Gerhard Struber gestikuliert.
Gerhard Struber steht offenbar vor seiner Entlassung.
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Salzburg – Red Bull Salzburg hat den österreichischen Fußball geprägt. Zehn Meistertitel in Serie sind ein Ausrufezeichen. Das führte zu einer gewissen Langeweile, die Konkurrenz gab sich der Hoffnungslosigkeit hin, akzeptierte zähneknirschend die Dominanz, wies gebetsmühlenartig auf die enormen finanziellen Möglichkeiten der Salzburger hin. Denn, dies ist ein Satz fürs legendäre Phrasenschwein, Geld spielt Fußball. Andererseits wurden die gute, kontinuierliche Arbeit, der Spielstil gelobt. Salzburg sammelte Punkte für die Fünfjahreswertung des europäischen Verbandes Uefa, davon profitierten alle österreichischen Vereine. Und halb Europa wurde mit Ausnahmekönnern versorgt, der Norweger Erling Haaland ist das beste Beispiel.

Video: Salzburg trennte sich von Coach Struber - Cinel übernimmt.
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Am Freitagabend hat der "Serientäter" beim krisengeschüttelten LASK klar mit 1:3 verloren. Das war kein einmaliger Ausrutscher. Die Probleme haben sich seit Monaten angekündigt. "So ein Spiel macht keinen schlanken Fuß", sagte Trainer Gerhard Struber in Linz. Ein Projekt gerät ins Wanken, wobei der elfte Titel hintereinander natürlich nicht auszuschließen ist. "Er ist aber gefährdet", sagte Tormann Alexander Schlager.

Das sieht auch die Klubführung so: Struber wurde am Sonntagabend über seine Entlassung informiert, am Montagmittag wurde die Trennung offiziell. Onur Cinel, bisher Trainer beim FC Liefering und Assistent von Ralf Rangnick im Nationalteam, übernimmt bis Saisonende.

Den Schrecken hat Salzburg bereits verloren, es gibt freilich mehrere Gründe dafür, die Liste ist unvollständig.

Der Trainer

Gerhard Struber gab selbstverständlich alles, aber das war für die Salzburger Ansprüche momentan zu wenig. Die Trainerdiskussion war wohl unvermeidbar, Mechanismen treten überall in Kraft. In der Winterpause hatte der 47-Jährige noch "mehr Attraktivität und Wiedererkennungswert" gefordert. Die Mannschaft erfüllte den Auftrag nicht, es wurde eher weniger. Das lästige Pressing, die gefährlichen Umschaltmomente sind nur mehr die Ausnahme. Ob Struber überfordert war, sei dahingestellt. Das Konzept, Trainer selbst zu entwickeln, gerät ins Wanken. Bei Marco Rose oder Jesse Marsch hat es noch geklappt, bei Matthias Jaissle gab es erste Alarmzeichen. Der Deutsche wechselte im Sommer ziemlich spontan nach Saudi-Arabien. Struber war die möglicherweise zu naheliegende Lösung.

Freunds Abschied

Sportchef Christoph Freund war der Baumeister des Projekts. Er traf richtige Entscheidungen, das Scouting war perfekt aufgestellt, Salzburgs Transfereinnahmen lagen im europäischen Spitzenfeld. Das ist Bayern München aufgefallen, also wurde Freund abgeworben. Nachfolger ist Bernhard Seonbuchner, ebenfalls ein Eigengewächs. Der 40-jährige Deutsche tritt unauffällig auf, Freunds Fußstapfen könnten zu groß sein. "Wir müssen alles intern bereden", sagt Seonbuchner nach Misserfolgen, also recht oft.

Der Kader

Ein Qualitätsverlust ist augenscheinlich. Vor der Saison wurden unter anderen Benjamin Sesko, Nicolas Seiwald, Noah Okafor und Junior Adamu abgegeben. Sie konnten nicht gleichwertig ersetzt werden. Selbstverständlich gibt es nach wie vor starke Kicker mit Perspektive. Der einzige Ausnahmespieler, der Brasilianer Fernando, ist praktisch ausnahmslos verletzt.

Fernando liegt verletzt ab Boden
Salzburg droht im Bundesliga-Endspurt zu Boden zu gehen. Dass der beste Bullen-Kicker Fernando ständig verletzt ist, ist nur ein Teil der Misere.
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Fehlende Mentalität

Die Mannschaft agiert ängstlich, wirkt phasenweise arrogant, kann den Plan nicht durchziehen. Das 3:4 im Cuphalbfinale daheim gegen Sturm Graz war verdient, keine Spur von Aufbäumen. Vor gut einer Woche erzielte man gegen Rapid in der 87. Minute das 1:0. Vor zwei oder drei Jahren wäre die Partie vermutlich 2:0 ausgegangen. Diesmal nicht. Rapid schnürte die Salzburger auswärts in den letzten zehn Minuten ein, schaffte den Ausgleich. Salzburg ist die Souveränität, die Cleverness abhandengekommen.

Karim Konaté verliert den Ball im Zweikampf.
Gegen Rapid kam Salzburg spät zu Fall.
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Kaum Faninteresse

Die Bullen mühten sich lange, um akzeptiert zu werden. Die Zuschauerzahlen konnten zwar im Schneckentempo gesteigert werden, eine richtige Fankultur haben aber andere. Die Unterstützung von den Rängen ist so laut wie das Piepsen einer Nachtigall im Stimmbruch. In dieser Saison gibt einen Zuschauereinbruch von fast zehn Prozent, Salzburg ist hinter Rapid, Sturm Graz, Austria Wien und dem LASK mit einem Schnitt von 11.179 nur Fünfter. Früher kamen die Leute, um schweigend guten Fußball zu sehen. Aktuell ist der Unterhaltungswert gering. Es gibt kaum Identifikationsfiguren. Xaver Schlager, Konrad Laimer oder Nicolas Seiwald wurden einst in Salzburg zu unverzichtbaren Stützen des österreichischen Nationalteams ausgebildet.

Conclusio: Im Idealfall ist alles nur ein Zwischentief. Man wird intern beraten. Am Sonntag gegen Klagenfurt ist Salzburg aber Favorit. (Christian Hackl, 14.4.2024)