C.tropicalis-Wurm
Mikroskopische Fluoreszenzaufnahme eines C.tropicalis-Wurms. Der Wurm trägt Eier, die mit einem Toxin (rot) beladen sind, das von einem egoistischen Toxin-Antidot-Genelement nur dann exprimiert wird, wenn es mütterlicherseits vererbt wurde.
Pinelopi Pliota/IMBA

Das Phänomen der genomischen Prägung (Imprinting) stellt eine Form der Genregulation dar, bei der bestimmte Gene abhängig von ihrer elterlichen Herkunft unterschiedlich aktiv sind. Dabei wird von den zwei Kopien eines Gens, die ein Individuum erbt – eine von der Mutter und eine vom Vater –, lediglich eine aktiviert, während die andere durch Methylierung, einen epigenetischen Prozess der chemischen Modifikation der DNA, stillgelegt wird. Diese selektive Genexpression, die nur bei einer relativ kleinen Zahl von Genen auftritt, spielt aber eine wichtige Rolle in Entwicklung und Wachstum von höher entwickelten Organismen, etwa Säugetieren, einschließlich des Menschen.

Ein Forschungsteam des Instituts für Molekulare Biotechnologie (IMBA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften hat nun aufgezeigt, dass die selektive Stilllegung elterlicher Gene weitaus älter ist als bisher angenommen und bereits bei Fadenwürmern (Nematoden) beobachtet werden kann. "Das könnte tiefergehende Einblicke gewähren, wie Organismen zwischen 'Selbst' und 'Nicht-Selbst' unterscheiden, und neue Erklärungen für Autoimmunerkrankungen bieten", erklärt IMBA-Teamleiter Alejandro Burga.

Eizellen mit Toxin versehen

Der frühevolutionäre Elterneffekt wurde bei der Erforschung von hochgradig ausgeklügelten Vererbungsstrategien "egoistischer Gene" im Genom von Fadenwürmern entdeckt. Diese parasitären Elemente, deren einziger Zweck die Vererbung an die nächste Generation ist – selbst, wenn sie dem Organismus keinen Nutzen bringen oder ihm schaden können –, bedienen sich dabei hinterlistiger Methoden, um Abwehrstrategien zu umgehen. Ein solches Element, das "Toxin-Antidot (TA)-Element" genannt wird, hat einen besonders effektiven Mechanismus entwickelt: Ein Nematoden-Weibchen, das ein parasitäres TA-Element in sich trägt, wird angeregt, seine Eizellen mit dem Toxin des parasitären Elements zu "vergiften", welches nur durch das mitgelieferte Antidot neutralisiert werden kann. Folglich überleben nur die Nachkommen, die das TA-Element erben, da sie sowohl das Gift als auch das Gegengift besitzen.

Um diesen Mechanismus über Generationen hinweg genauer zu studieren – Fadenwürmer leben üblicherweise nur drei Tage –, züchtete das Team um Burga Nematoden-Weibchen mit TA-Element in ihrem Genom, indem es diese mit Nematoden-Männchen ohne TA-Elemente kreuzte. Auf diese Weise konnten die Forschenden das Phänomen weiter beobachten. Diese übliche Züchtungspraxis wurde jedoch von der Molekularbiologin Pinelopi Pliota aus Burgas Team – aus wissenschaftlicher Neugier – hinterfragt: Was geschieht, wenn die TA-Elemente nicht über die weiblichen, sondern über die männlichen Nematoden weitervererbt werden? Nach Änderung ihrer Routine stieß das Team auf ein überraschendes Ergebnis: TA-Elemente, die väterlicherseits weitergegeben wurden, "führten zu Müttern, die ihre Eizellen nicht vergiften konnten", erläutert Molekularbiologin Pinelopi Pliota. Offensichtlich existiert auch bei der Weitergabe parasitärer TA-Elemente bei Fadenwürmern ein Elterneffekt, der in gewisser Weise der genetischen Prägung bei Säugetieren ähnelt.

Epigenetische Lizenzierung

Zum besseren Verständnis dieses Phänomens untersuchte das Team anschließend die Signalwege und die am Prozess beteiligten Moleküle. Es zeigte sich, dass mütterlich vererbte TA-Elemente von spezifischer mRNA begleitet werden, die die "egoistischen Gene" in der Eizelle als zum Organismus gehörend kennzeichnet und sie so vor der Stilllegung durch körpereigene Abwehrmechanismen schützt. Diese "epigenetische Lizenzierung" funktioniert, indem die Begleit-mRNA einen spezifischen Hemmfaktor (Inhibitor) blockiert, wodurch die parasitären Gene den Selbst- und Fremdkontrollmechanismen entkommen können. Erhält jedoch ein Nematoden-Muttertier die TA-Elemente väterlicherseits, fehlt die spezifische Begleit-mRNA, und die TA-Expression wird durch den Standardabwehrmechanismus (über den piRNA-Weg) unterdrückt.

Burga und sein Team möchten dieses Silencing-Muster, das sich von der genomischen Prägung unterscheidet und über mehrere Generationen hinweg bestehen bleiben kann, weiter erforschen. "Die Aufklärung dieser evolutionär alten und primitiven Mechanismen zur Identifizierung von 'Selbst' und 'Nicht-Selbst' könnte zum besseren Verständnis der Entstehung von Autoimmunerkrankungen beitragen", erklärt Burga. (Norbert Regitnig-Tillian, 20.3.2024)