Das Vertrauen in die Politik: im Sinkflug, auch bei jungen Leuten. Einem Sora-Bericht zufolge fühlten sich 2023 nur 35 Prozent der Jugendlichen vom politischen System vertreten, 56 Prozent sogar wenig oder gar nicht. Das ist um 39 Prozentpunkte mehr als noch im Vorpandemiejahr 2019. Das Interesse an Politik ist dennoch groß. Erleben konnte man das im dritten Klimajugendrat. Vergangene Woche trudelten rund hundert Jugendliche im Alter von 14 bis 28 Jahren aus ganz Österreich in die Bundeshauptstadt ein. Das Ziel: klimapolitische Forderungen an die Politik stellen.

Organisiert hat das Ganze die Bundesjugendvertretung (BJV), die gesetzlich verankerte Interessensvertretung aller unter 30-Jährigen mit sozialpartnerschaftlichem Status. Mitgliederorganisationen sind unter anderem die Pfadfinder, Landjugend oder die Jugendorganisationen der Parteien. Diese wählen alle zwei Jahre ein Vorstandsteam der BJV.

Ein Gruppenfoto von rund hundert Jugendlichen im Parlament.
Die Bundesjugendvertretung organisierte den Klimajugendrat heuer zum dritten Mal. Mit dem "Klimarat der Bürgerinnen und Bürger" aus dem Jahr 2022 hat das aber nichts zu tun.
BJV/Markus Gradwohl

Herzstücke des Klimajugendrats waren etwa die Themen Mobilitätswende, globale Klimagerechtigkeit und die Repräsentation und Beteiligung Jugendlicher in der Politik. Eingeladen waren zunächst Fachpersonen, mit denen die Jugendlichen in Kleingruppen diskutieren konnten und sich so Input für die Erarbeitung ihrer Forderungen holen konnten. Zum Abschluss fand ein "Dialog auf Augenhöhe" statt: Elf Nationalratsabgeordnete von ÖVP, Grüne, FPÖ, SPÖ und Neos diskutierten in Kleingruppen mit der jungen Generation. Die Stimmung an den einzelnen Tischen war sehr unterschiedlich – während es an manchen Tischen ruhig und sachlich zuging, war die Debatte an anderen Tischen äußerst hitzig. Als letzter Punkt auf der Agenda wurden die Forderungen der Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) übergeben. Sie betont, sie könne das hohe eingeforderte Tempo "voll verstehen".

Ein zentrales Thema war ein deutlich höherer CO2-Preis – schrittweise soll er auf knapp 700 Euro pro Tonne steigen, um Kostenwahrheit zu schaffen. Der aktuelle Preis liegt bei 45 Euro pro Tonne. Wie könnte man die Auswirkungen dieses 15,5-fachen Anstiegs speziell auf einkommensschwache Haushalte abfedern? Hier kamen Vorschläge aufs Tapet, die Einnahmen aus der CO2-Steuer in Form eines überarbeiteten Klimabonus und durch Investitionen in die öffentliche Infrastruktur an die Menschen zurückfließen zu lassen.

Zudem ging es um den Ausbau der Bahninfrastruktur: Es gebe zwar das Klimaticket, doch die Kapazitäten fehlten oft noch, damit es gut funktioniere. Vor allem auf dem Land müsse die Infrastruktur noch extrem ausgebaut werden. Außerdem: Die Jugendlichen fühlen sich zu wenig repräsentiert, das soll sich ändern, "egal welche Hautfarbe, Religion oder Ausbildung, ob Stadt oder ob Land". Dafür soll ein institutionell fest integriertes Jugendgremium kommen, wie es in Deutschland bereits der Fall ist.

Eine Gruppe von Jugendlichen sitzt mit zwei Nationalratsabgeordneten rund um einen Tisch und diskutiert.
In Kleingruppen diskutierten die Jugendlichen mit den Nationalratsabgeordneten ihre Forderungen. Hier mit Lukas Hammer (Grüne) und Gerhard Deimek (FPÖ).
BJV/Markus Gradwohl

In puncto Arbeit fordert die Gen Z mehr demokratische Beteiligungsmöglichkeiten und eine flexiblere Gestaltung der Arbeitszeiten aufgrund der Klimaerwärmung – Stichwort Siesta. Zusätzlich fordert sie Um- und Fortbildungsmöglichkeiten, zukunftsfähige "Green Jobs" statt krisengeschüttelter Automobilindustrie. Dem geplanten Todeszeitpunkt von Waschmaschine und Co will man den Garaus machen: Statt der "geplanten Obsoleszenz" will man einen viel stärkeren Fokus auf Kreislaufwirtschaft.

Konkrete Vorstellungen gibt es auch bei der Energiewende: Die Infrastruktur soll nicht nur "in allen Facetten" ausgebaut werden, sondern auch direkt geografische Gegebenheiten bedacht werden. Und damit nicht nach typisch österreichischer Manier die Verantwortlichkeiten hin- und hergeschoben werden, ist der vortragenden Kleingruppe vor allem eins wichtig: Bund, Länder und Gemeinden müssen an einem Strang ziehen.

Die BJV-Vorsitzende Sabrina Prochaska lobte das Engagement der Teilnehmenden: "Alle sind ehrenamtlich hier, die Anreise ist für manche lang. Personen in Lehrausbildung müssen sich extra für die Teilnahme freistellen lassen, das ist nicht selbstverständlich." Die BJV verspricht, die Forderungen in ihre Positionspapiere mit aufzunehmen. Ebenso will sie sich dafür einsetzen, ein "solches Jugendgremium für Klimathemen dauerhaft zu verankern": Konkret wünscht man sich eine fixe Rolle in Institutionen wie dem Parlament oder den Ministerien.

Lob kam auch von den geladenen Nationalratsabgeordneten: Der Diskurs könne niveaumäßig locker mit einem parlamentarischen Ausschuss mithalten. Die Jugendlichen selbst reflektierten das Dialogformat als "großartige Möglichkeit", sich einzubringen, auch wenn es "zum Teil viele Streitpunkte" mit den Abgeordneten gegeben habe. (Sarah Kirchgatterer, 17.4.2024)