Die Chefin von Fronius, Elisabeth Engelbrechtsmüller-Strauß, vor einem Stiegenaufgang.
Elisabeth Engelbrechtsmüller-Strauß redet statt über Privates lieber über den Wechselrichter: Dieser wandelt als Steuerhirn einer PV-Anlage den Gleichstrom der Solarmodule in netzüblichen Wechselstrom um.
Foto: Florian Voggeneder/laif

Typische Frauenfragen beantworte sie ungern, richtet die Chefin des Photovoltaik-, Batterie- und Schweißtechnikspezialisten im Vorfeld des Interviews aus. Geführt wurde es virtuell.

STANDARD: Es gab jüngst einen Standortgipfel in OÖ, wo Sie mittendrin dabei waren. Solche Gipfel klingen ein bisschen nach Ersatzhandlung: Wenn ich nicht mehr weiter weiß, gründe ich einen Arbeitskreis. War das so?

Engelbrechtsmüller-Strauß: Ich denke, dass es dazu kam, weil man spürt, dass wir als Europa vor allem im DACH-Raum Themen haben hinsichtlich Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit. Die Politik will hören, was man verbessern könnte.

STANDARD: Dabei hatten Sie jüngst ein Erfolgserlebnis: Die Grünen haben Ihre Idee aufgegriffen und wollen mit einem "Made-in-Europe-Bonus" Firmen unterstützen, die bei Photovoltaik (PV) auf europäische Wertschöpfung setzen. Fronius würde davon profitieren. Kosten dann die PV-Anlagen für die Konsumenten das Doppelte?

Engelbrechtsmüller-Strauß: Überhaupt nicht. Eher in die andere Richtung. Es gibt im Bereich der Photovoltaik auch Ausbauförderungen. Aber wir binden das nicht an eine Wertschöpfung in Europa. Unsere chinesischen Mitbewerber profitieren davon, aber kriegen zusätzlich hohe Subventionen in China. Die USA versuchen jetzt auch im Bereich der Erneuerbaren zu fördern. Die haben den Inflation Reduction Act, wo man Unterstützung bekommt, wenn man in den USA produziert. Unsere Überlegung war, dass man bei einer Ausbauförderung, wenn man Produkte aus Europa verwendet, bessere Förderungen bekommt. Das bedeutet, dass der, der eine PV-Anlage von einem europäischen Hersteller kauft, die noch günstiger kaufen kann.

STANDARD: Aber die Produktionskosten in China sind nur halb so hoch wie die der europäischen Hersteller.

Engelbrechtsmüller-Strauß: Ein Produkt macht ja nicht nur die Herstellung aus. Der Großteil der Kosten betrifft Verwaltung, Forschung und Entwicklung und Vertrieb. Der Anteil an Arbeitskosten bei unseren Wechselrichtern ist marginal. Der weitaus größte Teil sind Materialkosten. Die Innovation liegt auch darin, dass man schaut, dass man ein Produkt auch in Österreich und in Hochlohnländern effizient und kostengünstig herstellen kann. Das ist ja auch die einzige Möglichkeit, wie wir weiterhin bestehen können als Fertigung in Österreich.

STANDARD: Chinas Autobauer drängen nach Europa, Windturbinen made in China sind auf dem Vormarsch. China subventioniert grüne Technologien stark. Das wirkt sich auch auf die Produktpreise aus. Ist es nicht absurd, da jetzt viel Geld hineinzubuttern, wenn das genauso gut, aber viel billiger geht?

Engelbrechtsmüller-Strauß: Generell müssen wir natürlich schauen, dass wir preismäßig wettbewerbsfähig bleiben. Aber durch die Herstellung und Entwicklung in Europa entstehen Arbeitsplätze und Wohlstand. Das haben halt die anderen Regionen verstanden. Wir werden durch den Green Deal einen Strukturwandel bekommen. Nur: Es ist nicht gut, wenn wir einen Strukturwandel haben mit einer totalen Deindustrialisierung. Denn dann haben wir keine Arbeitsplätze mehr.

STANDARD: Hätte es nicht Charme, sich von den Chinesen die teure Energiewende bezahlen zu lassen?

Engelbrechtsmüller-Strauß: Nein, das ist dumm. Mittlerweile ist der Zubau von PV die günstigste Möglichkeit, im Bereich der Energieerzeugung etwas auszubauen. Das riesige Problem in Europa ist, dass wir nur an die kurzfristigen Gewinne denken. Jetzt ist es so, dass China oder die USA ihre Produkte so fördern, dass sie ganz billig in Europa verkauft werden können – unter den Material- und Herstellkosten. Die europäischen Hersteller haben nicht die gleichen Rahmenbedingungen und gehen damit unter. Wenn wir uns alles nur von China finanzieren lassen, dann kommen wir in eine absolute Abhängigkeit. Das kann uns auch teuer zu stehen kommen. Dann werden die Subventionen in diesen Regionen aufhören und die Hersteller die Preise steigern.

STANDARD: Die Solarindustrie ist das eine. In OÖ wollten Behörden chinesische Autos ordern, jetzt trauen sie sich nicht. Wir haben China-Handys, Laptops – wo ziehen wir die Grenze?

Engelbrechtsmüller-Strauß: Wir sind ja auch im Bereich der Schweißtechnik und der Batterieladegeräte tätig, in der Schweißtechnik unter anderem Ausstatter in der Automobilindustrie. Es ist uns wichtig, dass wir eine Landschaft haben, wo wir unsere Produkte nicht nur in Asien verkaufen können oder in den USA, sondern auch in Europa. Wir sind ein kleines Land, wir müssen uns im globalen Wettbewerb gut aufstellen, damit wir überleben können. Da sehe ich ein großes Problem in der Bürokratie. Da hat sich in den letzten Jahren ausgehend von der EU etwas entwickelt, indem es überbordende Berichtspflichten gibt. Ich bin dafür, dass wir gute Standards haben, etwa was Arbeitssicherheit betrifft, dass wir sauber arbeiten, dass Unternehmen schauen, dass sie ihren CO2-Abdruck laufend minimieren. Ich würde es jetzt überspitzt so formulieren, dass wir wegen der Dokumentation von Nachhaltigkeitsstandards bis ins kleinste Detail fast nicht mehr dazu kommen, Innovationen in diesem Bereich zu entwickeln. Das geht total am Ziel vorbei und wird unseren Erdball auch nicht retten, sondern höchstens die Industrie aus Europa vertreiben. Das Zweite ist, dass wir bei den öffentlichen Ausschreibungen auch darauf achten sollten, die europäische Industrie zu unterstützen und nicht immer zum billigsten Anbieter zu gehen.

STANDARD: Aber wo ziehen wir die Grenze zu China?

Engelbrechtsmüller-Strauß: Dort, wo es um strategische Interessen Europas geht. Etwa in der Energieversorgung unseres Kontinents. Da haben uns die vergangenen Jahre gezeigt, wie verwundbar wir da sind.

STANDARD: Mittlerweile wird auch über Strafzölle für China-Produkte nachgedacht. Was schlagen Sie vor?

Engelbrechtsmüller-Strauß: Wir als Europa und als Österreich haben total profitiert vom freien Handel weltweit. Strafzölle würden wohl zu Gegenmaßnahmen führen, das schadet wieder anderen Industriezweigen. Es ist klüger, wenn es schon Förderungen gibt, diese an bestimmte Kriterien zu binden. Ich glaube, dass man allein dadurch einen Lenkungseffekt hat.

STANDARD: Das macht man ja. Wir haben die Forschungsprämie, den Transformationsfonds ...

Engelbrechtsmüller-Strauß: Die Forschungsprämie ist toll für den Standort in Österreich. Aber Forschung wirkt sich nicht sofort auf Produkte und die Wettbewerbsfähigkeit in deren Herstellung aus. Ein Entwicklungsprozess dauert drei oder vier Jahre oder vielleicht länger. Eine an die Wertschöpfung gekoppelte Ausbauförderung hätte hier einen unmittelbaren Lenkungseffekt.

STANDARD: Stichwort Förderung: Die ÖVP bremst beim Made-in-Europe-Bonus. Wirtschaftsminister Martin Kocher und Finanzminister Magnus Brunner meinen, dass man schauen müsse, ob nicht auch Unternehmen zu viel gefördert würden. Hängen Unternehmen zu sehr am Tropf?

Engelbrechtsmüller-Strauß: Ich gebe Minister Brunner und Minister Kocher recht – man sollte sich wirklich überlegen: Wo fördern wir noch und wo nicht mehr, und wo nehmen wir vielleicht auch wieder Förderungen zurück. Aber beim Made-in-Europe-Bonus geht es uns darum, nicht das Volumen zu erhöhen, sondern einfach intelligenter zu fördern

STANDARD: Stichwort Standortbedingungen: Ihre bundesweite Standesvertretung, die IV, schlägt eine 41-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich vor. Würde Sie das herausreißen?

Engelbrechtsmüller-Strauß: Ich glaube, dass wir wirklich das Problem haben, dass wir insgesamt zu wenig arbeiten. Aber nicht aufgrund der geregelten Arbeitszeit. Wir arbeiten viel zu viel Teilzeit. Wir sollten es wieder attraktiver machen, Vollzeit zu arbeiten. Das wäre sehr einfach, indem man Vollzeit steuerlich wieder mehr attraktiviert als Teilzeit. Ich bin der Meinung, dass wir ein fleißiges Volk sind, Arbeit ist nicht nur Last, das macht ja auch Spaß. Wenn wir dafür auch noch ein gutes Auskommen haben, dann tun wir gerne mehr.

STANDARD: Sie haben in Wels einen blauen Bürgermeister, in Oberösterreich eine schwarz-blaue Landesregierung. Die türkis-grüne Koalition hat wohl ein Ablaufdatum. Hat sie Ihre Erwartungen erfüllt – und werden wir bei der Nationalratswahl ein blaues Wunder erleben?

Engelbrechtsmüller-Strauß: Das kann ich nicht sagen. (lacht laut) Ich bin eine einfache Unternehmerin. Es gibt überall Erwartungen, die erfüllt werden, und es gibt Erwartungen, die nicht so erfüllt werden. Wir sollten vorwärts schauen. Wir sind ein tolles Land und egal welche Politiker, welche Coleur – mir wär es wichtig, dass es ein gutes Zusammenarbeiten gibt. Das ist generell mein Wunsch an die Politik – ungeachtet dessen, in welcher Farbenkoalition es läuft. Da sehe ich generell schon Verbesserungspotenzial. (Regina Bruckner. 4.5.2024)