Geschäfte, die mit der Silbe "-ei" enden, haben sich mittlerweile zu einer Plage ausgewachsen. Nur affige Friseurnamen sind schlimmer. Man könnte also durchaus Menschen dazu anhalten, es suffixsensiblen Gemütern gleichzutun und einen Bogen um Lokalitäten zu machen, die sich freiwillig Burgerei oder Fotografiererei, Möbelei, Pflanzerei oder Eierei nennen.

Sense, Workhop, Natur
In den Sensenworkshops von Doris Fröhlich und Georg Gasteiger sollen gestresste Städter auch den meditativen Flow der Tätigkeit erleben.
Doris Fröhlich

Allerdings nimmt man dann auch in Kauf, dass einem etwas entgeht. Die Senserei zum Beispiel, die sich am Ende der Sechshauser Straße, in unmittelbarer Nähe zu Schönbrunn, befindet. Georg Gasteiger und Doris Fröhlich, zwei ehemalige Förderungsmanager des Austria Wirtschaftsservice (aws), haben hier vor fast zwei Jahren ein (auch in Europa) ziemlich einzigartiges Fachgeschäft eröffnet. Es ist – der Name lässt keine Überraschungen zu – auf Sensen spezialisiert.

Das Geschäft, in dem es nach Wiese und Heu riecht, bietet das Beste dessen, was die Sensenwelt so zu bieten hat. Die handgeschmiedeten Klingen, zu denen man fachgerecht "Blatt" sagt, stammen vom oberösterreichischen Unternehmen Schröckenfux, der letzten Sensenschmiede Österreichs, und aus Oberitalien von Falci. Die beiden Unternehmen gelten als Nischenchampions und beliefern weltweit die Sensenszene. Gasteiger und Fröhlich erklären auch, wie diese Blätter auf dem sogenannten "Baum", einem Stiel aus Eschenholz, montiert werden.

Rinderhorn und Kupfer

Fünf verschiedene Baumgrößen gibt es im Geschäft der beiden, denn Sensen sollten auf die Körpergröße ihrer Benutzer und Benutzerinnen abgestimmt sein. Damit alles korrekt eingestellt ist, gibt es im Laden sogar einen Schwungsimulator – einen runden Juteteppich, auf dem man korrekte Sensenschwünge übt. In den Regalen und an den Wänden finden sich weitere Utensilien, die es für ein fröhliches Mähen braucht. Unter anderem Wetzsteine, damit die Schneid schön scharf bleibt. Schließlich sollen die Grashalme geschnitten und nicht ausgerissen und niedergemetzelt werden. Die Wetzsteine werden in einem Becher aus Rinderhorn oder Kupfer, der Kumpf genannt und am Gürtel montiert wird, mit auf die Wiese genommen. Auch Kumpfe sind vorhanden. Dazu finden sich im Sortiment der Senserei noch Rechen und Sicheln. Sogar ganz kleine, falls man das Bedürfnis hat, wie Miraculix Misteln zu schneiden.

Trotzdem: warum das alles? Und noch dazu in der Stadt? Georg Gasteiger, der vor zehn Jahren im tirolerischen Steinberg am Rofan mit dem Mesnerhof-C ein Coworking- und Workation-Zentrum mitten in den Bergen aufgezogen hat, klärt auf: "Ich bin beseelt vom Brückenschlag zwischen Stadt und Land. Mit dem Mesnerhof-C habe ich versucht, urbanes Publikum aufs Land zu bekommen. Und jetzt bringe ich Stadtmenschen die Sense näher."

Suchtmittel Sense

Das könnte sogar so etwas wie eine Rettungsaktion für das Werkzeug sein, das man schon seit der Eisenzeit kennt, denn: "Heute spielte die Sense im bäuerlichen Arbeitsalltag keine Rolle mehr. Sie hat in der Landwirtschaft ausgedient", fasst der 55-jährige Unternehmer zusammen. Es gibt einfachere, weniger anstrengende Möglichkeiten, Wiesen und Hänge großflächig zu mähen.

Sense, Workshop, Natur
Mit Sensen und Sicheln soll ein Brückenschlag zwischen Stadt und Land gelingen.
(c) Doris Fröhlich & Ewald Fohr

Dafür wird die Sense in der Stadt als Urban-Gardening-Tool wiederentdeckt. Gasteiger und Fröhlich sind daran nicht ganz unbeteiligt. Als vom Sensenverein Österreich geprüfte Sensenmählehrer bringen sie in vierstündigen Workshops bis zu zwölfmal pro Jahr Städtern den Umgang mit der Sense bei, übrigens schon seit 2011. Dutzende Menschen hat das Duo so von den Vorzügen des motorlosen Mähens – sie nennen es "Slow Mowing" – überzeugt. Denn weg vom Rasenmäher ist das Ziel: "Rasenmäher zerstören bei jedem Mähvorgang mit ihrem saugenden Rotationsmähwerk bis zu 70 Prozent der Bodenfauna – egal ob fossil oder elektrisch betrieben. Durch die getrimmten Rasenflächen verlieren dann auch noch wichtige Bestäuber wie Bienen ihre Nahrung", klärt Doris Fröhlich auf. Die 47-Jährige zählt noch weitere Sensen-Pros auf. "Man spart ohne Rasenmäher CO2, verursacht keinen Lärm, und eine gewachsene Wiese braucht weniger Wasser als ein getrimmter Rasenteppich." Auch Gasteiger gerät fast ins Schwärmen, wenn er an die Vorzüge der Sense denkt. "Naturbelassene Wiesen braucht man nicht so oft mähen. Üblicherweise reichen zwei bis drei Schnitte im Jahr. Und wenn man es richtig macht, ist Sensen gesund und eine fast schon meditative Arbeit mit hohem Suchtfaktor." Sense und Sensibility sozusagen.

Sensenservice

Und wer kommt aller aufs Suchtmittel Sense drauf? Bobos? Lohas? Stadtgärtner? "Unsere Kurse werden zu fast 75 Prozent von Frauen gebucht. Immer wieder kommen Menschen zu uns in die Senserei, die in einem Geräteschuppen in ihrem Wochenendhaus eine alte Sense gefunden haben", sagt Doris Fröhlich. Ist das der Fall, begutachten die beiden Sensensenseis das Fundstück. Wird es den Ansprüchen an eine Sense gerecht, bringt man das Stück auf Vordermann. "Da eine Sense ein Leben lang hält, wenn sie gepflegt wird, montieren wir das Blatt auf einen neuen Baum, dengeln es und schärfen die Schneid", sagt Gasteiger.

Dengeln ist überhaupt so eine Sache. "Es ist nicht so einfach wie das Schärfen mit dem Wetzstein, deswegen haben wir ein Immer-scharf-Service kreiert", sagt Fröhlich. Einmal im Jahr können Kundinnen und Kunden ihr Sensenblatt professionell dengeln lassen und haben dann jede Saison eine perfekte Klinge. Zudem bietet man ein Mietservice für Sensen an. Für 50 Euro (und 200 Euro Kaution) kann man sich eine Woche lang Werkzeug und Zubehör ausleihen und schauen, ob das Slow-Mow-Zeug süchtig macht.

Und auch für alle, die mähen wollen, aber über kein eigenes Grundstück verfügen, respektive Grundstückbesitzer, die nicht selber mähen wollen, aber auf Biodiversität Wert legen, haben Gasteiger und Fröhlich eine Idee im Hinterkopf. Auf einer Art Wiesen-Tinder will man Sense und Wiese verkuppeln. Das klingt nach mehr als Liebelei. (Manfred Gram, 25.9.2023)