Dragon's Dogma 2 / Capcom
Zwischensequenzen sind spärlich, aber immer imposant in Szene gesetzt.
Capcom

Nicht schon wieder. Mein Ochsenkarren sieht sich gerade von vier Wölfen umringt, und ich muss erneut meinen Hintern bewegen, absteigen und die Mistviecher verjagen. Die Prozedur ist nicht neu, sondern gehört zu den Erlebnissen dazu, die man im neuen Rollenspiel "Dragon's Dogma 2" sehr regelmäßig als Spieler begleiten darf oder, besser gesagt, muss. Das soeben erschienene Spiel für Playstation, Xbox und PC ist der langersehnte Nachfolger eines zwölf Jahre alten Kultspiels.

Mit seinem offenen Missionsdesign, der vom Spiel selbst gesteuerten Begleiter, den epischen Bosskämpfen und einigen anderen Punkten, war Capcom mit "Dragon's Dogma" 2012 seiner Zeit voraus. Mit "Dragon's Dogma 2" ist seit vergangener Woche die offizielle Fortsetzung erschienen, und die Erwartungen waren hoch. Für einen großen Teil der Spieler wurden diese wohl auch erfüllt, so mancher fand aber auch diverse Haare in der Rollenspiel-Suppe, allen voran der zuletzt eher künstlich am Leben gehaltene Shitstorm wegen Mikrotransaktionen.

Das Herz des Drachen

"Dragon's Dogma 2" ist ein waschechtes Rollenspiel in einer offenen Fantasywelt. Völlig abgedreht wie etwa die Welt von "Elden Ring" ist sie dabei nicht, sondern erzählt eine optisch und inhaltlich für viele weit vertrautere Fantasy-Geschichte rund um Magier und Drachen. Wie schon im Vorgänger, an dem sich das Spiel inhaltlich sehr stark orientiert, sind die oftmals halbstündigen Kämpfe gegen mächtige Wesen wie Zyklopen, Drachen oder riesige Raubvögel. Deren Angriffen gilt es geschickt auszuweichen und sie je nach gewählter Klasse mit Schwert, Magie oder Pfeilen zu beharken. Immer an der Seite des Helden oder der Heldin befinden sich bis zu drei Begleiter, die in der Welt gefunden werden können.

Diesen kann man Kurzbefehle geben, alternativ dazu agieren sie auch völlig selbstständig auf drohende Gefahren. Und von diesen gibt es zahlreiche. Auf der Straße lauern ständig Wölfe, Ork-ähnliche Wesen und noch eine knappe Handvoll anderer Wesen, die den Spieler bei jeder Gelegenheit attackieren. Schnell leert sich der Lebensbalken, hat man nicht einen Heiler in der Party, und generell verzeiht das Spiel wenige Fehler. Dabei ist es nur selten spielentscheidend, ob der Mensch am Controller im Gemetzel alles richtig macht, sondern eine gut ausgestattete Party sollte bereits im Vorfeld auf mögliche Gefahren vorbereitet werden, um auch gegen mächtige Gegner bestehen zu können.

Ebenfalls nicht für jedermann sind die wenigen Wegpunkte, die das Spiel vorgibt. Während man der Hauptstory noch sehr einfach mit klassischen Quest-Markern nachlaufen kann – und man läuft sehr viel und weit – sind Nebenmissionen meist nur mit dem Willen zu erledigen, Gebiete auch einmal komplett selbst absuchen zu müssen. Das ist erfrischend, hat man genug vom Abarbeiten dutzender Karten-Markierungen, wie es auch das aktuelle "Rise of the Ronin" zelebriert. Wer keinen Entdeckungsdrang verspürt und das Suchen als zu mühsam empfindet, wird große Teile des Spiels wohl verpassen.

Dragon's Dogma 2 / Capcom
Speziell magische Angriffe sehen im Spiel spektakulär aus.
Capcom

Viel Licht und viel Schatten

Ohne eine im Jahr 2012 – dem Erscheinen des ersten Teils – gekaufte rosarote Brille findet man schnell Kritikpunkte an "Dragon's Dogma 2". Die Steuerung wirkt überladen, speziell mit der zunehmenden Anzahl an Fähigkeiten, die Gegnervielfalt der immer wieder auftauchenden Widersacher ist stark begrenzt, und die Möglichkeit, nur einen Charakter anlegen zu können, wirkt auch aus der Zeit gefallen. Ähnlich verhält es sich bei den teilweise hölzernen Animationen und der am Ende des Tages wenig packenden Hauptstory, die allerdings von einigen sehr spannenden Nebenquests ergänzt wird.

All diese unrund wirkenden Punkte werden jedoch für viele Spielerinnen und Spieler irrelevant, sobald man erste Erfolge im Spiel feiert und die erste Monstrosität nach minutenlangem Beharken endlich zu Boden ringt. Einmal in der Welt gefangen, die so viele Entdeckungsmöglichkeiten bietet, verliert man sich schnell im Aufrüsten der eigenen Gruppe, der Suche nach Nebenquests sowie der Jagd nach dem nächsten mächtigen Wesen. Ein interessantes Feature ist auch das Verwalten der Begleiter, die man von anderen Spielern rekrutieren oder seinen eigenen Begleiter anderen Spielern zur Verfügung stellen kann. Ein ständiges Wechseln ist deshalb wichtig, da diese "Söldner" nicht beim Kämpfen im Level steigen.

All das, angefangen beim Erkunden der Welt bis hin zu der Begleiter-Verwaltung, braucht sehr viel Zeit und Geduld, schließlich ist zum Beispiel Schnellreisen im Spiel eher die Ausnahme, und auch die Erzählweise wirkt sehr gemächlich für ein Spiel aus dem Jahr 2024. Dass man sich dann zumindest am PC diverse Zusatzfeatures wie das optische Verändern der Spielfigur oder Schnellreisen mit barem Geld dazukaufen kann, war obendrein noch ein eher schlecht überlegter Schnellschuss des Publishers, der überhaupt nicht nötig gewesen wäre.

"Dragon's Dogma 2" ist seit 22. März 2024 für PS5, Xbox Series S/X und Windows PC (Steam) erhältlich. Je nach Plattform kostet das Spiel zwischen ca. 65 und 70 Euro. Ein Testmuster für die PS5 wurde dem STANDARD von Capcom zur Verfügung gestellt.

Dragon's Dogma 2 - Launch Trailer
Dragon's Dogma

Eindruck Alex

Nach einem knappen Dutzend Stunden im Spiel habe ich von "Dragon's Dogma 2" abgelassen. Ohne den Vorgänger gespielt zu haben, präsentiert sich für mich ein ambitioniertes Rollenspiel, das mehr Zeit und Geduld von mir verlangt, als ich aktuell zur Verfügung habe. Die Fans des Originals in meinem Umfeld sind hingegen hellauf begeistert und versuchen mich seit Tagen hartnäckig von der Genialität des Spiels zu überzeugen. Für mich persönlich fehlte in diesen ersten Stunden die Abwechslung, vor allem die ständigen Angriffe auf den zu mietenden Ochsenkarren durch die ewig gleichen Gegner haben mich schnell genervt.

Ein Kandidat für Spiel des Jahres hätte es für mich sein können, hätte es Capcom geschafft, in den zwölf Jahren seit dem Original einen Multiplayer-Modus einzubauen. Gemeinsam mit Freunden diese Welt zu entdecken hätte mich viel mehr gereizt und ein paar nervige Momente erspart, wo die KI-gesteuerten Begleiter in Felsen hängen geblieben oder separiert von der Gruppe erdolcht wurden. Meine Hoffnung für eben dieses Multiplayer-Feature gilt deshalb dem Jahr 2036, wenn möglicherweise der dritte Teil veröffentlicht wird. Eine Überlegung wäre das wert, nicht wahr, Capcom? (Alexander Amon, 31.3.2024)