Schiele Werke
Drei der sechs Werke von Egon Schiele, die nach ihrer Restitution nun bei Christie’s versteigert werden: "Stehende Frau (Dirne)" (1912, vormals Museum of Modern Art, New York), das "Bildnis Edith Schiele" (1915, vormals Santa Barbara Museum of Art) und das Selbstporträt von 1912 (vormals Sammlung Ronald Lauder).
Christie's

Litigation-PR mag für Restitutionsfälle kein Novum sein. Die Effizienz, mit der die Erben nach Fritz Grünbaum zu Werke gingen, überrascht dennoch. Wie berichtet, vertreten sie die Ansicht, die Kunstsammlung des Kabarettisten sei von den Nazis "geraubt" worden, obwohl dafür der Nachweis fehlt. Sogar die APA berichtet über den Fall neuerdings unter dem Schlagwort "Nazi-Raubkunst" und negiert damit die österreichische Rechtslage.

Bemerkenswert ist auch, was die jüngsten Berichte über die "freiwilligen Rückgaben" und die für November bei Christie’s in New York angekündigte Versteigerung der restituierten Werke von Egon Schiele in US-amerikanischen Medien eint: Alle übernehmen das Raubkunst-Narrativ, auf das die Grünbaum-Erben ihre im Dezember 2022 eingereichten Klagen stützen und das die New Yorker Staatsanwaltschaft ihren Beschlagnahmeverordnungen zugrunde legten.

Keine der Journalistinnen oder Autoren der New York Times oder anderer Fachmedien behandelten bislang die zur Einschätzung des Falls relevanten historischen Fakten zu den Besitzerwechseln jener Kunstwerke, um die es eigentlich geht. Weder wurden Historiker befragt noch Provenienzforscherinnen, notabene auch jene nicht, die jahrelang mit der Rekonstruktion des Falls befasst waren.

Provision aus Verkaufserlösen

Letztere ergab, dass etwa die 80 einst Fritz Grünbaum gehörenden Werke von Egon Schiele nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in den 1950er-Jahren von seiner Schwägerin verkauft wurden. Sieht man vom tragischen Schicksal der Ermordung des österreichischen Kabarettisten (Dachau 1941) und seiner Ehefrau Lilly (Maly Trostinec 1942) ab, fällt die Erzählung der von den Nazis geraubten Sammlung demnach in die Kategorie alternativer Fakten. Wenn überhaupt, dann geht es um Erbschaftsfragen.

Wie kaum ein anderer Fall steht dieser für ein Geschäftsmodell, bei dem Erben von Profis unterstützt werden, die Stundenlöhne von bis zu 500 Dollar und Provisionen von wenigstens 20 Prozent der Erlöse kassieren. Deren Methoden sind zulässig. Sie zielen auf Profit ab, der über Restitutionen oder Vergleiche und anschließende Verkäufe erzielt wird. Insofern ist die Beharrlichkeit nachvollziehbar, mit der Herbert Gruber und sein "Büro für Genealogie" auch abseits von Gerichtssälen, unterstützt von der deutschen Hörner Bank (Heilbronn) und einem Tross von Anwälten, seit 1998 namens der Erben kämpfen.

Gmälde Schiele
Drei der sechs Werke von Egon Schiele, die nach ihrer Restitution nun bei Christie’s versteigert werden: "Stehende Frau (Dirne)" (1912, vormals Museum of Modern Art, New York), das Selbstporträt von 1912 (vormals Sammlung Ronald Lauder) und das "Bildnis Edith Schiele" (1915, vormals Santa Barbara Museum of Art).
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Auch Vergleiche bescheren Profit

Schon vor Jahren wurden deshalb bei einschlägigen Datenbanken alle Werke, die je in einem Zusammenhang mit Fritz Grünbaum standen, als Raubkunst gemeldet; die Sammlung umfasste einst mehr als 400 Werke, deren Wert wohl bei mehr als 500 Millionen Euro liegen dürfte. Von solchen Maßnahmen waren nicht nur zahlreiche Museen betroffen, sondern sind es bis heute auch zahlreiche Private, deren Eigentum damit unverkäuflich ist – es sei denn, sie einigen sich mit den Erben nach Grünbaum. "85 Prozent solcher Verfahren enden in einem Vergleich", weiß Herbert Gruber aus Erfahrung.

Wie hoch sein Anteil an Erlösen aus den Verkäufen ist? Angesichts jahrelanger Vorleistungen und damit verbundener Spesen kann er bis zu einem Drittel betragen. Eine Größenordnung, die Gruber auf Anfrage "so nicht" bestätigen will, auch weil dieses Detail "unter eine Schweigeverpflichtung fällt". Es sind jedoch Ansprüche, die von den Erben bedient werden müssen, bevor auch nur ein Cent in das Stipendienprogramm fließt, das im Namen von Fritz Grünbaum junge Musikschaffende unterstützen soll.

Den Schätzungen Christie’s zufolge sollen die sechs Arbeiten auf Papier insgesamt gut acht Millionen Dollar einspielen. Der höchste Zuschlag wird für das Selbstporträt erwartet, das Ronald Lauder restituierte: Es entstand am 24. April 1912, als Schiele wegen des Verdachts der Entführung und Schändung eines minderjährigen Mädchens in Untersuchungshaft saß.

Kalkül und Fehlinformation

Im Vergleich zum drohenden Reputationsverlust und zu potenziellen Verfahrenskosten war die Rückgabe der Werke für Lauder, den Sabarsky-Nachlass und Institutionen wie das Museum of Modern Art die günstigere Strategie. Die Erben nach Grünbaum wissen das. Ein Kalkül, das auch bei den Klagen gegen die Republik Österreich, die Albertina und das Leopold-Museum eine Rolle spielt. Der aktuelle Status? Im Falle des Leopold-Museums sei der Antrag auf Zurückweisung der Klage am 5. Oktober "gerichtlich abgelehnt" worden, wie Herbert Gruber dieser Tage via Mail wissen lässt.

Eine Fehlinformation, wie auf STANDARD-Anfrage aus dem zuständigen Ministerium verlautet. Über die Zuständigkeit amerikanischer Gerichte wurde noch nicht entschieden. Zumal die Zustellung der Klage gegen die Albertina auf sich warten lässt: ein Umstand, der in der prozessbegleitenden Öffentlichkeitsarbeit bisher freilich kein Thema war. (Olga Kronsteiner, 14.10.2023)