen wir in Zukunft richtig mit den digitalen Herausforderungen wie Künstlicher Intelligenz um? Wie bringen wir den Menschen die richtigen Fähigkeiten dafür bei? Was geschieht durch mehr Automatisierung? Wie meistern wir den demografischen Wandel am besten?

Das ewige Hin und Her mit den Arbeitsstunden ist eine faule Ablenkung davon, was Verfechter von 41-Stunden-Woche, Sechstagewoche und Co übersehen: dass Qualität vor Quantität kommt und mehr nicht mehr bedeutet. Wer das als Interessenvertretung oder Unternehmen nicht sieht, schadet einer möglichen Aufwärtskurve, sowohl in der Belegschaft als auch bei den Gewinnen. (Melanie Raidl, 24.4.2024)