Es ist ein ungewöhnliches Leben, das Lasse Stolley führt: Er lebt und arbeitet seit 18 Monaten im Zug. Er habe seinen festen Wohnsitz gegen eine "Bahncard 100 1. Klasse" der Deutschen Bahn eingetauscht, wie er auf seiner eigenen Website erklärt, und habe einen "Überfluss an Besitz" gegen Minimalismus eingetauscht. "Nachts schlafe ich im fahrenden ICE, und tagsüber arbeite ich dort als Programmierer, umgeben von vielen anderen Passagieren", erklärt er in einem Beitrag bei "Business Insider". Sein rastloses Dasein dokumentiert Stolley in seinem Blog.

Lebt seinen Traum von Freiheit: Lasse Stolley.
Lebt seinen Traum von Freiheit: Lasse Stolley.
Lasse Stolley

Wie kam es dazu? Mit 16 Jahren hat sich der heute Siebzehnjährige für das Leben im Zug entschieden. Mit dem Ende der Schulzeit verließ Stolley sein Elternhaus in Schleswig-Holstein, um seinem Fernweh nachzugeben. Er besorgte sich die besagte Bahncard, die es ihm erlaubt, durch ganz Deutschland zu reisen und alle Züge der Deutschen Bahn zu nutzen. Die kostet mit Jugendrabatt 5.888 Euro.

Rückzugsort? Fehlanzeige

Rund 10.000 Euro brauche er jährlich, ist bei "Bild" nachzulesen. Seine Eltern, anfangs skeptisch, unterstützen die Pläne ihres Sohnes. Sein Geld verdient der digitale Nomade als Softwareentwickler für ein IT-Start-up, das Apps entwickelt: "Ein Job, den ich von überall und zu jeder Uhrzeit nur mit meinem Laptop ausführen kann."

Stolley genießt die Freiheit, die ihm sein Leben bietet: "Steht mir der Sinn danach, an die See zu reisen, setze ich mich morgens in den Zug gen Norden. Sehne ich mich nach dem Trubel der Großstadt, dann suche ich eine Verbindung nach Berlin oder nach München. Oder aber ich setze mich für einen Wanderausflug in den Schnellzug Richtung Alpen", tut der junge Mann kund. Mittels App organisiert er sich abends die Verbindung, schläft im Zug und rast seinem nächsten Ziel entgegen.

Rückzugsort? Fehlanzeige. "Mein Zuhause ist der Zug." Dies sei anfangs schon eine gewaltige Umstellung gewesen, wie er zugibt: "Die Anfangsmonate waren eine harte Zeit, und ich musste extrem viel lernen, wie das überhaupt alles funktioniert", meint er in dem "Business Insider"-Artikel. Er habe damals oft Züge verpasst, sei nachts häufig an fremden Bahnhöfen angekommen und konnte deswegen kaum im Zug schlafen. "Alles war anders, als ich es mir vorgestellt hatte", meint Stolley. Doch die Erfahrungen lehrten ihn, wie man dieses spezielle Leben in geregelten Bahnen führt.

Knapp 578.000 Kilometer hat der Softwareentwickler bereits auf Schienen zurückgelegt, rund 6.000 Stunden in Zügen verbracht. Sein Leben passt in einen Rucksack.
Knapp 578.000 Kilometer hat der Softwareentwickler bereits auf Schienen zurückgelegt, rund 6.000 Stunden in Zügen verbracht. Sein Leben passt in einen Rucksack.
Lasse Stolley

Etwas, das er lernen musste: Verzicht auf schweres Gepäck. "Das Wichtigste sind mein Laptop und meine Kopfhörer mit Geräuschunterdrückung, mit denen ich im Zug wenigstens ein bisschen Privatsphäre habe", sagt er: "Da der verfügbare Platz sehr begrenzt ist, muss man sorgfältig auswählen, was man wirklich braucht. Das bedeutet, sich von unnötigen Dingen zu trennen und sich auf das Nötigste zu beschränken." Ansonsten hat er vier T-Shirts, zwei Hosen, ein Nackenkissen und eine Reisedecke im Rucksack – mehr Platz bleibt nicht.

Minimalistisches Leben

In seinem Blog gibt er Leserinnen und Lesern Einblicke in sein Leben auf Schienen. Er schwärmt er von seinen Lieblingsstrecken, erzählt von Begegnungen, neuen Freundschaften, seinen Ausflügen und gibt Tipps. Man erfährt, dass er so manches Abenteuer zu überstehen hatte – verantwortlich dafür war nicht zuletzt auch immer wieder einmal die Deutsche Bahn selbst, Stichwort: Streiks.

Zwischenzeitlich hatte er sein "Zugleben" auf ganz Europa ausgedehnt. Ein "Global Pass" von Interrail machte es möglich. Was er jenseits der deutschen Grenzen erlebt hat, kann man in seinem Blog nachlesen. So wie es aussieht, hat Stolley noch lange nicht vor, sein Nomadenleben aufzugeben, um sesshaft zu werden. (Markus Böhm, 11.3.2024)