Mit dem Fahrplanwechsel im Dezember ist es so weit: Die lange angekündigten zeitgemäßeren Nachtzuggarnituren werden durch Europa rollen. Eines der ersten Reiseziele, die mit neuen Schlaf- und Liegewagen zu erreichen sind, ist Hamburg. Grund genug – wenn auch nicht der einzige –, der Stadt wieder einmal einen Besuch abzustatten.

Der Zug durchquert die stählernen Bögen der Elbbrücken, um den Hamburger Hauptbahnhof von Süden her zu erreichen. Von hier hat man eine spektakuläre Sicht auf den Hafen: Der Blick geht gen Westen über die Baufelder der neuen Hafencity. Und direkt auf den Elbtower, dessen Bau nun gestoppt wurde; das Prestigeprojekt soll der einzige Wolkenkratzer der Hansestadt mit 245 Meter Höhe werden. Geplant waren auch eine Aussichtsplattform und das Luxushotel Nobu in schwindelerregender Höhe. Auch Hollywoodstar Robert De Niro gehört zu den Eigentümern.

Hamburg bleibt ein Tor zur Welt, weil die Elbmetropole mit einem der größten Binnenhäfen der Welt und als Handelsknotenpunkt auch kultureller Hotspot ist.
Hamburg bleibt ein Tor zur Welt, weil die Elbmetropole mit einem der größten Binnenhäfen der Welt und als Handelsknotenpunkt auch kultureller Hotspot ist.
Mediaserver Hamburg

Im Mittelpunkt der Hafencity dominiert derweil die Elbphilharmonie, das neue Wahrzeichen der Stadt. Das Konzerthaus prägt wie kein anderes Gebäude die Stadtsilhouette. Hamburg bleibt ein Tor zur Welt, weil die Elbmetropole mit einem der größten Binnenhäfen der Welt und als Handelsknotenpunkt auch kultureller Hotspot ist. Herzstück und neues Zentrum Hamburgs ist seit einigen Jahren wieder der Hafen. Mit der Hafencity hatten die Stadtväter und -mütter vor 25 Jahren beschlossen, das Stadtzentrum zur Elbe zu öffnen. Hier lohnt sich ausgedehntes Schlendern auf den Boulevards und Plätzen entlang der neuen Kaimauern.

Schon 2025 will Hamburg seinen ehemaligen Hafen zu einem neuen Stadtteil umgebaut haben. Ein gigantisches Vorhaben, ein Leuchtturmprojekt für die Hansestadt: Hier gibt es die teuersten Wohnungen der Metropole, viele prämierte Bürogebäude und das größte Einkaufszentrum der Stadt. Im Fokus stehen Besucher aus aller Welt, die mit Kreuzfahrtschiffen anlanden, übernachten und konsumieren sollen. Und was werden sie und die Reisenden, die wieder gemächlich im Nachtzug kommen, sich anschauen?

Das Hamburger Gewürzmuseum

In der Antike waren Gewürze so wertvoll wie Gold und Edelsteine. Heute ist Hamburg nach Singapur und New York die Nummer drei im internationalen Gewürzhandel. Etwa 90.000 Tonnen Spezereien werden jährlich umgeschlagen.

Ein schwer zu beschreibender Duft liegt in der Luft. Draußen, am Eingang, hängt ein Plakat mit einer roten Chili-Comicfigur: Spicy’s steht in großen schwarzen Buchstaben darauf. Hier befindet sich ein einzigartiges Gewürzmuseum. Schiffshörner aus dem nahen Hafen dröhnen herüber. Spicy’s befindet sich im Herzen der alten Hamburger Speicherstadt und ist nur einen Katzensprung von der Elbphilharmonie entfernt: ein fünfstöckiges Lagerhaus, gemauert aus den typischen roten Backsteinen. Im Treppenhaus mit den knarrenden Holzstufen riecht es bereits nach Curry, Pfeffer und Ingwer. In der Nase beginnt es zu kribbeln. Im zweiten Stock: eine schwere Eisentür, dahinter wartet Hamburgs würzigste Eintrittskarte: Jeder Erwachsene bekommt ein Pfeffersackerl, Kinder Gummibärchen.

Der Boden des ehemaligen Lagerraums ist mit dunklen, abgenutzten Holzdielen ausgelegt, alles originalgetreu aus den 1880er-Jahren, als die Speicherstadt gebaut wurde. Die Besucher sollen einen Eindruck davon bekommen, wie ein Gewürzspeicher von innen einst aussah. 900 Exponate gibt es, und in diesem Museum darf man alles anfassen: Fühlen, riechen, schmecken ist hier kein Problem, sondern erwünscht.

Spicy’s Gewürzmuseum, Am Sandtorkai 34, 20457 Hamburg Mo–So 10–17 Uhr spicys.de

Udo Lindenbergs Panik-City

Kein traditionelles Museum, keine belehrende Ausstellung ist im vierten Stock des Klubhauses St. Pauli untergebracht, sondern eine interaktive Lebenswerkschau
Kein traditionelles Museum, keine belehrende Ausstellung ist im vierten Stock des Klubhauses St. Pauli untergebracht, sondern eine interaktive Lebenswerkschau
Michael Marek

Hamburgs bekanntester Rocker hat eine eigene Kultstätte. Wo, wenn nicht auf der Hamburger Reeperbahn, die Lindenberg einst als "geile Meile" besungen hat? Mitten im Amüsierviertel auf St. Pauli zwischen Großer Freiheit, Davidswache und Herbertstraße befindet sich das "Udoversum". Kein traditionelles Museum, keine belehrende Ausstellung ist im vierten Stock des Klubhauses St. Pauli untergebracht, sondern eine interaktive Lebenswerkschau. Auf 700 Quadratmetern werden die Lebensstationen des musikalischen Allroundtalents dargestellt, das mittlerweile 77 Jahre alt ist: von seiner Jugendzeit und seiner Wohnstätte im Hotel Atlantic über den politischen Rock ’n’ Roller, der gegen Schwulenfeindlichkeit, Alt- und Jungnazis gesungen hat, bis zu seiner letzten Konzerttournee. Was dabei auffällt: Die Macher haben für das zwei Millionen Euro teure Projekt fast vollständig auf Artefakte mit auratischer Wirkung verzichtet. Es gibt keinen Lindenberg- Hut, keinen Udo-Schreibtisch, keine Original-Panikorchester-Songtexte. Stattdessen flimmern überall bunte Filmchen mit Udo-Interviews, es gibt Panoramaleinwände, 3D-Projektionen und Augmented-Reality-Stationen.

Panik City, Spielbudenplatz 21–22, 20359 Hamburg, alle Führungen werden von einem Guide begleitet und dauern 90 Minuten, Zeiten und Tickets unter panikcity.de

Der Seehafen aus anderer Perspektive

Im Hamburger Hafen treffen Güter aus aller Welt ein.
Im Hamburger Hafen treffen Güter aus aller Welt ein.
Mediaserver Hamburg

Der Containerhafen in Hamburg ist einer der größten weltweit. Der Hafen steht nie still: 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr ist er in Betrieb. Gleichzeitig sind Hafenterminals Sicherheitsareale, und für die Öffentlichkeit heißt es "Zutritt verboten!". Anders auf einer exklusiven Bustour mit Blick hinter die Kulissen: T-Shirts aus Asien, Steaks aus Südamerika, gentechnisch verändertes Saatgut aus Nordamerika – im Hamburger Hafen treffen Güter aus aller Welt ein. 2022 wurden hier 8,3 Millionen Standardcontainer umgeschlagen. Damit liegt Hamburg an dritter Stelle in Europa. Der Containerterminal Altenwerder (CTA) verfügt über eine der modernsten, weitgehend automatisierten Containeranlagen weltweit. Und man kann ihn per Bustour erkunden: riesige Containerbrücken, hochbeinige Van-Carrier, fahrerlose Transportplattformen – die aufregende Welt der Logistik. Während der Rundfahrt erläutern fachkundige Guides alle Details des Containerterminals. Inmitten von haushohen Krananlagen, langen Containerreihen und riesigen Frachtschiffen wird der Hamburger Hafen aus einer anderen Perspektive erlebbar.

Bustour, rund 3 Stunden, Treffpunkt 30 Minuten vor Abfahrtszeit an der Haltestelle Hafencity Universität (U4, gegenüber der Uni), Mo–Fr 9–15 Uhr, Personalausweis oder Reisepass mitnehmen jasper.de/tickets-und-termine

Auf den Spuren der Beatles

Die Fab 4 begannen ihre Karriere in Hamburg.
Die Fab 4 begannen ihre Karriere in Hamburg.
Mediaserver Hamburg

Nicht in Liverpool, sondern in Hamburg startete 1960 die Karriere der Beatles. Hier entwickelte sich eine talentierte Band zu den magischen Pilzköpfen, die die Popmusik veränderten. Die Musiker wohnten in einer kärglichen Hinterhofkaschemme auf der Reeperbahn. Lennon und Co machten Schulden in den Kneipen und kamen wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses sogar in Polizeiarrest. Um die Zeit der Beatles im Indra-Club ranken sich viele Legenden. Zu den wahrscheinlicheren gehört, dass Paul McCartney für sein "When I’m 64" die Zahl 64 aus der Hausnummer des Musikclubs entnommen hat. "Indra – where the Beatles played first" – mit diesem Motto wirbt der Musikclub auf der Großen Freiheit 64 noch heute.

Zu den Originalschauplätzen der Hamburger Beatlemania geht es auf Hempel’s Beatles-Tour. Immer dabei: ihre Ukulele, mit der die Hamburgerin durchs Rotlichtviertel führt. Dort, in den Straßen St. Paulis, auf der Großen Freiheit und der Reeperbahn, singt Stefanie Hempel die Songs, die die Beatles damals in den verrauchten Clubs Abend für Abend zum Besten gaben.

Individuelle Beatles-Tour, Strecke und Lieblingssongs nach Absprache, 2,5 bis 3 Stunden, Treffpunkt Beatles-Platz, Reeperbahn hempels-musictour.de

Energieberg Georgswerder

Ganze 40 Meter ist er hoch – und damit in Hamburg schon ein richtiger Berg, den man besteigen kann. Dazu ein sanft geschwungener Rundweg auf Stelzen, ein Laufsteg aus Stahl und Holz. Die Großstadt liegt einem zu Füßen, und man weiß nicht, worauf man zuerst blicken soll: auf die Hafensilhouette, die Elbphilharmonie, die Hauptkirchen, das Rathaus, die Autobahnen, die sich vor einem kreuzen und in die Stadt hinein- wie auch wegführen, das Umland mit seinen Obst- und Gemüseanbauflächen? Dabei steht man auf einer einstigen, zum Berg angewachsenen Deponie. Und was für einer! Hier wurde Müll Schicht für Schicht aufgehäuft. Erst Trümmer- und Bauschutt der Nachkriegszeit, danach der übliche Hausmüll der Wirtschaftswunderjahre. Und schließlich Industriemüll – Dioxin, ein langlebiger giftiger Schadstoff. Heute ist der Berg ein faszinierender Ort, der seine Geschichte und den Umgang mit der Natur erzählt: einerseits eingezäunt, streng bewacht, mit Messstationen überzogen. Und andererseits mit Wanderwegen versehen und einem spektakulären Informationszentrum.

Energieberg, Fiskalische Straße 2, 21109 Hamburg, Führung Fr 15.30, Sa, So 10.30 und 15.30 Uhr, Gelände Di–So 10–18 Uhr stadtreinigung.hamburg

Französisches Ambiente mit Elbblick

Hamburg macht hungrig, und wer mehr als Krabbenbrötchen zur Stärkung braucht, der sollte in die Große Elbstraße westlich des Fischmarkts gehen. Hier haben nicht nur die Fischgroßhändler ihre Kühlhallen, hier sind auch die besten Restaurants für frischen Kabeljau und Co. Eines davon ist das Am Kai. Enzo Caressa residiert hier seit mehr als 20 Jahren. Der gebürtige Franzose hat ein Fisch- und Seafood-Restaurant mit mediterranem Flair geschaffen und ein Ambiente mit viel Stil und Wärme. Highlight ist die 100 Meter lange Außenterrasse. Ganz Zeitgeist: Hier kommen nur frische Zutaten auf den Tisch. Zwei Highlights: die Trüffelspaghetti und die Lachs-Ceviche für Gourmets. Oder als dritte Empfehlung die Dorade als Fang des Tages, liebevoll zubereitet und serviert am Platz. Service wird großgeschrieben, Hafenambiente inklusive, dazu die vorbeiziehenden Ozeanriesen bei Sonnenuntergang. Ein idealer Ort, um direkt am Wasser auf die Lichter der Stadt zu schauen und von ihren Heimathäfen zu träumen. Zählt 2023 zu den drei Hamburger "Restaurants des Jahres".

Am Kai, Große Elbstraße 145 B–D, 22767 Hamburg, ab 17.30 Uhr, Sonntag und Montag Ruhetag amkai.hamburg

Lachsbrötchen statt Labskaus

Mit den Füßen im Elbsand buddeln, über die vorbeikommenden Containerriesen staunen, Frühstück, Kaffee oder kleine Gerichte genießen – es gibt dafür wohl keinen besseren Ort als die Strandperle im Stadtteil Oevelgönne. Zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts befand sich hier die Altonaer Milchhalle. In langen Badekleidern genoss man damals einen Becher Milch oder nahm ganz züchtig ein Elbbad. Während des Zweiten Weltkriegs schloss die Trinkhalle vorübergehend, 1949 wurde sie neu eröffnet. Bootsbesitzer, Lotsen und Rentner tranken hier ihr Bier und spielten dazu Skat. Heute treffen sich in der Strandperle Alt und Jung, Stammgäste und Touristen zu Currywurst, Fischsuppe oder Prosecco, nicht nur an Sommerabenden kann es hier schon mal bunt und trubelig zugehen.

Strandperle, Oevelgönne 60, 22605 Hamburg, Mo–Fr 10–23.30 Uhr, Sa, So, Feiertag 9–23.30 Uhr strandperle-hamburg.de

Stilvoll schlafen an der Philharmonie

Die Elbphilharmonie prägt die Skyline der Hansestadt.
Die Elbphilharmonie prägt die Skyline der Hansestadt.
Mediaserver Hamburg

Wie ein Ozeanriese ragt die Elbphilharmonie im Hafengebiet empor. Unten aus massivem Rotklinker gemauert, oben mit einer schillernden Hülle aus Glas und Stahl überzogen. Ein historischer Kaispeicher ist das Fundament für die oberen Stockwerke mit zwei Konzertsälen, Plaza sowie dem The Westin: Das nicht sternezertifizierte Lifestyle-Hotel ist zum Nächtigen ein Ort der Extraklasse. Die 244 Zimmer und Suiten verteilen sich auf 21 Etagen. Ein Genuss: An den scheinbar schwerelosen Fenstern stehend scheint man zu schweben.

Je nach Wetter und Tageszeit ziehen vor den bodentiefen, kunstvoll geschwungenen Fenstern Nebelschwaden, Hagel, Schnee- oder Regenschauer vorbei, oder es eröffnen sich sonnenklare Fernblicke bis hin zur zweitlängsten Brücke Deutschlands, der Köhlbrandbrücke. Weiter unten schippern mal gemütlich, mal hektisch Barkassen, Fähren und Frachter. Viel Lob bekommt das Hotel von Kritikern und Gästen immer wieder für die minimalistische Gestaltung. Die Einrichtung der Zimmer ist schlicht in Weiß, Beige und Chrom gehalten. Ein Highlight ist das 1300 Quadratmeter große Spa. Hier kann man im 20 Meter langen Pool Bahnen schwimmen – und aus Bullaugen Blicke auf den Hafen erhaschen. Der Clou: Vom Saunabereich tritt man hinaus auf eine sogenannte Frischluft-Loggia und thront wieder über Kränen und Kaimauern – steife Brise inklusive. (Michael Marek, Anja Steinbuch, 10.12.2023)

The Westin Hamburg, Platz der Deutschen Einheit 2, 20457 Hamburg, DZ ab 260 Euro marriott.com/de/hotels/hamwi- the-westin-hamburg/overview