Die Gemeinschaft der 27 EU-Staaten steckt samt ihren Institutionen seit langem in einer Vertrauenskrise. Sie findet kaum heraus aus ihren inneren Widersprüchen. So geht das seit Brexit, Pandemie und Ukrainekrieg, durch Energie- und Zinskrise, die Klimakrise sowieso.

Der neue polnische Regierungschef Donald Tusk
Der neue polnische Regierungschef Donald Tusk steht für einen Kurswechsel seines Landes.
IMAGO/Wojciech Olkusnik/Eastnews

Das alles schuf Raum für nationalistische Illusionen, für politische Fliehkräfte nach rechts und links. Europa steht heute politisch zersplittert und schwach da. Nicht wenige glauben inzwischen, die EU gehe langsam, aber sicher den Bach runter. Tatsächlich? Polen zeigt, dass es auch anders geht.

Plötzlich taucht mit Donald Tusk ein Regierungschef auf, wie er "proeuropäischer" nicht sein könnte. Er strebt offen und optimistisch "ein starkes Europa" an, sein Land vorn dabei. Er ist nach dem autoritären, rechtspopulistischen Regime in Warschau ein echter Lichtblick, eine Riesenchance für die EU.

Die Frage ist, ob andere, auf die es ankäme, diese Chance zur "Renaissance der EU", wie Frankreichs Präsident Emmanuel Macron 2017 forderte, ergreifen. Neben ihm wäre der deutsche Kanzler Olaf Scholz gefordert, Italiens Giorgia Meloni, Spaniens Pedro Sánchez. Und warum nicht auch Karl Nehammer? Wenn sie nur einen Hauch von Geschichtsbewusstsein hätten wie Helmut Kohl, François Mitterrand oder Jacques Delors Anfang der 1990er-Jahre, könnten der EU gute Zeiten bevorstehen. Die Verantwortlichen müssen es nur mutig anpacken. (Thomas Mayer, 14.12.2023)