Tür mit Samsung Logo in Seoul, Südkorea mit Menschen im Gebäude
Hinter den Türen der Gebäude von "Samsung Town" in Seoul müssen Führungskräfte nun sechs Tage arbeiten.
AFP/JUNG YEON-JE

Wer in Südkorea beim Samsung-Konzern gerade eine Führungsrolle einnimmt, muss sich wohl auf etwas mehr Stress einstellen. Entgegen den vielen Diskussionen weltweit um eine Arbeitszeitreduktion und mehr Work-Life-Balance bewegt die wirtschaftlich angespannte Lage den Tech-Konzern dazu, mehr Arbeitszeit zu verlangen – vor allem im Management.

Zunächst berichtete die Korean Economic Daily, die Unternehmensgruppe wolle ein "Gefühl der Krise" vermitteln, da sich die geschäftlichen Unsicherheiten immer mehr verstärken würden. Daher sollen Führungskräfte im "Notfallmodus" sechs Tage die Woche arbeiten. Der starke Wertverlust des südkoreanischen Won, die steigenden Ölpreise und hohe Kreditkosten würden Samsung zusetzen, nachdem bereits die Hauptgeschäftsbereiche im Jahr 2023 deutlich schlechtere Ergebnisse als geplant erzielt hatten. Mit der Mehrarbeit soll es nun mehr Gewinne geben.

Die Top-Managerinnen und -Manager der Produktions- und Vertriebsabteilungen können sich aussuchen, ob sie Samstag oder Sonntag zusätzlich arbeiten wollen. Der Zeitplan gilt bereits seit letzter Woche. Ganz neu ist die Maßnahme intern allerdings nicht. Seit Anfang des Jahres arbeiten die Führungskräfte der Geschäftsbereiche Samsung CT Corp., Samsung Heavy Industries Co. und E&A Co. bereits freiwillig sechs statt fünf Tage die Woche.

Kampf mit Konkurrenz

Wichtig sei, heißt es laut der koreanischen Zeitung mit Berufung auf Vertreterinnen und Vertreter von Samsung, bei der Mehrarbeit die Geschäftsstrategien neu zu überdenken und sich an die schwierigen Verhältnisse weltweit anzupassen. Die Rede ist von den zunehmenden geopolitischen Risiken mit dem anhaltenden Krieg zwischen Russland und der Ukraine sowie dem Konflikt in Gaza. Auch die US-Präsidentschaftswahlen im November bereiten dem Konzern Sorgen. Samsung Electronics, dessen Hauptgeschäft Halbleiter sind, fuhr im Vorjahr einen Betriebsverlust von elf Milliarden US-Dollar ein (15 Billionen Won). Der Geschäftsbereich "Device Solutions", zu dem die Halbleiter gehören, macht rund 80 Prozent von Samsungs Einnahmen aus.

Samsung antwortete mit der Sechstagewoche wohl auch auf die Vorhaben verschiedener anderer Unternehmen im Land. Das südkoreanische Energie- und Telekommunikationsunternehmen SK Group führte im Jänner Samstagstreffen der Vorstandsvorsitzenden seiner Tochtergesellschaften ein. Seit mehr als 20 Jahren galt dort eigentlich die Fünftagewoche. Das Verlegen der Besprechung des Strategieausschusses für die CEOs der zweiten Riege aufs Wochenende macht nun die Anwesenheit an einem weiteren Wochentag notwendig. Aber auch bei anderen großen Konzernen kriselt es: Verlustbringende Betriebsteile von Petrochemiebetrieben wurden bereits geschlossen oder bestimmte Einheiten zum Verkauf angeboten.

Strenger geregelt

Hierzulande wäre eine solche Umstellung nicht so einfach. In Österreich arbeiten Menschen seit den 1970er-Jahren acht Stunden pro Tag – insgesamt 40 Stunden die Woche an fünf Tagen. 2018 erließ allerdings die Regierung Sebastian Kurz (ÖVP) eine Möglichkeit zur Arbeitszeitverlängerung. Beschlossen wurde, dass ein Zwölf-Stunden-Arbeitstag und 60 Stunden pro Woche unbürokratisch möglich sein sollen. Der Gegenwind von Sozialpartnern und Gewerkschaften war massiv, Arbeitende fürchteten vor allem Aufforderungen durch den Arbeitgeber, mehr Stunden arbeiten zu müssen. Die Volkspartei begründete die Maßnahme damals so: Dadurch solle mehr Flexibilisierung in der Arbeitswelt möglich sein, Mehrleistungen nach 40 Stunden würden jedoch immer noch abgegolten werden.

Bei uns bleibt allerdings alles über 60 Stunden illegal, der Arbeitgeber muss eine Verwaltungsstrafe zahlen, wenn er dies zulässt. Überhaupt sind 60 Stunden nur fallweise möglich, und in einem Zeitraum von vier Monaten darf nicht kontinuierlich mehr als 48 Stunden gearbeitet werden. Wer am Wochenende arbeiten gehen muss (zum Beispiel Schichtbetrieb, Gastronomie, Hotellerie), muss grundsätzlich an anderen Tagen freibekommen. Montag bis Freitag 40 Stunden zu arbeiten und am Wochenende noch etwas anhängen ist nicht ohne weiteres möglich.

Samsungs Maßnahme kommt außerdem zu einer Zeit, in der immer wieder weltweit über kürzere Arbeitszeiten diskutiert wird. Eine groß angelegte Studie aus England zeigt, dass eine Viertagewoche deutlich produktiver machen kann. Andererseits können eine Überanstrengung bei der Arbeit und zu viele Stunden unproduktiver und fehleranfälliger machen. Zum Beispiel ergab die Studie eines Forschers der Stanford-Universität in den USA, dass die Produktivität bei der Arbeit nach einer 50-Wochen-Stunde deutlich sinkt. Zahlreiche andere Studien, darunter eine vom finnischen Institut für Arbeitsmedizin, ergeben, dass Überlastung bei der Arbeit zu Schlafstörungen, Depressionen, Alkoholismus und Gedächtnis- sowie Herzkreislaufstörungen führen kann. Und diese Faktoren machen vermutlich auch keine Geschäftszahlen besser. (mera, 23.4.2024)