Gedenkstätte für Alexej Nawalny vor der russischen Botschaft in Wien.
Die Russians Against War engagieren sich unter anderem für das Nawalny-Gedenken vor der russischen Botschaft in Wien.
IMAGO/Andreas Stroh

Vor der russischen Botschaft in Wien gibt es seit dem Wochenende eine improvisierte Gedenkstätte für die Opfer des Terrors in der Crocus City Hall. Die diplomatische Vertretung zeigte sich auf Telegram "all jenen dankbar, die in Bezug auf diese Tragödie nicht mit Gleichgültigkeit reagieren und Anteil am Schmerz des Volks von Russland nehmen". Gleichzeitig aber wurde direkt gegenüber eine andere Gedenkstätte einmal mehr zerstört: nämlich jene für den Mitte Februar in russischer Lagerhaft verstorbenen Kreml-Kritiker Alexej Nawalny.

Dabei war das aus Kerzen, Blumen und Plakaten bestehende Nawalny-Mahnmal erst am vergangenen Donnerstag Thema im österreichischen Parlament: Abgeordnete von Grünen, ÖVP, SPÖ und Neos waren auf Initiative von Ewa Ernst-Dziedzic, der außenpolitischen Sprecherin der Grünen, mit in Wien lebenden russischen Oppositionellen zusammengekommen. Einer der Aktivisten, die sich in der international tätigen Gruppe Russians Against War (RAW) zusammengeschlossen haben, erzählte dort, wie die Gedenkstätte bereits zuvor einmal zerstört worden war – und wie Unbekannte ihn und andere dabei gefilmt hätten, als sie sie erneut aufbauten.

Hilfe für Geflüchtete

Die Erinnerung an Alexej Nawalny nicht verblassen zu lassen ist nur eines der Ziele, die sich die Aktivistinnen und Aktivisten von RAW gesteckt haben. Die meisten von ihnen wollen aus Sicherheitsgründen anonym bleiben. "Wir organisieren zum Beispiel Abende zur Unterstützung politischer Gefangener in Russland", sagte eine Aktivistin dem STANDARD. Dabei würde auch Fundraising betrieben. Zudem unterstützen die RAW in Österreich Initiativen, die ukrainischen Flüchtlingen hierzulande helfen. Und die Gruppe würde russischen Oppositionellen eine Stimme geben, die sich in der Heimat nicht frei äußern können: "Von hier aus können wir auch für ihre Anliegen eintreten."

Wirkliche Sicherheit gebe es natürlich auch in Österreich nicht, zumal Wien "eine der wichtigsten Spionagedrehscheiben in Europa" sei. Für ihre Arbeit würden die Russians Against War auch Verbündete in den Ländern suchen, in denen sie operieren, erklärt die junge Frau: "Wir wollen nicht in einer Diaspora-Bubble leben, sondern uns gemeinsam mit den Menschen vor Ort und den Oppositionellen in Russland gegen Putins Regime engagieren." Wichtig sei es etwa, gegen die russische Propaganda aufzutreten, die auch die Politik in Österreich betreffen würde. "Und wir wollen darstellen, wie Putins Regime in Österreich vernetzt ist, auch wirtschaftlich."

Asyl nicht immer die beste Lösung

Im Parlament wandten sich die Aktivistinnen und Aktivisten auch mit einem konkreten Anliegen an die österreichischen Abgeordneten: Sie plädieren für einen erleichterten Zugang zu humanitären Visa. "Oppositionelle, unabhängige Journalistinnen und Journalisten, queere Menschen oder auch Deserteure, die versuchen, der Mobilisierung zu entgehen oder die direkt aus der Kampfzone geflohen sind, werden in Russland massiv verfolgt", sagte eine Frau aus der Gruppe. Asyl zu beantragen sei für viele aber nicht das Mittel der Wahl: Sie möchten jederzeit nach Russland reisen können, wenn sie dort gebraucht werden.

Umgekehrt gebe es in Russland Oppositionelle, die noch nicht im Fokus der Geheimdienste stehen. Auch sie würden von der Möglichkeit profitieren, vorübergehend ins Ausland zu fahren, um sich dort mit Gleichgesinnten zu koordinieren. Helfen könnte eine NGO, die den Kontakt zwischen den Oppositionellen und den Behörden vor Ort vermittelt, um sicherzustellen, dass von Visaerleichterungen nicht die Falschen profitieren. So ein System gebe es bereits jetzt in Litauen. (Gerald Schubert, 25.3.2024)