Was haben Hallstatt und Santorin gemeinsam? Neben einem virulenten Overtourism? Es gibt sie beide auch in China. Vor ziemlich genau zwölf Jahren, Anfang Juni 2012, wurde in der südchinesischen Provinz Guangdong eine lange geplante Kopie des oberösterreichischen Weltkulturerbes eröffnet. Bis auf kleine Fehler im Detail entspricht das chinesische Hallstatt exakt seinem Original (wenn auch spiegelverkehrt). Und übertrifft punkto Genauigkeit dieses sogar manchmal: So gibt es etwa Kanaldeckel mit der Aufschrift "Hallstatt am See", die es im echten Hallstatt nicht gibt.

Das Original-Santorin in der griechischen Ägäis hat einen Klon in China bekommen.
Das Original-Santorin in der griechischen Ägäis hat einen Klon in China bekommen.
Getty Images/iStockphoto

Die Chinesen haben auch die griechische Ferieninsel Santorin nachgebaut. Mehr als eine Milliarde Euro investierte man in das Projekt, das auf 37 Quadratkilometern steht. Die Kopie entstand allerdings nicht am Meer, sondern am Erhai-See in der Provinz Yunnan, nahe der Stadt Dali. Man findet auch keine Zypressen oder Olivenbäume. Aber es gibt die weiß getünchten Häuser mit blauen Dächern, für die die Postkarteninsel Santorin so bekannt ist. Sogar griechische Namen zieren die Fassaden der Nachbauten. Hotels, Restaurants und Shops machen das Fake-Santorin komplett.

Vor allem bei chinesischen Paaren ist der Ferienort seit Jahren ein beliebtes Hochzeitsziel. Trotz des relativ hohen Preises für eine Übernachtung, der zwischen 230 und 260 Euro liegt, scheint das Resort für viele Chinesen eine attraktive Alternative zu einer weiten und kostspieligen Reise ins echte Santorin zu sein. Nun wird er auch in Europa bekannt.

Griechisches Flair: Fehlanzeige

Diesen Ruhm verdankt die chinesische Santorin-Kopie vor allem der italienischen Reisebloggerin Yasmin von Roon. Die Studentin entdeckte das "Santorini Dali Resort" während einer Reise und machte es unter ihren Followern bekannt. Auch die britische Zeitung The Sun wurde darauf aufmerksam. Von Roon hatte zuerst Fotos des Resorts in chinesischen sozialen Netzwerken gesehen. "Da ich in der Nähe der Altstadt von Dali war, konnte ich nicht widerstehen, es mit eigenen Augen zu sehen", sagte sie der Zeitung.

Yasmin von Roon, die auch das griechische Original kennt, meint, dass das Resort in vielerlei Hinsicht an das echte Santorin erinnert. Dennoch, so bekräftigt sie, sei das unverwechselbare Flair Griechenlands unersetzlich. Klar: Schließlich fehlen die Ägäis, die Vulkane des Archipels und der weltberühmte Sonnenuntergang von Santorin.

Während einige ihrer Follower der Ansicht sind, dass die Kopie sogar attraktiver als das Original sei, stehen andere dieser Nachahmung kritisch gegenüber und vergleichen sie mit Produkten der bekannten chinesischen Billigplattform Temu.

China hat bereits mehrere westliche Reiseziele nachgebaut, darunter eine Kopie von Paris mit dem Namen Sky City und eine Kopie von Interlaken in der Schweiz mit dem Namen Overseas Chinese Town East. Sogar die berühmte Londoner Tower Bridge gibt es in Suzhou.

Als die Kopie von Hallstatt entstand, war die Aufregung in Österreich groß. Mittlerweile hat sich das Viertel zu einer Visitenkarte für Österreich entwickelt, heißt es. Die nicht nur positiven Folgen für den Ort wurden schon des Öfteren diskutiert. (Markus Böhm, 13.5.2024)