Seit Jahren tobt eine Debatte über die Entsorgung großer Mengen verdünnten Kühlwassers aus der japanischen Atomruine Fukushima. Das umstrittene Vorhaben, das Wasser ins Meer zu leiten, rückt jetzt näher. Vertreter der japanischen Atomaufsichtsbehörde wollen Medienberichten zufolge am Wochenende die Anlagen zur Einleitung des behandelten Wassers ins Meer inspizieren, Gespräche mit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) laufen schon seit vergangenem Jahr.

Fukushima Wassertanks
Tanks mit Kühlwasser füllen das Gelände des havarierten Atomkraftwerks. Die Tankkapazität neigt sich dem Ende zu.
REUTERS/KIM KYUNG-HOON

Nach Abschluss eines Testdurchlaufs muss die Behörde noch eine Vorabprüfung vornehmen, bevor mit der Einleitung des Wassers in einen etwa einen Kilometer langen unterseeischen Tunnel begonnen werden kann, der in den Ozean mündet. Dies wird noch in diesem Sommer erwartet. Die Entsorgung der großen Wassermengen dürfte Jahrzehnte dauern. Laut japanischen Medien will der Generaldirektor der IAEA, Rafael Grossi, Anfang nächsten Monats für ein Treffen mit Regierungschef Fumio Kishida nach Japan kommen.

Ablehnung bei Nachbarstaaten und Fischerei

Im AKW Fukushima Daiichi war es am 11. März 2011 infolge eines schweren Erdbebens und riesigen Tsunamis zu einem Super-GAU gekommen. Mehr als zwölf Jahre danach müssen die dabei zerstörten Reaktoren nach wie vor mit Wasser gekühlt werden. Das Wasser wird in riesigen Tanks gelagert, doch inzwischen geht der Platz aus. Laut dem japanischen Fernsehsender NHK beläuft sich die Menge auf mehr als 1,3 Millionen Tonnen. Das entspreche etwa 97 Prozent der Tankkapazität.

Die Regierung hatte daher 2021 entschieden, das Wasser zu filtern und in den Pazifik zu leiten. Das Filtersystem ALPS kann zwar das Isotop Tritium nicht herausfiltern. Laut Betreiber Tepco und auch der Atomenergiebehörde IAEA soll dies jedoch keine Gefahr für die Umwelt darstellen. Umweltschützer, Nachbarländer und örtliche Fischereigemeinden sind dennoch gegen das Vorhaben. Die Fischer fürchten weitere Reputationsschäden für ihre Produkte.

Gängige Praxis

"Das hört sich zunächst wie eine schreckliche Idee an, ist aber in Wirklichkeit vernünftig und sicher", sagte dagegen Nigel Marks, Professor für Physik und Astronomie an der Curtin University in Australien. Atomkraftwerke in aller Welt würden seit Jahrzehnten routinemäßig belastetes Kühlwasser ins Meer ableiten. "Und es ist nie etwas Schlimmes passiert", sagte der Wissenschafter. Der Pazifische Ozean enthalte 8.400 Gramm reines Tritium. Japan wolle jedes Jahr lediglich 0,06 Gramm Tritium freisetzen. "Die winzige Menge an zusätzlicher Strahlung macht nicht den geringsten Unterschied aus."

Robert Richmond, Direktor des Kewalo Marine Laboratory an der Universität von Hawaii, bezeichnete Japans Plan hingegen "verfrüht und gegenwärtig nicht ratsam". Die vom Betreiberkonzern Tepco erstellte radiologische Umweltverträglichkeitsprüfung sei "mangelhaft und unzureichend". Gleiches gelte für die Überwachungspläne, "die nicht auf den Schutz des Ökosystems abzielen, sondern nur auf die Erkennung", sagte der Experte. (APA, red, 22.6.2023)