Exakt 17.33 Uhr. Um diese Uhrzeit verabschiedet sich die Wiener Sonne derzeit. Jahreszeitlich stecken wir noch im Winter, offizieller Frühlingsanfang ist erst Ende März. Die Tage sind kurz, das Licht rar, die Sehnsucht nach anderswo groß. Raus aus der Stadt, in wärmere Gefilde oder zumindest aufs Land, wo Trübnis und Kälte immerhin etwas Romantisches anhaftet.

Der klassische Kurzurlaub ist etwas in Verruf geraten – weite Anreise für einige wenige vergnügliche Tage, die man in einer touristischen Parallelwelt verbringt. Für immer mehr Menschen gilt: Andere Orte wollen authentisch entdeckt werden. Reisen als Erfahrungsaustausch auf Augenhöhe.

Wohin also? Alternativen gibt es einige, denn mit den genannten Aspekten (kostspielig, oberflächlich ...) sahen sich schon andere konfrontiert. Fünf Ideen, wie man dem (verregneten Frühling) entfliehen kann.

1. Haustausch

Cameron Diaz und Kate Winslet machten es vor: Von Liebeskummer geplagt suchten sie im Film "Liebe braucht keine Ferien" nach einem Ort, der möglichst weit weg größtmögliche Ablenkung versprach. Und so landete die eine im eingeschneiten Cottage auf dem englischen Land, die andere in der Luxusvilla im sonnigen Los Angeles.

Die Hollywoodgeschichte beruht auf einer Idee aus dem wahren Leben: das Haus für eine Weile mit Menschen tauschen, die in anderen Klima- und Zeitzonen und unter ganz anderen Umständen wohnen.

Ein Cottage in England gegen das eigene Heim tauschen, auch das geht.
Ein Cottage in England gegen das eigene Heim tauschen, auch das geht.
IMAGO/imagebroker

Im mexikanischen Playa del Carmen etwa. "Wir bieten unser Haus an der Karibikküste Mexikos", schreibt eine der Anbieterfamilien dazu. Dem Aufruf beigefügt sind Bilder von türkisblauen Stränden und Cocktails in Kokosnüssen. Ein indonesisches Paar offeriert sein Ferienhaus auf Bali. Finden kann man diese Angebote in Facebook-Gruppen wie Home Swap oder Home Exchange World. Im Vorteil ist, wer im Bezug auf Ort und Zeit flexibel ist – und selbst eine attraktive Bleibe in begehrter Lage bieten kann, wobei dies natürlich im Auge des (fremden) Betrachters liegt.

Wer Facebook nicht traut, kann auf regulierte Plattformen wie homeexchange.com/de ausweichen. Gegen eine jährliche Gebühr kann man dort auf über 270.000 Häuser in fast 150 Ländern zugreifen. Der Vorteil: Sämtliche Mitglieder müssen sich vorab zertifizieren, ­Ansprechpartner stehen bei Problemen bereit, und die Gastgeber können mit sogenannten Guest-Points "bezahlt" werden. So kann man auch in Anwesen wohnen, deren Besitzer das eigene Haus nicht besuchen (wollen).

2. (Granny-)Aupair

How to become a granny aupair in over 50 countries with Granny Aupair
MumAbroad Life

Es ist ein Klassiker des alternativen Verreisens: Nach der Schule für einige Zeit in einer fremden Familie unterkommen und so – gegen Kost, Logis und Kinderbetreuung – den Alltag in einem anderen Land kennenlernen. Genau das machte auch Milana Jobbagy im Jahr 2017.

Der Unterschied: Sie war keine junge Schulabgängerin, sondern frischgebackene Pensionistin. Seitdem zog sie als Granny-Au-pair ­immer wieder los. "Ab April braucht mich mein Garten, im Winter aber bin ich unterwegs", sagt Jobbagy, die am Stadtrand von Wien lebt.

Vermittelt werden die Gastfamilien vom Portal Granny Aupair. Für Gründerin Michaela Hansen platzte der Traum vom Au-pair, als sie mit 20 Jahren das erste Kind bekam. Der Traum blieb, die Kinder zogen aus, und Hansen fragte sich, warum man für das Au-pair-Dasein eigentlich jung sein muss.

Milana Jobbagy sieht im Alter gar einen Vorteil: "Wir Omas haben Erfahrung, kennen uns im Haushalt aus." Bei ihrem ersten Aufenthalt in Neuseeland ließen die Gasteltern sie direkt am ersten Abend mit den zwei Kindern allein. "Na leiwand", dachte sich Jobbagy, die selbst drei Enkel hat. "Die kannten mich ja gar nicht." Der schreiende Junge aber beruhigte sich schnell, als die erfahrene Oma ihn auf den Schoß nahm und Geschichten erzählte.

Neuseeland hat es der Pensionistin angetan, mehrere Male war sie bereits dort: kein "europäischer Stress", eine interessante Kultur, die englische Sprache. Da die "Grannies" nur 20 Stunden pro Woche in den Familien helfen, bleibt Zeit für eine Sprachschule. Und natürlich fürs Reisen. Man könne für wenig Geld viel machen, schwärmt Jobbagy.

Bewerben kann sich jeder, der über 50 ist. Die Aufenthaltsdauer wird individuell mit der jeweiligen Familie geregelt. Jobbagy ­empfiehlt mindestens drei Monate. Nächsten Winter soll es nach Kalifornien gehen.

3. Autoüberführung

Die Alternative zur Alternative: Auch Segelboote müssen überführt werden.
Die Alternative zur Alternative: Auch Segelboote müssen überführt werden.
Getty Images/iStockphoto

Vergangenen Herbst ging es beruflich nach Südfrankreich, ländliche Gegend, viele Ortsbesuche, ein Auto daher unabdingbar. Das eigene mitzunehmen hätte eine eintägige Marathonfahrt bedeutet. "Such dir doch jemanden zum Überführen", meinte ein Bekannter.

Er selbst sei letztens erst von Rom nach Wien gefahren – im Auftrag eines Autobesitzers, der keine Lust oder Zeit hatte, sein Gefährt nach Norden zu bringen. Er bekam Anreise und Sprit bezahlt, einen Obolus und eine Woche. Zeit genug, links und rechts der Route rauszufahren – ein halber Tag Verona, ein wenig Wandern in Südtirol.

Autoüberführung ist etwas für Kurzentschlossene und Kurz-weg-Wollende. Gern fahren sollte man natürlich auch, denn die ­zurückzulegenden Strecken haben es in sich. Man kann die Überführung aber auch als ­kostenlose Anreise nutzen, um anschließend langsam weiterzureisen.

Fündig wird man auf Facebook in Auslandsgruppen wie "Österreicher/Deutsche in ..." oder "Jobs in ...". Daneben gibt es Platt­formen wie Onlogist, bei denen man sich als Fahrer registrieren und anschließend Überführungsaufträge in ganz Europa annehmen kann, oder Movacar: Für einen Euro gibt es hier Mietwagen, die aus oder im Ausland zu überführen sind.

4. Wwoofing

Es war einmal eine Londoner Sekretärin, die sehnte sich nach einem Ausgleich zu ihrem Bürojob. Sie ging für ein paar Wochen zum Mitarbeiten aufs Land, andere folgten, Wwoofing war geboren: Willing Workers On Organic Farms. Kost und Logis gegen Mitarbeit auf dem Hof. Über 50 Jahre ist das her, doch die Idee ist gefragter denn je: Nachhaltigkeit und Naturerfahrung liegen im Trend. In mehr als 130 Ländern ist die Organisation aktiv, allein in Österreich gibt es über 300 Höfe.

Beim Wwoofing kann man gegen Kost und Logis auf einem Bauernhof mitarbeiten.
Beim Wwoofing kann man gegen Kost und Logis auf einem Bauernhof mitarbeiten.

"Man ist mittendrin, lernt irrsinnig viel", schwärmt Martina Heuberger, die Wwoof in Österreich leitet. Sie selbst sprang vor zehn Jahren erstmals "ins kalte Wasser": Sie nahm eine berufliche Auszeit und ging für ein halbes Jahr nach Neuseeland.

"Ich habe es rückwärts gemacht." Grundsätzlich empfiehlt sie Neueinsteigern, es erst einmal mit dem eigenen Land zu probieren. Ab einer Woche sei alles möglich, nach oben gebe es keine Beschränkung. Gleiches gilt für Alter und Lebensumstände.

Manch einer missverstehe Wwoofing als "coole, günstige Art zu reisen". Das sei es in Teilen. Im Wesentlichen aber, sagt Heuberger, geht es ums Lernen. "Ein Interesse an Natur und Landwirtschaft sollte jeder mitbringen."

Man wechselt die Seiten, lernt Kultur und Bräuche kennen. Eine Auszeit vom eigenen Alltag. Heuberger erzählt von einem niederländischen Rechtsanwalt, der alljährlich zum Bauer Toni in die Steiermark kam. "Toni, lass mich die ganze Woche nur den Pferdestall ausmisten", habe er immer gebeten. "Abends war er hundemüde und urglücklich."

Wer es nicht so mit Hofarbeit hat, kann sich bei Workaway umsehen. Die Plattform listet Arbeitseinsätze in mehr als 170 Ländern: Skipper auf einem Segelboot vor Korsika, Pfleger in einer Auffangstation für Wildtiere in Bolivien, Unterstützung beim Bau eines Ökohauses in ­Izmir. Die Einträge füllen über 500 Seiten.

5. House-Sitting

Tierliebe ist beim House-Sitting eine gute Voraussetzung.
Tierliebe ist beim House-Sitting eine gute Voraussetzung.

Wer die Haustauschidee mag, selbst jedoch nichts Attraktives anzubieten hat, für den ist House-Sitting eine Option. Voraussetzung: ein Händchen (und ein Herz) für Tiere, denn die meisten haben pelzige Mitbewohner, die es ebenfalls zu sitten gilt. Das Angebot reicht vom altersschwachen Hund, der mit dem Garten glücklich ist, bis zum Hauszoo: Hühner, Schweine, Schafe, Pferde.

Oft sind es Pensionisten, die ihren Ruhestand in sonnigen Ländern verbringen, ab und an aber die Familie in der Heimat besuchen wollen. Andere bieten ihr Stadtappartement, während sie selbst auf Reise sind. Und manche haben mehrere Wohnsitze und suchen jemanden, der für ein paar Wochen (oder Monate) die Villa in Südfrankreich beaufsichtigt.

Fündig wird man online, allen voran bei der Plattform Trusted House Sitters, die kostenpflichtig ist, dafür aber nur verifizierte Angebote und Gesuche listet. Das "Parship für Haustierbesitzer und -liebhaber", meint Gian An­drea Annoni. Er lebt mit seiner Partnerin in Wien und hat schon oft auf Häuser und Tiere anderer Menschen aufgepasst: "Weil wir Tiere mögen, selbst aber keine haben, da wir noch viel reisen wollen." Weiterer Vorteil: "Man wohnt wie Einheimische, im normalen Umfeld."

Nach der Bewerbung folgt meist ein Kennenlernen per Videocall, nach dem Aufenthalt können beide Seiten eine Bewertung abgeben. Die Erfahrungen des Paares sind durchweg positiv. In einer Gesellschaft, "wo man sonst alles abschließt", sei das gegenseitige Vertrauen etwas Schönes, meint Annoni.

Für das Paar ist es eine Möglichkeit, "kostengünstig die Welt zu erkunden". Es brachte sie in einfache Studentenzimmer oder ins ­Ferienhaus am See, das – so ergaben Nachforschungen im Web – regulär 2000 Euro die Woche gekostet hätte. Auch in der Heimat waren sie schon unterwegs, selbst in Wien. Dort hatten sie vor zwei Jahren ihren ersten Einsatz, "um es mal auszuprobieren": Zwei Tage passten sie im 12. Bezirk auf eine Katze auf. "Wir haben Wien aus einem ganz anderen Blickwinkel entdeckt", schwärmt Annoni vom Urlaub in der eigenen Stadt. Manchmal reicht auch das. (Verena Carola Mayer, 19.3.2024)