Die Suppeneinlage ist eine der großen Stärken der Wiener Küche: Die Kreativität und Liebe zum Detail, mit der hier vor allem Innereien in köstliche Kleinode verwandelt werden, ist sonst selten auf der Welt. Luise Seleskowitz etwa listet in ihrem Wiener Kochbuch 1883 noch 80 (!) verschiedene Einlagen, von "Hühner-Fasch" bis "Schlickkrapfen mit Karpfenmilch". Leider ist diese Vielfalt in den vergangenen Jahrzehnten großteils verschwunden. Hirnknödel und Markmandeln sind nicht mehr in der freien Wildbahn zu finden, Lungenstrudel und Milzschnitten akut vom Aussterben bedroht. Nur der Leberknödel erfreut sich nach wie vor größter Beliebtheit.

Das mag daran liegen, dass er vergleichsweise einfach zuzubereiten ist: Es braucht kein besonderes Geschick und nicht mehr als einen Fleischwolf und eine Handvoll Zutaten. Mit etwas Liebe und Wissen wird trotzdem eine große Köstlichkeit daraus. Ein guter Leberknödel schmeckt für mich kräftig nach Leber und ganz zart nach frischem Majoran, und hat eine flaumig-leichte, nie gummige Konsistenz und einen zartrosa Kern. Auch im Knödel mag ich meine Leber nicht übergart.

Leberknödel sind für mich als Gradmesser für die Qualität eines Lokals noch verlässlicher als das Brotkörberl. Ist der Leberknödel gut, wird auch der Rest passen. Einige meiner liebsten, weil so verlässlich sehr guten Leberknödel, werden im Gasthaus Schiller in Sommerrein serviert. Als allererstes habe ich daher den Gerhard Schiller um sein Rezept (oder ist es jenes der Oma?) gebeten und netterweise bekommen. Dann haben der Heinrich S. und ich uns ans Recherchieren und Experimentieren gemacht.

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Leberknödelverkostung in Suppe.
Foto: Tobias Müller

Eine kurze Geschichte des Leberknödels

Der Leberknödel ist eine altehrwürdige Suppeneinlage. Das erste Rezept, dass der Heinrich S. finden konnte, stammt bereits aus dem Jahr 1696, und nachdem Kochbücher damals noch relativ selten waren und der Leberknödel ab da ziemlich regelmäßig in zahlreichen Büchern auftaucht, nehme ich an, dass er noch einmal ein gutes Stück älter ist.1

Das Rezept hat sich in den 300 Jahren, in denen der Leberknödel gut dokumentiert ist, kaum verändert: Leber, alte Semmeln, Bröseln und Fett werden zu einem Teig gemischt, zu Knödel geformt und in Suppe gar gezogen. Bereits 1718 kommen dann die heute üblichen Zutaten Zwiebel, Petersilie und Ei hinzu. Aus dem 18. Jahrhundert gibt es zumindest ein Rezept, in dem auch Rosinen landen, aber die Variante hat sich offenbar nicht durchgesetzt.

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Foto: Tobias Müller

Bis ins frühe 20. Jahrhundert verwenden fast alle Rezepte Kalbsleber (und die, die was anderes empfehlen, nehmen Lamm oder Geflügel), Rind oder Schwein, wie heute üblich, kommen erst ab der Mitte des 20. Jahrhunderts regelmäßig vor. Ich nehme an, das liegt schlicht daran, dass Kochbücher sehr lang nur für ein sehr gehobenes Publikum (oder deren Köche) geschrieben waren, und denen Rind und Schwein schlicht zu ordinär war. Schweins- und Rinderlebern waren wohl für die nicht rezeptierten Leberknödel in den Wiener Garküchen und beim Bratlbrater reserviert. Ob sie besser schmecken, war daher gleich unser erster Leberknödelversuch.

Die Suche nach den perfekten Leberknödeln

Leberknödel sind theoretisch sehr einfach: Leber und Brot wird zerkleinert, mit etwas Flüssigkeit, Ei, Fett und Gewürzen gemischt, zu Knödel geformt und in heißer Suppe gar gezogen. Aber welche Leber ist die beste? Welche Verhältnisse liefern den flauschigsten Knödel? Und gibt es vielleicht doch noch andere Zutaten, die den Leberknödel so richtig gut machen?

Das ideale Leberknödeltier

Leberknödel sind klassisches Restlessen, Verwandte der Leberwurst oder Terrine, und daher am besten mit der Leber, die gerade in zu großen Mengen vorhanden ist. Wir haben Schwein, Rind und Kalb probiert, und wenig überraschend waren die beiden weniger noblen Varianten deutlich besser, weil kräftiger im Geschmack. Sowohl Rind als auch Schwein sind gute Leberknödeltiere, die feine Kalbsleber ist viel zu schade, um verwurstet zu werden.

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Kalbsleber, Rinderleber und Rindermilz.
Foto: Tobias Müller

Ein überraschend wichtiger Punkt: die Frische

Am ersten Leberknödelversuchstag haben wir in der Früh eine große Menge Standardmasse aus Leber und Brot faschiert und dann immer kleine Mengen mit mehr oder weniger Brot, Ei, Zwiebel und sonstigen Gewürzen probiert. Zu unserer Überraschung waren unsere Leberknödel nach der Mittagspause plötzlich geschmacklich nicht mehr gut. Ich habe keine endgültige Erklärung dafür, aber das längere Stehen hat der Masse offenbar nicht gutgetan und den guten Lebergeschmack verschwinden lassen. Ich rate daher schwer, die Leber, einmal faschiert, möglichst schnell (zumindest in unter einer Stunde) zu Knödel zu formen und zu kochen. Das Ziehen lassen der Masse, wie in manchen Rezepten empfohlen, hat für uns keine Vorteile gebracht.

Lebermilzknödel

Zahlreiche Rezepte, vor allem ältere, mischen außerdem noch etwas Milz unter die Leber. Wir haben das probiert und für eine gute Idee befunden: etwa ein Viertel Milz auf die Lebermasse (also zum Beispiel 50 g auf 200 g Leber) macht den Geschmack der Knödel komplexer und aufregender und ist ein Gewinn. Milz-Mangel sollte aber niemanden vom Leberknödelmachen abhalten.

Schaben, schneiden, faschieren oder cuttern

In alten Rezepten wird die Leber für die Knödel oft geschabt oder geschnitten, in modernen faschiert oder gecuttert. Die gute Nachricht: Der technische Fortschritt macht sich bezahlt: geschabte Leber macht zwar deutlich mehr Arbeit, den Knödel aber um nichts besser, und geschnitten, selbst noch so klein, wird keine homogene Masse draus.

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Leber, faschiert und geschabt.
Foto: Tobias Müller

Die schlechte Nachricht für Heimköche: Cuttern ist zwar okay, Faschieren ist aber deutlich besser. Beim Cuttern bleiben einfach gröbere Brocken in der Masse zurück, die die Konsistenz stören. Als ideale Methode hat sich für uns erwiesen, Leber, Brot, Ei und Fett gemeinsam zu faschieren: Das ergab die beste Konsistenz und den feinsten Biss. Die Wiener Küche ist oft eine Fleischwolfküche.

Wir haben einige Massen zu Testzwecken außerdem doppelt und eine sogar dreifach faschiert. Hat keine Verbesserung gebracht, einmal reicht völlig.

Das Brot

Neben der Zerkleinerungsmethode hat das Brot den größten Einfluss auf die Konsistenz des Endprodukts. Die allermeisten Rezepte verwenden Semmeln, manche frisch (etwa die geschätzte Frau Ziii oder der Gerhard Schiller aus Sommerein), viele eingeweicht und ausgepresst. Wir haben viel probiert und uns generell ziemlich geplagt mit den Semmeln und waren trotzdem nicht ganz glücklich: Die Masse war zu feucht und/oder die Knödel zu pastös nach dem Kochen, die Stücke waren nicht fein genug oder die Konsistenz der Knödel zu brotig.

Als deutlich einfacher und besser hat sich dann stinknormales Knödelbrot erwiesen, und zwar mit der gleichen Menge Flüssigkeit (nach Gewicht langsam eingeweicht, bis sie komplett aufgesaugt ist). Welche Flüssigkeit das ist – Milch, Suppe, oder Wasser –, ist hingegen ziemlich egal.

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Semmelschälen: zeitraubend und unnötig.
Foto: Tobias Müller

Neben der Art des Brots ist auch das Leber-Brot-Verhältnis essenziell. Zu viel Brot und die Knödel werden, nun ja, brotig, zu wenig, und sie sind nicht flaumig-saftig genug und halten schlecht. Unser goldener Leberknödelschnitt ist erfreulicherweise ziemlich einfach: Auf zwei Teile Leber kommen ein Teil Brot und ein Teil Einweichflüssigkeit. In Zahlen: für 200 g Leber 100 g Brot mit 100 g Milch einweichen, ziehen lassen und dann mischen.

Keine Brösel

Fast alle Rezepte verwenden zusätzlich zu dem Brot noch Semmelbrösel, auch wenn zahlreiche keine genaue Menge angeben, sondern nur von "so viel wie nötig" schreiben. In unserem Fall hieß das: gar keine Semmelbrösel. Die Masse ließ sich, zumindest mit nassen Händen, immer leicht zu Knödel formen, und wenn wir doch etwas Brösel zugefügt haben, brachte das keine Verbesserung, sondern nach dem Garen nur eine härtere Konsistenz. Wenn Sie nicht unbedingt bröseln müssen, lassen Sie sie weg.

Die Eier-Frage

Das Ei ist eine der großen Variablen im Leberknödel im Laufe der Zeit. Alte Rezepte weisen oft darauf hin, dass es nicht viel braucht oder lassen es gleich ganz weg, in modernen Rezepten werden sie hingegen mitunter großzügig verwendet. Wir haben beides probiert und uns war die idente Masse mit weniger Ei lieber. Mehr Ei führte bei uns interessanterweise zu mehr Brotgeschmack und einer festeren Konsistenz.

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Foto: Tobias Müller

Zwiebel

Zu Beginn unserer Recherche haben wir noch gelacht über die alten Rezepte, die mitunter homöopathische Mengen wie einen halben Teelöffel Zwiebel auf einen halben Kilo Leber empfehlen. Nach gut fünfzig verschiedenen Leberknödel sind wir zu dem Schluss gekommen, dass sie uns ohne oder mit sehr, sehr wenig Zwiebel besser schmecken. Die Süße der Zwiebel deckt den Lebergeschmack ziemlich effektiv zu. Das mag von manchen gewünscht sein, von uns nicht. Wenn Zwiebel, dann in homöopathischen Mengen.

Die Fette

Wir haben Leberknödel mit Schmalz, Butter, Knochenmark und, eine schöne Idee aus alten Rezepten, dem Abschöpffett der Rindssuppe aufgefettet – und es hat keinen großen Unterschied gemacht. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass in diesem Fall veganes Streichfett funktioniert. Bloß zu wenig Fett sollten Sie nicht nehmen: wie so oft ist mehr auch hier besser.

Entscheidungshilfe: Schmalz hat den Vorteil, dass es sich auch unerhitzt gut einmischen lässt und damit für mich vom praktischen Standpunkt die Nase vorn.

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Foto: Tobias Müller

Eine ziemlich gute Geheimzutat

Der Gerhard Schiller mischt noch eine ungewöhnliche Zutat in seine Leberknödel: weich gekochte Schweinsschwarte. Der Heinrich S. hat das zunächst als zu leberwurstig abgetan. Aber nachdem wir es mit Resten vom Osterschinken probiert haben, hat auch er es für ziemlich gut befunden, obwohl wir sogar vergessen haben, unseren Schwartentestknödel zu salzen. Die Schwarte gibt dem Leberknödel eine erstaunliche Geschmackstiefe und einen guten Schmelz. Muss sie sein? Nein. Macht sie Freude? Auf jeden Fall.

Sonstige Gewürze

Ich habe bei unseren Tests gelernt, dass ich ein Leberknödelpurist bin. Wir haben neben den Klassikern Salz, Pfeffer und Petersilie auch getrockneten Majoran, Piment, Knoblauch und Zitronenschale ausprobiert und nichts davon hat mich überzeugt. Selbst die Petersilie braucht's geschmacklich meiner Meinung nach nicht. Bloß frischen Majoran mag ich aus Erfahrung, aber den hatten wir für die Tests leider nicht bei der Hand.

Garziehen

In Rindssuppe, und nicht zu kurz. Elf bis zwölf Minuten knapp unter dem Siedepunkt haben sich als ideal für eine gute Konsistenz und einen zartrosa Kern erwiesen. In Salzwasser geht's auch, auch wenn es den Knödel etwas mehr geschmacklich auslaugt.

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Die Rindssuppe zum Garziehen.
Foto: Tobias Müller

Was wir über Leberknödel gelernt haben

Die größte Herausforderung für gute Leberknödel ist die passende Konsistenz, und Fleischwolfbesitzer tun sich deutlich leichter. Hier fünf essenzielle Punkte:

Das Rezept für die vorläufig perfekten "Gruß aus der Küche"-Leberknödel

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Die perfekten Leberknödeln.
Foto: Tobias Müller

Zutaten

Zubereitung

Knödelbrot mit der Milch übergießen und mindestens eine Stunde, besser noch etwas länger, ziehen lassen.

Falls verwendet, die Zwiebel im Schmalz langsam schön glasig werden lassen. Leber und Milz zuputzen und würfeln.

Suppe zum Sieden bringen.

Leber, Milz Brot, Schwarte, Schmalzzwiebel und Ei in einer Schüssel gut mischen und dann durch den Fleischwolf laufen lassen (oder, wenn Sie keinen haben, in der Küchenmaschine fein cuttern). Gut salzen und pfeffern und frischen Majoran und bei Bedarf etwas Brösel unterrühren.

Nicht rasten lassen, sondern gleich Hände nass machen, aus der Masse etwa gleichgroße marillengroße Knödel formen und vorsichtig in die Suppe gleiten lassen. Elf bis zwölf Minuten knapp unter dem Siedepunkt ziehen lassen. In der heißen Suppe mit Schnittlauch bestreut servieren. (Tobias Müller, 14.4.2024)