Schiele Grünbaum Selbstporträt
Zuletzt in der Sammlung Ronald Lauders beheimatet, hat das Selbstporträt Schieles (1912) jetzt um 10,99 Millionen Dollar den Besitzer gewechselt.
Christie's

Die Causa des 1941 in Dachau ermordeten österreichischen Kabarettisten Fritz Grünbaum beschäftigt die Kunstbranche seit mehr als zwanzig Jahren und auch aktuell. Genauer Teile seiner Kunstsammlung, zu der einst auch sieben Werke von Egon Schiele gehörten, die jüngst aus US-amerikanischen Sammlungen an eine Erbengemeinschaft restituiert wurden: Deren drei gelangten in der Nacht auf Freitag bei Christie's in New York zur Auktion, drei weitere werden am Samstag versteigert. Ein aus dem Museum of Modern Art (Moma) stammendes Aquarell wechselte bereits im September fern der Öffentlichkeit den Besitzer.

Die erste Tranche spielte inklusive Aufgeld des Auktionshauses insgesamt 16,53 Millionen Dollar ein. Den höchsten Zuschlag erteilte Christie's erwartungsgemäß für das zuletzt in der Sammlung Ronald Lauders beheimatete Selbstporträt, das Schiele am 24. April 1912 schuf, als er wegen des Verdachts der Entführung und Schändung eines minderjährigen Mädchens in Untersuchungshaft saß. "Ich liebe Gegensätze", hatte er titelgebend auf das Blatt notiert, das mit einem moderaten Schätzwert von 1,5 bis 2,5 Millionen Dollar an den Start ging.

Hauser & Wirth als Unterbieter

Den Zuschlag erteilte Christie's schließlich bei 10,99 Millionen Dollar. Wo das Werk eine neue Heimat fand, wurde, anders als der geschlagene Unterbieter Hauser & Wirth, vorerst nicht bekannt. 2,8 bzw. 2,7 Millionen Dollar erzielten ein weiteres Selbstbildnis (zuletzt Morgan Library & Museum) sowie das Aquarell "Dirne" (zuletzt Moma). Zumindest zwei oder auch drei Millionen Dollar werden die anderen drei am Samstag in der Kategorie "Impressionist & Modern Works on Paper" aufgerufenen Werke noch einspielen.

Ein Teil der Erlöse aus den Verkäufen soll, einer Ankündigung der Erben zufolge, in ein Stipendienprogramm fließen, das im Namen von Fritz Grünbaum junge Musikschaffende unterstützen werde. Wie hoch dieser Anteil sein wird, ist unbekannt. Denn teils müssen auch aus dem jahrelangen Kampf an der Rückgabefront resultierende Ansprüche bedient werden. Teils gilt es aber wohl auch allfällige Kosten zu decken, die sich im Umfeld der zahlreichen im Dezember 2022 eingereichten Zivilklagen ergeben dürften, die ja überhaupt erst zu den jüngsten Rückgaben geführt hatten.

Gegen Restitution ausgesprochen

Wie berichtet, sind auch die Republik Österreich und zwei österreichische Museen von solchen Klagen betroffen. Dabei geht es um zwei Schiele-Werke im Bestand der Albertina sowie deren zehn aus dem Leopold Museum, die Gegenstand jahrelanger Provenienzforschung waren. Die beiden zuständigen Rückgabekommissionen hatten sich unabhängig voneinander 2010 und 2015 gegen eine Resitution ausgesprochen, da ein an den Kriterien des 1998 eingeführten Kunstrückgabegesetzes bemessener Entzug in der NS-Zeit nicht festgestellt werden konnte.

Eine Entscheidung, die von den Erben nach Fritz Grünbaum wiederholt scharf kritisiert wurde. Sie sehen sich als "Opfer einer verfehlten Restitutionspolitik Österreichs", denen "kein anderer Weg" bliebe, „als die Gerichte in den USA anzurufen, um Gerechtigkeit zu erlangen. Über die Zuständigkeit amerikanischer Gerichte wurde bislang noch nicht entschieden.

Kein Hinweis auf NS-Entzug

Tatsächlich fanden sich trotz intensivster Forschung keinerlei Hinweis auf eine Beschlagnahme oder auch Zwangsverkäufe während des NS-Regimes. Nicht nachweisbar ist auch eine von den Erben lancierte Behauptung, wonach Grünbaums Ehefrau Lilly "die Anweisung hatte, die Sammlung zu liquidieren und den Erlös an die Nazis zu übergeben", wie "The Art Newspaper" etwa aktuell berichtet.

Vielmehr waren die von den Erben geforderten Werke von Grünbaums Schwägerin Mathilde Lukacs, der Schwester seiner 1942 von den Nazis ermordeten Ehefrau, in den 1950er-Jahren über den Schweizer Kunsthandel verkauft worden. Lukacs war selbst vor dem Nazi-Regime geflüchtet, muss jedoch irgendwann nach Ende des Zweiten Weltkriegs Zugriff auf die einst mehr als 400 Werke (davon 80 von Schiele) umfassende Sammlung bekommen haben: Auf welche Weise ist unbekannt, jedoch wurde bis zu Lukacs Tod in den 1970er-Jahren weder eine Suche noch eine Rückgabeforderung bei österreichischen Behörden je aktenkundig.

Ob sie erbrechtlich dazu befugt war, die Kunstwerke zu veräußern, spielt für eine Beurteilung nach dem Kunstrückgabegesetz und dem darin festgelegten Zeitraum von der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland („30. Jänner 1933) bis Ende des Zweiten Weltkrieges („8. Mai 1945“) keine Rolle. (Olga Kronsteiner, 10.11.2023)