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Jean Ziegler, 77, Mitglied des UN-Menschenrechtsbeirates, hier 2005 in Genf am World Food Day

Foto: APA/epa/ Martial Trezzini

Mit dem Schweizer Autor und  Soziologen sprach Georges Desrues.

Standard: Warum wurden Sie als Eröffnungsredner der Salzburger Festspiele ausgeladen?

Ziegler: Meine Vermutung ist, dass Sponsoren Druck auf die Landeshauptfrau gemacht und ihr gesagt haben: Was? Ihr wollt unseren Feind, den Ziegler, einladen?

Standard: Mit einem Preis, den Ihnen Gaddafi verliehen haben soll, hat das also nichts zu tun?

Ziegler: Das ist eine Verleumdungskampagne, die das American Jewish Committee seit meinem Bericht über den Hunger in Palästina aus dem Jahr 2004 führt. Ich habe diesen Preis nie akzeptiert. Das hätte Burgstaller leicht überprüfen können, etwa indem sie unseren gemeinsamen Freund Wolfgang Petritsch befragt.

Standard: Burgstaller unterstellt Ihnen gar nicht, den Preis angenommen zu haben, sondern sie argumentiert, dass die Diskussion darüber die Festspiele überschattet hätte und dass es in Ihrem Interesse sei, wenn sie dort nicht sprechen.

Ziegler: Blödsinn! Natürlich kann sie nicht sagen, dass Verleumdung dahintersteht. Österreich ist ein demokratisches Land, das Festspielpublikum hätte sich sein Bild schon gemacht. Burgstaller kennt meine Haltung. Doch sie wurde von Sponsoren wie Nestlé, Credit Suisse und UBS unter Druck gesetzt. Wir sprechen von der Schweizer Oligarchie: Die besteht aus äußerst verklemmten Menschen, die mich oft verklagt haben, aber mich nicht unterkriegen können. Diese Zürcher Geldsäcke wollten nicht gezwungen werden, mir bei den Festspielen zuzuhören.

Standard: Hat Burgstaller Sie persönlich ausgeladen?

Jean Ziegler: Ja. Sie hat mir geschrieben, dass ihr es leidtäte und diese lausigen Vorwände aufgelistet. Es fehlt ihr an Mut - deshalb hat sie dem Druck nachgegeben.

Standard: War es Burgstallers Idee, Sie einzuladen?

Jean Ziegler: Sie hat mich geradezu gedrängt. Sie hat auch den Titel "Der Aufstand des Gewissens" vorgeschlagen. Und nun tut sie so, als hätte sie gerade erst entdeckt, dass ich ein Querdenker bin.

Standard: Und wieso wollten Sie überhaupt zu den Festspielen?

Jean Ziegler: Sie sind ein fantastisches Podium. Ich wollte über die kannibalische Weltordnung sprechen und über die bewusstseinserweckende Rolle der Kunst. Es braucht ein kollektives Gewissen, um das Massaker des Hungers zu stoppen. (DER STANDARD, Printausgabe, 1.4.2011)