Es ist eine etwas paradoxe Situation: Während das öffentliche Interesse fast zur Gänze auf die jeweils besten Smartphones eines Jahrgangs fokussiert, sind es oftmals ganz andere Geräte, die zu Bestsellern werden. So war etwa im vierten Quartal 2023 das Samsung Galaxy A54 das meistverkaufte Android-Smartphone überhaupt – und damit kein Gerät aus dem Premiumbereich, sondern aus der Mittelklasse.

Nun ist dessen Nachfolger da – das Samsung Galaxy A55 5G, wie der offizielle Name in voller Pracht lautet. Ab 479 Euro kostet es und hebt sich damit preislich durchaus signifikant von den aktuellen Top-Smartphones von Samsung ab. Stellt sich natürlich die Frage, welche Abstriche man dafür machen muss und ob diese im Alltag überhaupt relevant sind.

Samsung Galaxy A55
Das Objekt des Interesses: Samsungs Galaxy A55 5G.
Proschofsky / STANDARD

Der erste Eindruck

Frisch aus der Verpackung geholt, dominiert zunächst ein Eindruck: Die Ähnlichkeit zur S24-Reihe – oder wie andere sagen würden: zum iPhone – ist frappierend. Von einem S24 oder S24+ unterscheidet sich das A55 lediglich durch die Größe sowie ein kleines Designdetail: Rund um die seitlich angebrachten Knöpfe ist der Rahmen leicht abgehoben.

Das kann man mögen oder nicht, im Endeffekt macht es nicht viel Unterschied. Irritierend ist allerdings, dass Samsung dieses Detail allen Ernstes als "Key Island" bezeichnet. Als wäre Apples kreatives Branding für einzelne Features nicht schon schlimm genug, treibt es der in Südkorea beheimatete Konkurrent auf die Spitze und nutzt Marketing-Begriffe für eine Ausbuchtung ohne irgendeine spezielle Funktionalität.

Jetzt könnte man sich natürlich die Frage stellen, warum ein Feature, das so toll ist, dass es sogar einen eigenen Namen trägt, nicht bei den aktuellen Topgeräten von Samsung zum Einsatz kommt. Und ob es sich dabei vielleicht doch eher um einen Design-Kompromiss handelt. Aber ganz ehrlich: Das ginge auch wieder über die Bedeutung des Themas hinaus. Es ist eine leichte Ausbuchtung, mehr nicht. Und zumindest liefert Samsung damit ein eindrückliches Beispiel dafür, dass man es mit Marketing- und Branding-Unsinn wirklich übertreiben kann.

Scharfe Kanten

Aber zurück zum eigentlichen Thema: So sehr das Galaxy A55 seinen teuren Geschwistern ähneln mag, in der Hand zeigen sich schnell erste Unterschiede. Zwar ist die Verarbeitung generell sehr gut, dabei gibt es aber eine Ausnahme: Die Ränder fühlen sich scharfkantig an, andere Smartphones liegen deutlich besser in der Hand.

Samsung Galaxy A55
Was Sie hier sehen, ist nicht einfach eine leichte Abhebung der Knöpfe, es ist ein "Key Island".
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Die Größe eines Smartphones wird oftmals anhand des Displays gemessen. Bereits mehrfach wurde an dieser Stelle darauf verwiesen, dass das eine eher begrenzt gute Idee ist, das Galaxy A55 ist dafür ein weiteres gutes Beispiel. Mit einem 6,6 Zoll großen Bildschirm ausgestattet, könnte man meinen, dass es kleiner als das Galaxy S24+ mit 6,7-Zoll-Display ist. In Wirklichkeit ist aber das Gegenteil der Fall. Das A55 ist mit Abmessungen von 161,1 × 77,4 × 8,2 Millimeter etwas länger, breiter und auch dicker als das teurere Modell.

Der Grund dafür ist einfach erklärt: Der Rahmen rund um den Bildschirm ist beim Mittelklassegerät wesentlich größer, das zeigt sich auch beim Einschalten sofort. Wer auf einen besonders schlanken "Bezel" Wert legt, der ist hier also an der falschen Stelle. Generell muss gesagt werden, dass das A55 in Kombination mit dem scharfkantigen Design nichts für Menschen mit kleinen Händen ist. Mit 213 Gramm ist es auch nicht gerade ein Leichtgewicht, konkret um 17 Gramm schwerer als das S24+.

Ein Bildschirm und dessen Schutz

Der Rahmen des Geräts ist aus Aluminium gehalten, das Display ist durch Gorilla Glass Victus+ recht gut vor Beschädigungen geschützt. Der Unterschied zu den High-End-Geräten zeigt sich an dieser Stelle trotzdem: Beim Galaxy S24 Ultra kommt bereits "Gorilla Armor" zum Einsatz, das neben noch besserem Schutz auch Display-Reflexionen deutlich reduziert. Aber das wäre in dieser Preiskategorie wohl etwas viel verlangt. Auf der Rückseite kommt "nur" reguläres Gorilla-Glass zum Einsatz, dort ist damit die Beschädigungsgefahr auch etwas höher.

Samsung Galaxy A55
Der Bildschirm ist sehr gut, der Rand drumherum aber eher groß (und nicht symmetrisch).
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Das Display selbst weiß durchaus zu gefallen. Mit 1.000 Nits kann sich die maximale Helligkeit für ein Gerät dieser Preisklasse durchaus sehen lassen, die Darstellungsqualität ist ebenfalls sehr gut. Ebenfalls positiv anzumerken gilt es, dass eine maximale Bildwiederholrate von 120 Hertz unterstützt wird, was für sanfte Animationen und Übergänge sorgt. In Summe ist das Display zwar eine Stufe unter aktuellen Topgeräten anzusiedeln, mit Blick auf die Preisklasse ist es aber fraglos eine der großen Stärken des A55.

Der eigene Chip

Die Rechenzentrale bildet eine Exynos-1480-Chip aus Samsungs eigener Entwicklung. Dabei handelt es sich um einen Achtkerner, von dem die schnellsten vier Stück mit bis zu 2,75 Gigahertz getaktet sind, und dem 8 GB RAM zur Seite gestellt sind. Für Grafikaufgabe wird eine Xclipse 350 GPU genutzt, die gemeinsam mit AMD entwickelt wurde. Klingt alles sehr vielversprechend, aber was heißt das in der Praxis?

In Benchmarks liefert die CPU gerade für diese Preisklasse durchaus gute Ergebnisse, liegt je nach Test mal weiter, mal weniger weit von aktuellen Topgeräten entfernt. Leider übersetzt sich das nicht ganz in den Alltagseindruck. Während etwa Scrollvorgänge meist flüssig vonstattengehen, waren in der Nutzung immer wieder irritierende Hänger zu bemerken. Das gerade, wenn das Gerät frisch in die Hand genommen oder auf andere Apps gewechselt wird. Ob es sich dabei um ein Hard- oder Softwaredefizit handelt, lässt sich nicht sagen, tatsächlich ist dieses Phänomen aber durchaus störend.

Schnellere Grafik, aber ...

Zudem sollte man sich vom Markennamen AMD nicht allzu beeindrucken lassen, der wirklich relevante Leistungsunterschied vom A55 zur aktuellen Topgeräten zeigt sich nämlich bei der Grafikleistung. Im "Wildlife Extreme"-Benchmark von 3DMark kommt das neue Mittelklassegerät gerade einmal auf 1.070 Punkte. Das ist zwar etwas mehr als der Vorgänger, aber auch nur ein Fünftel des Ergebnisses des – in dieser Hinsicht zugegeben exzellenten – Galaxy S24 Ultra.

Galaxy A55 Benchmarks
Die CPU-Leistung kann sich sehen lassen, bei der Grafik muss man hingegen deutliche Abstriche zu Topgeräten hinnehmen. Die Akkuleistung ist dafür wieder sehr gut.
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Wichtiger ist aber, dass man damit deutlich unter dem Leistungsniveau vieler Vorjahresmodelle und so manchem aktuellen Konkurrenten aus der Mittelklasse liegt. Für wen Gaming-Performance wichtig ist, der ist also mit anderen Smartphones besser bedient. So ist etwa selbst Googles fast ein Jahr altes Pixel 7a bei Grafikaufgaben beinahe doppelt so flott, auch bei der CPU-Leistung ist das Google-Gerät überlegen. Der kurz vor der Veröffentlichung stehende Nachfolger – also das Pixel 8a – wird diesen Abstand noch einmal vergrößern.

Die Kamera spielt (leider) nur eine Nebenrolle

Kommen wir zur Kamera, und gleich ein Spoiler vorab: Es wird ziemlich unaufregend. Der Kameraaufbau entspricht nämlich exakt jenes des Vorgängers, entsprechend halten sich auch die Änderungen bei den gelieferten Fotos in einem sehr engen Rahmen. Aber zu den Details: Die Hauptkamera ist für ein Mittelklassegerät hardwareseitig ziemlich gut ausgestattet, der 50-Megapixel-Sensor mit 1/1,56 Zoll relativ groß, was am Abend ebenso hilft wie die Blende von ƒ/1,8.

Dass auch Bilder mit der vollen 50-Megapixel-Auflösung aufgenommen werden können, ist wiederum am Tag ein nettes Extra, um ein bisschen mehr Details zu erhalten. Zumindest theoretisch, in der Praxis sind die höher auflösenden Aufnahmen leider oft generell weniger gefällig, da schlicht die Rechenkraft für die Verbesserung anderer Bildeigenschaften fehlt. Der Standard-Modus erzeugt weiterhin durch die Kombination von 2 × 2 Bildpunkten Aufnahmen mit einer Auflösung von 12,5 Megapixel und ist eigentlich fast immer die richtige Wahl.

Bevor es weitergeht, noch ein wichtiger Hinweis: Sämtliche Fotos aus dem Test und weitere Aufnahme gibt es in Originalauflösung in einem Album bei Google Fotos. Dieses eignet sich wesentlich besser für alle, die sich die Fotos auch im Detail ansehen wollen.

Gemischte Ergebnisse

An sich lassen sich mit dem Galaxy A55 sowohl am Tag als auch am Abend sehr gute Bilder machen, leider zeigen sich aber auch einige Schwächen. So brauchen Aufnahmen selbst bei gutem Licht immer wieder mal überraschend lange, was dazu führt, dass sie verwackeln, wenn man die Hand nicht sehr ruhig hält. Generell ist eine gewisse Neigung zur Unschärfe in den Bildern zu erkennen, gerade bei abendlichen Szenen fällt das stark auf. Zudem agiert auch der Autofokus nicht immer zuverlässig.

Samsung Galaxy A55 Testfoto
An sich können Aufnahmen mit dem Galaxy A55 durchaus gut werden.
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Der Dynamikumfang der Aufnahmen ist gut, die Farbwahl aber zum Teil so weit von der Realität entfernt, dass die Ergebnisse extrem künstlich aussehen. Gegenüber dem Vorgänger gibt es eigentlich nur ein relevantes Upgrade: Die Kamera des A55 kann jetzt auch 12-Bit-HDR-Videoaufnahmen machen. Apropos: Videos können maximal mit einer 4K-Auflösung und 30 Bildern pro Sekunde aufgenommen werden.

Samsung Galaxy A55 Testfoto
Die Farbgebung ist oftmals komplett daneben.
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Andere Kameraoptionen

Die Ultraweitwinkelkamera nutzt einen 12-Megapixel-Sensor mit einer Blende von ƒ/2.2 und einem Sichtfeld von 123 Grad. Dessen Qualitäten sind wohl bekannt, setzt ihn Samsung doch bei vielen Geräten ein. Sie lassen sich in Summe als gut bezeichnen, am Tag sogar sehr gut, gegen Abend wird es dann nach und nach problematischer. Dafür ist der Sensor dann schnell schlicht zu klein, und die Samsung-Software nicht gut genug, um das zu kompensieren. Eine eigene Telekamera gibt es nicht, der digitale Zoom von Samsung bleibt gewohnt schlecht. In Summe sollte man das mit dem Vergrößern von Motiven beim A55 besser lassen.

Samsung Galaxy A55 Testfoto
Die Ultraweitwinkelkamera liefert recht gute Bilder.
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Hinter der dritten Optik auf der Rückseite versteckt sich etwas anderes, nämlich eine Makrokamera mit fünf Megapixel. Das ist jetzt der richtige Zeitpunkt, um Samsung ein lautes "WARUM???" entgegenzuwerfen. Mittlerweile sollte es sich herumgesprochen haben, dass solche speziellen Makrokameras mit niedrig auflösenden Sensoren ziemlich bescheidene Bilder liefern. Viel sinnvoller wäre es gewesen, die Ultraweitwinkelkamera mit einem Autofokus zu versehen, um die für Makrofotografie nutzen zu können. Freilich hätte das nicht den offensichtlichen Zweck erfüllt, auf dem Spezifikationsblatt drei statt zwei Kameras ausweisen zu können.

Samsung Galaxy A55 Testfoto
Abendaufnahmen können durchaus gut gelingen.
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Samsung Galaxy A55 Testfoto
Auch hier ist aber eine Tendenz zu weichen Strukturen und Verschwimmen unübersehbar.
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Bleibt noch die Kamera, die für manche die wichtigste sein dürfte: Die an der Vorderseite angebrachte Frontkamera, die vor allem dazu gedacht ist, der Öffentlichkeit die Vorzüge des eigenen Äußeren zur Kenntnis zu bringen. Der 32-Megapixel-Sensor (ƒ/2.2, 1/2,74 Zoll) liefert an sich recht gute Bilder, auch wenn die Problematik mit der Unschärfe bei manchen Aufnahmen auch hier wieder zu sehen ist.

Gut ist auch in der Preisklasse nicht mehr gut genug

In Summe erhalten Interessierte beim Galaxy A55 eine durchaus solide Kamera, aber ehrlich gesagt auch nicht mehr. Von der Qualität eines im selben Preisbereich angesiedelten Pixel 7a ist man doch deutlich entfernt, und dabei handelt es sich um ein Gerät aus dem Vorjahr. Trotzdem ist all das natürlich relativ, für viele wird die Kamera des A55 mehr als ausreichend sein.

Samsung Galaxy A55 Testfoto
Das Katzenfoto wird Samsung-typisch bestenfalls okay, die Details der Haare verschwimmen. Doch selbst dafür benötigte es zahlreiche Versuche, weil die meisten Bilder auch bei relativ gutem Licht verschwommen (und das, obwohl die Katzenkönigin brav ruhig posierte).
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Zur biometrischen Authentifizierung gibt es einen Fingerabdrucksensor unter dem Bildschirm und ehrlich gesagt ist dieser eine leichte Enttäuschung. Während diese Sensoren bei Samsung meist zuverlässig arbeiten, wirkt der des A55 sowohl beim Einrichten als auch in der Nutzung langsam und auch nicht immer zuverlässig. Auch die weit unten liegende Position ist nicht ideal.

Gute Akkulaufzeit

Der Akku des Galaxy A55 ist mit 5.000 mAh angegeben. Im Benchmark von PCWork kommt das Smartphone damit auf einen an sich sehr guten Wert von 13:56 Stunden. Im Alltag bedeutet das, dass sich je nach Nutzungsintensität irgendwo zwischen eineinhalb und zwei Tagen ohne Neuaufladen ausgehen sollten. Was allerdings überrascht: Das ist ein geringerer Wert als beim Galaxy S24 Ultra (16:02 Stunden), das einen gleich großen Akku bietet. Das überrascht deswegen, da Topgeräte aufgrund ihres stärkeren Chips üblicherweise mehr Strom brauchen als Mittelklassemodelle.

Das Laden erfolgt mit bis zu 25 Watt, zu den ganz Flotten gehört das neue Samsung-Smartphone in dieser Hinsicht also nicht. Rund 90 Minuten werden für eine vollständige Aufladung benötigt. Wireless Charging wird hingegen nicht unterstützt. Noch eine Anmerkung: Der USB-C-Anschluss unterstützt nur das vergleichsweise langsame USB 2.0, was für jene relevant ist, die öfters Daten auf diesem Weg übertragen.

Samsung Galaxy A55
Geladen wird nur über den USB-C-Anschluss, drahtloses Laden gibt es nicht.
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Storage, Netzwerk und andere Hardwaredetails

Das Galaxy A55 gibt es in Varianten mit 128 oder 256 GByte lokalem Speicherplatz. Für manche aber wohl noch wichtiger: Dieser lässt sich via MicroSD-Karte erweitern, bei vielen anderen aktuellen Smartphones wird diese Option nicht mehr angeboten. Dass das Galaxy A55 5G-Mobilfunk unterstützt, ist gut, ist nett, aber auch nicht so aufregend, dass es heutzutage noch im Namen des Geräts extra erwähnt werden müsste.

Dual-Sim wird sowohl in der Kombination aus zwei Nano-SIM-Karten als auch einer SIM-Karte und einer eSIM unterstützt. Wichtig ist dabei der Hinweis, dass zwei SIM-Karten nur dann parallel eingesetzt werden können, wenn dafür auf die MicroSD-Erweiterung verzichtet wird. In Fragen WLAN wird WiFi 6 unterstützt, die noch relativ neuen 6-GHz-Frequenzen lassen sich damit also nicht nutzen. Bluetooth 5.3 ist ebenfalls mit dabei.

Bleibt noch als wichtiger Hinweis die Zertifizierung nach IP67 zum Schutz vor Staub und Wasser, teurere Geräte sind mit IP68 üblicherweise etwas besser abgesichert. Zudem gibt es Stereo-Lautsprecher, die recht laut werden können, ansonsten aber auch für ein Smartphone eher mittelmäßig klingen. Viel sollte man in diesem Bereich aber generell nie erwarten, dem stehen schlicht die Regeln der Physik im Weg.

Samsung Galaxy A55
Das Galaxy A55 ist größer als sein Vorgänger und damit kaum mehr kleiner als ein Galaxy S24 Ultra (rechts).
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Die Software: Ganz ohne Galaxy AI

Kommen wir zur Software und da gibt es Erwartbare: Das Galaxy A55 wird mit Samsungs OneUI 6.1 auf Basis von Android 14 ausgeliefert. Das kennt man schon von vielen anderen Samsung-Geräten so, ist an sich auch eine durchaus gelungene, wenn auch an vielen Orten überladene Oberfläche. Was man hier hingegen vergeblich sucht, ist auch nur die geringste Spur jener Galaxy AI, die noch vor wenigen Wochen im Zentrum der Präsentation der S24-Reihe stand.

Ob Circle-to-Search, Chat Assist, Call Translate oder auch die diversen KI-Bildbearbeitungstricks, all das gibt es beim A55 also nicht. Ein Teil davon lässt sich mit dem schwächeren Chip erklären, bei anderen Dingen handelt es sich schlicht um Produktdifferenzierung und eine Frage der Kosten. Immerhin läuft ein erheblicher Teil dieser Tricks ohnehin in der Cloud von Google, wo Samsung einiges für die notwendige Rechenkraft hinter all den KI-Features der S24-Reihe ablegen dürfte.

Irreführende Hinweise

Bereits beim S24 wurde kritisiert, dass der Hersteller immer offensiver die Einrichtung eines Samsung-Kontos beim Setup aufdrängt. Das ist beim A55 wieder genauso – und noch deutlich weniger verständlich. Während das Unternehmen beim S24 noch argumentieren konnte, dass das für die Cloud-KI-Funktionen genutzt wird, zieht diese Argumentation hier nicht mehr.

Samsung Galaxy A55 Screenshots / OneUI 6.1
Die Samsung-Software zeichnet sich durch viele zweifelhafte Beigaben und Dialoge aus.
Proschofsky / STANDARD

Richtig ärgerlich wird es aber dann, wenn Samsung wieder einmal die Sicherheitseinstellungen am Gerät dafür missbraucht, das Fehlen eines eingerichteten Samsung-Kontos als Sicherheitsproblem darzustellen. Das ist Unsinn und unlauter, wie auch Samsungs generelle Tendenz, diese an sich wichtige Seite für Werbung zu instrumentalisieren. So will man an dieser Stelle auch einen Antiviren-Scanner von McAfee bewerben, der nicht anderes macht, als die gleichen Schutzmaßnahmen des ohnehin laufenden Google Play Protect zu doppeln.

Neue Möglichkeiten für alle, denen Samsung bisher zu wenig Bloatware bot

Zudem hat Samsung einen neuen Weg gefunden, seinen Nutzern mehr Bloatware aufs Auge zu drücken. Das Einrichten des Geräts endet mit einer Reihe von neuen Dialogen, die man als "Hilfe" zum Aufspüren von "empfohlenen Apps" verkauft. Die Nutzerinnen und Nutzer sollen dabei Alter und Geschlecht angeben, um dann für sie passende Apps angeboten zu bekommen.

Die Idee ist auf so vielen Ebenen jenseitig, dass es fast schon atemberaubend ist. Dazu passt dann, dass nicht nur die Ergebnisse komplett generisch sind – von "Candy Crush Saga" über die Online-Shopping-Plattform Temu oder auch diverse Wetter-Apps reicht die Palette – ein Teil davon wird selbst dann installiert, wenn sie gar nicht ausgewählt wurde. Die betreffenden Apps lassen sich zwar später wieder restlos entfernen, das ändert aber nichts daran, dass es sich dabei schlicht um Werbepositionierungen handelt – und sonst nichts. Mit den Bedürfnissen der eigenen Kundinnen und Kunden hat das gar nichts zu tun.

Schutz

Kommen wir zu etwas Erfreulicherem: Mit Knox Vault bietet Samsung nun auch auf seinen Mittelklassegeräten eine hardwarebasierte Sicherheitslösung, um sensible Daten wie Passwörter oder Pin-Codes besser abzusichern. Das ist sehr gut so, aber jetzt auch nicht ganz neu. Bei Topgeräten von Samsung oder Google gibt es ähnliches schon länger, bei letzterem sogar in der Mittelklasse.

Das Support-Versprechen kann sich für diese Preisklasse durchaus sehen lassen. Vier große Android-Versionssprünge und fünf Jahre an Sicherheitsaktualisierungen verspricht Samsung für das Galaxy A55. Im Vorjahr wäre das noch ein absoluter Topwert gewesen, heuer ist das aber auch eine verpasste Chance. Sowohl Pixel 8 als auch Galaxy S24 versprechen mittlerweile sieben Jahre an Updates. Nun sind diese natürlich teurer, spannend wird aber, was Google beim Pixel 8a machen wird, das preislich näher am A55 sein sollte.

Die verfügbaren Farboptionen nennen sich Iceblue, Navy, Lilac und Lemon. Der offizielle Preis liegt für die 128-GB-Ausführung, wie schon einleitend erwähnt, bei 479 Euro. 256 GB gibt es dann für 529 Euro. Verfügbar ist das Mittelklasse-Smartphone bereits.

Eine solide Wahl, aber auch nicht mehr

Samsungs Galaxy A55 5G ist eine durchaus solide Wahl, wenn man auf der Suche nach einem guten Smartphone mit einem ordentlichen Preisverhältnis ist. Immerhin braucht nicht jeder ein Topgerät für 1.000 Euro und mehr, die Abstriche, die man beim A55 in Kauf nehmen muss, werden die meisten gar nicht merken. Und doch will die große Begeisterung irgendwie nicht aufkommen.

So stellt sich ehrlich gesagt die Frage, warum jemand, der nicht auf einen spezifischen Hersteller festgelegt ist, ein Galaxy A55 statt eines Mittelklasse-Pixel von Google selbst nehmen soll. Und selbst das deutlich stärkere Pixel 8 ist aktuell preislich nicht mehr weit entfernt. Gegen das bald kommende Pixel 8a könnte es für Samsung sowohl bei Hard- als auch Software schwer werden, wenn man aktuellen Vorabinformationen Glauben schenkt. Lediglich wer unbedingt einen MicroSD-Slot haben will, hat ein sehr gutes Argument für Samsung.

Doch selbst, wer ganz auf Samsung eingeschworen ist, sollte sich vor einem Kauf noch andere Optionen ansehen. Das Galaxy S23 FE ist mittlerweile kaum mehr teurer als ein Galaxy A55 und gleichzeitig ein in vielerlei Hinsicht besseres Gerät – sowohl bezüglich Hard- als auch Software. Was bleibt, ist der Eindruck: Eigentlich müsste das Galaxy A55 noch ein gutes Stück billiger sein, um eine wirkliche Empfehlung zu sein. (Andreas Proschofsky, 14.4.2024)