Carmilla Graz Schauspielhaus Le Fanu
Im einsam gelegenen Schloss in der Steiermark bekommen Laura (stehend: Anna Klimovitskaya) und ihre Familie Besuch von einem weiblichen Vampir.
Lex Karelly

Das Vampir-Motiv steht hoch im Kurs. Es bietet schließlich Anknüpfungspunkte für geschlechts- und körperpolitische Fragestellungen, die unsere Gegenwart umtreiben: Welche Körper bewohnen wir? Wie werden wir in ihnen wahrgenommen? Welche dahingehenden Reglements verordnet eine Gesellschaft? Das Thema gewährt aber auch einen humoristischen Grusel, der es leichter macht, sich damit auseinanderzusetzen. Auf diese letztere Fährte setzt Regisseurin Luise Voigt in ihrer "Carmilla"-Inszenierung am Schauspielhaus Graz.

Sie stellt Sheridan Le Fanus bekannte Novelle "Carmilla" (1872), die in der Steiermark angesiedelt ist und eine wesentliche Quelle für Bram Stokers "Dracula" war, auf neue Beine. Darin erhält die 19-jährige Laura auf einem verlassenen Schloss, das sie mit ihrem Vater und einigen Bediensteten bewohnt, Besuch von einer mysteriösen jungen Frau. Ihre seltsamen Träume und andere Begebenheiten beunruhigen den Arzt wie die Schlossbewohner.

Was macht Regisseurin Voigt? Sie lässt die lesbische Vampirgeschichte samt dem sie dominierenden "male gaze", dem männlichen Blick, vor einer schauerromantischen Schlosskulisse (Bühne und Kostüme: Maria Strauch) gegen die Wand fahren. Man kann sagen, sie mokiert sich über diese im Originaltext grundgelegte männliche Fantasie, die die Sexualität einer Frau kontrollieren und diese als Lustobjekt für sich benutzen will. Die durch einen Kutschenunfall herbeigeführte Ohnmacht einer Frau (Carmilla selbst) löst im Schloss nämlich aller größte Verzückung aus.

Sehnsüchtig seufzen

Ungeachtet der Tatsache, dass die Novelle Le Fanus eigentlich aus der Sicht Lauras erzählt wird, stellt Voigt den Text zurück ins Regal und erzählt die Episode auf einer geschlechterpolitisch versierten Meta-Ebene neu. Gleich zu Beginn heißt es in der nunmehrigen Stückfassung sarkastisch: "Das weibliche Personal wird allen Entscheidungen und Konflikten unserer Helden wie üblich voller Anteilnahme beiwohnen. - Dabei wunderschön herumliegen und ihrer Errettung vor der großen Gefahr sehnsüchtig entgegenseufzen."

Die lustvolle Zurschaustellung überkommener Narrative macht den Abend aber nicht so interessant, wie er scheinen möchte. Die Veräppelung und Umdeutung alter Rollenzuschreibungen zieht sich in die Länge und beansprucht viel fakepornografisches Material (Golddildo, Kunstbrüste) – der Abend ist ab 18 Jahren zugänglich. Die Figuren werden mittels sexualisierter Kostüme (Negligés, Dirndl, Leopardenoveralls etc.), künstlicher Stimmlagen (Laura mit Schlumpfstimme) und strenger Choreografien (Bewegungen wie von Spielfiguren) zu wahren Karikaturen.

Die Welt heilen

Einschlägige Musik bringt die gotische Schlosshalle zum Wummern, etwa Sinatras "Love and Marriage" (bekannt aus der Sitcom "Eine schrecklich nette Familie“). Und der Pfarrer, dessen großes Plastikglied – ups - durch die Soutane sticht, trällert Michael Jacksons „Heal the World".

"Carmilla" bietet einige gute Momente, doch bleibt diese pervertierte Sex-&-Crime-Show, wenn auch genderpolitisch upgedatet, unterm Strich recht banal und langwierig. Einem altmodischen Genrestück mit noch mehr sexualisierter Körperlichkeit das politisch Unkorrekte auszutreiben, es bleibt hier eine unerquickliche, bemühte Übung. (Margarete Affenzeller, 7.4.2024)