Johannes Anzengruber
Von der ÖVP geschasst, nun in der Stichwahl um das Bürgermeisteramt in Innsbruck: Johannes Anzengruber.
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Johannes Anzengruber hat zwei Gesichter. Einerseits ist da der anpackende, aber bodenständig wirkende Machertyp, der in den Innsbrucker Stadtteilen unterwegs ist, den die Menschen kennen und der als einstiger Hüttenwirt der bekanntesten Innsbrucker Alm nahe bei den Leuten ist.

Andererseits ist da einer, der sich mindestens so gezielt wie geschickt vernetzt und genau abwägt, was er angreifen muss und was nicht, um das zu erreichen, was er will. Zum Beispiel das Bürgermeisteramt in Tirols Hauptstadt. Und auf das hat der ehemalige Vizebürgermeister, den die ÖVP absägte, weil sie lieber einen Kandidaten mit mehr Parteigehorsam wollte, bei der Stichwahl am 28. April gute Chancen. Beim ersten Wahlgang am Sonntag landete der 44-Jährige, der sich an der Mutterpartei mit einer Gegenliste gerächt hatte, knapp hinter dem grünen Amtsinhaber Georg Willi auf Platz zwei.

Video: Innsbruck-Wahl: Willi und Anzengruber in Stichwahl.
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Am Montag zog auch der ÖVP-Kandidat und Wahlverlierer Florian Tursky den Hut und gab in einer persönlichen Erklärung eine Wahlempfehlung für Anzengruber ab. Tursky betonte, dass es kein "neues Innsbruck" unter einem alten Bürgermeister geben könne. Turksy selbst wolle der Stadtpolitik erhalten bleiben. Er sieht seine Zukunft im Stadtsenat.

"Lonesome Cowboy" gegen Wien

Der eine Anzengruber, für sein Umfeld "der Hannes", ist gelernter Gesundheitswissenschafter und geeichter Gastronom. Bis vor vier Jahren führte er die Arzler Alm, ein beliebtes Ausflugsziel für Innsbrucker und berühmt für ihre Kaspressknödel. Mit diesen startete der verheiratete Vater zweier Kinder auch gleich in den Wahlkampf – und verteilte 2.500 selbstgemachte Exemplare ans Volk.

Der andere Anzengruber ist ein politischer Quereinsteiger, der vor vier Jahren zum Vizebürgermeister der Stadt am Inn gewählt wurde. Das Rüstzeug, das es auf diesem ganz speziellen, von Zwist, Intrigen und persönlichen Kränkungen geprägten politischen Terrain braucht, hat er sich schnell angeeignet. Er taucht bei Terminen auf, wenn es nützliche Fotos abzustauben gilt, und er hat ein kleines Panoptikum der einflussreichen Innsbrucker Gesellschaft auf seiner Liste versammelt – vom Ehrenhauptmann der Schützenkompanie bis zum Feuerwehrkommandanten und dem Landespolizeidirektor a. D. Jeder von ihnen ist ein Garant für weitere Mobilisierung für Anzengruber – auch das war Teil seines Erfolgsrezepts.

Die beiden Gesichter des ehemaligen Ringers Johannes Anzengruber verbinden zwei Dinge. Erstens packt er viel selbst an. Zweitens ist er vernetzt, aber trotzdem Einzelgänger. Der "Lonesome Cowboy", der sich gegen "oben" auflehnt, am Ende gar gegen die aus Wien, kommt an der Nordkette traditionell gut an. In Kombination mit der weit verbreiteten Enttäuschung über Willis Amtszeit so gut, dass dem einstigen Almwirt hohe Chancen zugerechnet werden, in zwei Wochen neuer Bürgermeister von Innsbruck zu sein. (Martin Tschiderer, 15.4.2024)