Die Werbefigur
Die Werbefigur "Klementine" ist längst Geschichte. Bis in die frühen 80er-Jahre flimmerte sie jeden Abend über die Mattscheibe.
Foto: Procter & Gamble

Der Bär war ein Werbe-VIP. In süßlichen Werbefilmen schüttet er dem noch schlaftrunkenen Erwachsenen klebrige Kondensmilch in seinen Morgenkaffee, machte dem aufgeweckten Kinde zuckerige Fruchtgummis schmackhaft und purzelte rücklings in einen kuschelweichen Wäschestapel.

Der Werbestar für Bärenmarke, Haribo und den Weichspüler Kuschelweich war ein Allroundtalent zu der Zeit, als es nachts noch ein Testbild gab und dann eine Stimme aus dem Off ankündigte: "Hier ist der Österreichische Rundfunk mit seinem Fernsehprogramm." Dann wackelte der Hustinettenbär mit seinen angeblich heilenden Bonbons durch den Sender, und der Charmin-Bär propagierte die Vorteile von dreilagigem Toilettenpapier. War die Welt da noch in Ordnung?

Vor allem die Generation der heute 50- bis 70-Jährigen ist mit ihnen am TV-Schirm gesessen und zum Einkaufen animiert worden. Und heute? Haben Influencerinnen und ihre männlichen Kollegen auf den Social-Media-Kanälen die niedlichen Figuren aus der guten alten Zeit wirklich in die Erinnerung verbannt?

"Aus der fiktiven sind wir jetzt meist in der realen Welt angekommen", sagt Fedja Burmeister, bis vor wenigen Monaten Geschäftsführer der Agentur Jung von Matt Donau in Wien. Es sei "gefällige Werbung, die das normale Leben abfilmt". Statt des Hustinettenbärs gebe heute das Kind dem erkälteten Vater ein Zuckerl, und schon gehe es dem Papa und seinem Hals besser. Burmeister, Ex-Chef einer der kreativsten Werbefirmen des Landes, gibt seiner Branche durchaus Mitschuld. "Es ist Mut verloren gegangen. Werbefiguren würden polarisieren, die haben Ecken, und Marken sollen keine Ecken haben. Aber über eine mutige Idee reden die Leute und sehen so nicht nur den Werbespot", so Burmeister. Für die Marken hätte das einen "wertvollen Mehrwert". "Man merkt sich nicht nur das Produkt, sondern auch die Geschichte des Werbewesens", meint der Werbefachmann, bei dem das Wort "merkwürdig" äußerst positiv besetzt ist.

Erdal-Frosch, Goldbär, Milka-Kuh und Co. Einige
Erdal-Frosch, Goldbär, Milka-Kuh und Co. Einige "Charaktere" gibt es noch, wenn auch mehr oder weniger modifiziert. Viele andere sind verschwunden.
Foto: Heidi Seywald

Natürlich beherrschen die Agenturen auch ihr eigenen Erzählungen, die man heute gerne "Storytelling" nennt.

Als die Kreativen der Werbeagentur Young & Rubicam in Frankfurt am Main mit dem Zug aus der Suchard-Schokoladenfabrik in Lörrach kamen, sollen sie Anfang der 70er-Jahre beim Blick auf eine Kuhweide die Idee gehabt haben, eine lila Kuh für die damals schon ganz in lila eingepackte Schokolade in Fernsehspots grasen zu lassen. Die Milka-Kampagnen gelten bis heute als Klassiker in der Geschichte der Kultagentur.

Latzhose und Fingerbad

Es waren nicht immer Zeichentrickfiguren, die warben. Wer erinnert sich nicht an Frau Antje, die den Käse aus Holland brachte, an Tilly, die geradezu frohlockte, wenn eine Unbekannte ihre Hände im Abwaschmittel Palmolive badete und das angenehm fand, oder an die Waschfrau Klementine, die in Latzhosen auch den letzten Dreck aus dem verschmutzten Kleiderberg der pingeligsten Kundin wegbekam. Der Persil-Mann verkündete zum 50-Jahr-Jubiläum des Waschmittels stolz, man hätte viele Millionen Schilling in die Weiterentwicklung gesteckt.

Auch wenn diese putzigen und zum Teil schrulligen Geschichten eine moderne Fortsetzung verdient hätten: Eigentlich spricht alles für Gezeichnetes. Werden die echten Damen und Herren in ihren Rollen doch älter und älter, könnten die Kunstcharaktere immer wieder neu animiert werden. Einige von ihnen blicken tatsächlich auf ein erfülltes Leben zurück und haben sogar überlebt. Den schnurstracks schreitenden Johnnie Walker auf der Scotch-Pulle, einen Frosch als Erdal-Schuhcreme-Kennung oder das Michelin-Männchen, alle gab es schon in den Nullerjahren des 20. Jahrhunderts.

Vielleicht sind sie deshalb oft stärker im Unterbewusstsein als der Artikel selbst. Die Figur überstrahlt die Marke, wie das Burmeister nennt. So wurden Markenbotschafter zum allgemeinen Sprachgut. Ein "HB-Männchen" bezeichnet jemanden, der sich umgehend aufregen kann, weil eben auch der Zigaretten-Mann aus der Werbung schnell in die Luft ging.

Natürlich hat auch das weltweite Internet dazu beigetragen, dass so manches Bärchen in den ewigen Winterschlaf gefallen ist. In der schnellen Social-Media-Welt mit ihrer fotogeshoppten Scheinrealität ist die Frequenz für die Selbstvermarktung oftmals so hoch, dass eine neue Werbefigur wohl schon vor ihrem ersten Auftritt überholt wäre. Apropos Internet: Wer denkt noch an den Labrador von Lycos, der 1997 für die gleichnamige Suchmaschine warb, oder den menschgewordenen Hausverstand von Billa?

Wie eine Neuerfindung in kürzester Zeit trotzdem bekannt und zum Begriff werden kann, zeigte während der Corona-Pandemie die Kampagne mit dem Babyelefanten. Erdacht von Jung von Matt. Es ging um den nötigen Abstand, den Menschen voneinander halten sollten. In den Werbespots versucht ein Kind im Elefantenkostüm, dicht stehende Leute auseinanderzudrücken. Den kleinen Dickhäuter "mochten auch nicht alle, aber alle kannten ihn, und ein Wort klang in aller Munde: Babyelefantenabstand." (RONDO, Oliver Zelt und Caroline Wesner, 29.10.2023)