Gerade einmal ein paar Monate bleiben ÖVP und Grünen noch: Bis längstens Herbst hat die türkis-grüne Regierung Zeit, ihre Versprechen aus dem Koalitionsprogramm einzulösen. Vieles ist noch offen, auch im Klimaschutz. Bis 2040 wird Österreich klimaneutral, lautete das Motto der Regierung zu Beginn der Koalition. Seither wurden auch Maßnahmen gesetzt, die Österreich in Richtung Nettonull steuern sollen – etwa der CO2-Preis, das Klimaticket oder üppig gefüllte Fördertöpfe für den Umstieg auf erneuerbare Energieträger. In einigen Bereichen müsste Türkis-Grün noch nachlegen, doch nach vier Jahren fehlt vielerorts die Einigkeit zwischen den zwei Parteien.

Rauchende Schlote einer Fabrik im Sonnenuntergang.
Die teils ambitionierten Ziele aus dem Regierungsprogramm scheitern am innerkoalitionären Hickhack.
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Allen voran gibt es keinen Zielpfad, wie Österreich eigentlich klimaneutral werden soll. Grundlage dafür wäre das Klimaschutzgesetz, das seit mittlerweile drei Jahren ausständig ist. Das Gesetz soll unter anderem die notwendige Emissionsreduktion in den einzelnen Sektoren vorgeben. Darüber hinaus soll es laut Koalitionspakt regeln, was geschieht, wenn Bund oder Länder die Ziele nicht erreichen. Ein erster Entwurf gelangte 2021 an die Öffentlichkeit. Seither wurde es still um das Vorhaben. Vonseiten des Klimaschutzministeriums heißt es, man sei weiterhin optimistisch, dass das Gesetz noch vor Koalitionsende verabschiedet werde.

Kein Klimacheck

Nicht nur das Klimaschutzgesetz, sondern sämtliche Gesetze und Verordnungen sollten in Sachen Klimaschutz auf Herz und Nieren geprüft werden. Auch das nahm sich die Regierung vor vier Jahren vor. Aus dem sogenannten Klimacheck wurde jedoch nichts, der Punkt bleibt offen. Zwar nicht im Regierungsprogramm, aber in einem parlamentarischen Antrag einigten sich ÖVP und Grüne auf die Einrichtung eines wissenschaftlichen Klimabeirats, der die Einhaltung des noch verfügbaren Treibhausgasbudgets prüfen sollte. Auch von diesem fehlt bislang jede Spur. "Sowohl der Klimacheck als auch der wissenschaftliche Beirat sind Bestandteile des Entwurfs des Klimaschutzgesetzes, der dem Koalitionspartner seit längerem vorliegt", heißt es dazu aus dem Klimaministerium.

Auch die Nachbesserung des Nationalen Energie- und Klimaplans (NEKP) wurde im Koalitionspakt festgehalten. Darin heißt es, dass die Erfüllung der EU-Ziele gesichert werden soll. Gelungen ist das nicht: Nach wie vor besteht eine Lücke von 13 Prozentpunkten, um das Klimaziel 2030 zu erreichen. Bis Ende Juli hat die Regierung Zeit, ihren Klimaplan nachzubessern. Derzeit stehen die Zeichen auf Konfrontation: Im Dezember zog Europaministerin Karoline Edtstadler den Entwurf von Klimaministerin Leonore Gewessler zurück. Er entspreche nicht der österreichischen Position, hieß es. Gewessler konterte, dass betroffene Ministerien in den Prozess eingebunden gewesen seien. Mittlerweile hat die Europäische Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich eröffnet.

Ein von Anfang an zwischen den Koalitionspartnern strittiger Aspekt war die im Regierungsprogramm festgehaltene ökosoziale Steuerreform. Zwar wurde ein CO2-Preis samt Klimabonus als soziale Abfederung eingeführt, der Preis ist aus Sicht zahlreicher Wissenschafter jedoch zu niedrig, um Verhaltensveränderungen hervorzurufen. Die Regierung selbst setzte sich das Ziel, bei CO2-Emissionen "Kostenwahrheit" zu schaffen, um "klare Lenkungseffekte" zu erzielen.

Streit um Pendlerpauschale

Und auch in puncto Pendlerpauschale bleibt die Regierung säumig. Derzeit liefern sich ÖVP und Grüne medienwirksam einen Streit über die Maßnahme. Die Grünen wollen die Förderung reformieren. Der türkise Finanzstaatssekretär Florian Tursky richtete dem Koalitionspartner in einem APA-Interview aus: "Die ÖVP stellt die Pauschale nicht infrage." Die Frage, ob an der Pendlerpauschale etwas geändert werden solle, verneinte Tursky entschieden. Ganz anders liest sich das noch im Regierungsprogramm: Dort ist von einer "Ökologisierung und Erhöhung der Treffsicherheit" der Maßnahme die Rede.

Ein Punkt aus dem Regierungsprogramm wird bis Herbst auf jeden Fall offen bleiben: ein kompletter, gestaffelter Ausstieg aus Öl- und Kohleheizungen. Dieser hätte laut Koalitionspakt bis spätestens 2035 gelingen sollen, wurde jedoch mit dem Erneuerbare-Wärme-Paket begraben. Statt eines generellen Verbots hat sich Türkis-Grün auf ein Aus für fossile Heizungen im Neubau geeinigt. Im Entwurf des geplanten Erneuerbare-Wärme-Gesetzes war noch von einem Ende für Gasheizungen die Rede, davon blieb nichts übrig. Wer im Bestand fossil heizt, kann das auch weiterhin tun. Stattdessen sollen Förderungen Bürgerinnen und Bürger zum Umstieg bewegen.

Auch darüber hinaus sind noch einige Punkte aus dem Koalitionsabkommen offen. Nach wie vor fehlt etwa die österreichweite Bodenschutzstrategie für sparsameren Flächenverbrauch. Auch der angekündigte "entschlossene Kampf gegen den Tanktourismus" lässt weiter auf sich warten.

Wann und ob all diese und weitere Punkte bis Herbst noch in Angriff genommen werden, ist offen. Die Volkspartei wird sich im Wahljahr wohl eher kaum mit Pendlern anlegen. Anders sieht es für die Grünen aus: Sie könnten von vielen Wählerinnen und Wählern daran gemessen werden, wieweit sie ihre Klima-Versprechen aus dem Koalitionspakt auch umgesetzt haben. (Nora Laufer, 7.1.2024)