Klassenzimmer
Derzeit dauert die Lehrerausbildung für die Primarstufe vier Jahre Bachelor plus ein Jahr Master.
APA/dpa/Arne Dedert

Wien – Der Start der Reform der Lehrerausbildung wird nach breiter Kritik im Begutachtungsprozess um ein Jahr verschoben. Der am Mittwoch im Ministerrat beschlossene Gesetzesentwurf sieht für Volksschullehrer nunmehr einen Start der neuen Struktur mit dreijährigem Bachelor- und zweijährigem Masterstudium erst ab 2025/26 vor, für Lehrer der Sekundarstufe soll es 2026/27 losgehen. Unis und Pädagogische Hochschulen (PHs) hatten wegen des straffen Zeitplans Qualitätseinbußen befürchtet.

Derzeit dauert die Lehrerausbildung für die Primarstufe (v. a. Volksschule) vier Jahre Bachelor plus ein Jahr Master. Bei der Sekundarstufe (Mittelschule, AHS, BMHS) sind es vier Jahre Bachelor plus zwei Jahre Master, künftig soll es für diese Gruppe also ein Jahr weniger sein. Die Ausbildung soll zudem praxisnäher und der Master besser berufsbegleitend studierbar und "entschlackt" werden. So sollen etwa Doppelungen bei Bildungswissenschaften in Bachelor und Master wegfallen, betonte Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) im Foyer nach dem Ministerrat. Auch neue Möglichkeiten wie das Studium von Fächerbündeln wie Mint (Mathe, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) anstelle eines Einzelfachs sind in der Sekundarstufe vorgesehen.

Mit der Reform werde eine der weltweit längsten Lehrerausbildungen verkürzt, so Polaschek. "Wir schaffen damit ein modernes Studium, das den Ansprüchen und Erfordernissen der Schule im 21. Jahrhundert gerecht wird, natürlich bei entsprechender Bewahrung der hohen Qualität." Die Verschiebung des Starttermins begründete Polaschek mit der Komplexität des Vorhabens: Immerhin müssten in der Sekundarstufe, wo die Ausbildung in Verbünden von Unis und PHs mehrerer Bundesländer organisiert ist, alle Institutionen gleichlautende Studienpläne entwickeln. In der Volksschule, wo jede PH einzeln die Curricula entwickelt, soll aber schon 2025/26 gestartet werden können.

Pläne für die Reform gab es schon länger. Ursprünglich hatte Polaschek die Umstellung der Ausbildung bereits für Herbst 2024 angepeilt, lange gab es allerdings Widerstand vom grünen Koalitionspartner. Im Jänner wurde der Begutachtungsentwurf schließlich im Ministerrat abgesegnet.

Lob für Polascheks Projekt kam von der Industriellenvereinigung (IV). Eine kürzere und praxisnähere Ausbildung sei zentral, um mehr Pädagoginnen und Pädagogen für den Beruf zu gewinnen, so IV-Generalsekretär Christoph Neumayer. Für die Neos kann die Verkürzung des Lehramtsstudiums allein den Lehrkräftemangel indes nicht lösen. Es brauche in der Schule vielmehr zeitgemäße Arbeitsbedingungen wie weniger Bürokratie und mehr Entwicklungsmöglichkeiten, so Bildungssprecherin Martina Künsberg Sarre. Außerdem forderte sie angesichts der Verkürzung des Studiums mehr Fortbildung, und das auch abseits der PHs.

Universitätenkonferenz warnt vor "Deprofessionalisierung"

Kritik an der nun präsentierten Reform der Lehrerausbildung kommt hingegen von Universitätenkonferenz (Uniko). Die Vorsitzende des Forums Lehre in der Uniko und Vizerektorin der Uni Wien, Christa Schnabl, fordert im STANDARD-Gespräch, dass der Master die Voraussetzung für "volle" Lehrerinnen und Lehrer sein müsse: „Man muss darauf achten, dass der Bachelorabschluss, der ja schon zum Berufseinstieg berechtigt, nicht zum Regelabschluss wird. Die künftigen Lehrerinnen und Lehrer brauchen die Klarheit, dass es sich um eine fünfjährige Ausbildung handelt, sonst kommt es de facto zu einer Reduzierung auf nur drei Jahre. Das wäre für das Schulsystem fatal, da wichtige Ausbildungsteile fehlen."

Die Ausbildungsreform an sich sehe auch die Uniko als "Chance" und die Verkürzung von drei auf zwei Jahre Basisstudium sei auch "machbar", allerdings unter ein paar Voraussetzungen, sagt Schnabl. Eine betrifft das Dienstrecht, in dem derzeit Bachelor- und Master-Absolventen gleichgestellt seien: "Das muss man anpassen, anderenfalls bedeutet das eine Deprofessionalisierung in den Schulen." Schnabl warnt auch vor einer "Dilemmasituation" mit Blick auf jene Lehrerinnen und Lehrer, die jetzt "jahrelang als ,Lückenfüller‘ im System gearbeitet haben" und plötzlich reiche ein kürzeres Studium auch: "Es darf nicht auf faktisch drei Jahre hinauslaufen", betont die Vorsitzende des Forums Lehre: "Das birgt die Gefahr, dass langfristig der Master zur Makulatur wird und Lehrerinnen und Lehrer nicht mit der bestmöglichen Ausbildung in der Schule sind."

Neuerung bei Plagiatsregeln

Das Hochschulrechtspaket, das nun ins Parlament eingebracht wird, sieht laut Presseunterlage des Bildungsministeriums auch Neuerungen bei den Plagiatsregeln vor: Plagiate an sich sollen zwar auch weiterhin nicht verjähren, allerdings soll die Möglichkeit, einen akademischen Grad wegen eines Plagiats aufzuheben oder zu entziehen, verjähren können. Polaschek begründete diese Änderung des bisherigen Entwurfs in der Unterlage damit, dass Bachelor- oder Mastertitel für sämtliche Studienleistungen vergeben würden, nicht nur für die wissenschaftliche Abschlussarbeit. Wie viele Jahre nach Abschluss diese Verjährung eintritt, wollte er auf Nachfrage allerdings nicht sagen. Thema der Pressekonferenz sei nämlich die Reform der Lehrerausbildung, verweigerte er eine Antwort.

Ebenfalls neu im Gesetzesentwurf ist außerdem die Möglichkeit gewidmeter Studienplätze in der Tiermedizin: Wie beim Humanmedizin-Studium sollen zeitlich befristet auch in der Veterinärmedizin fünf Prozent für Studierende gewidmet werden, die sich verpflichten, nach dem Abschluss für einige Zeit in der öffentlichen Gesundheitsversorgung zu arbeiten. (red, APA, 20.3.2024)