Schanghai/Frankfurt – Chinas Planungsbehörde NDRC rechnet wegen des wachsenden Überangebots an Elektroautos mit einem noch schärferen Wettbewerb. Die Nationale Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC) erklärte am Montag, unter den insgesamt 150 geplanten neuen Modellen auf dem weltweit größten Automarkt seien mehr als 110 reine E-Autos oder Plug-in-Hybride. Die Nachfrage werde um 2,1 Millionen Einheiten steigen, während allein schon die Hersteller BYD, Aito und Li Auto ein Wachstum von rund 2,3 Millionen Pkws planten.

Der Tesla-Messestand auf der sechsten China International Import Expo in Schanghai.
Mit seinem aggressiven Preiskampf treibt Tesla – hier auf der Import-Expo in Schanghai im November – die Autobranche auf der Automesse in Schanghai vor sich her.
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Neben dem harten Konkurrenzkampf sollen auch sinkende Batteriekosten und Größenvorteile durch hohe Stückzahlen zu sinkenden Autopreisen führen. In Shenzhen, einer Metropole mit hoher EV-Akzeptanz, erwartet die NDRC Preisrückgänge zwischen fünf und zehn Prozent. BYD mit der Premiummarke Denza gewährte seit Anfang des Jahres die stärksten Nachlässe von sieben bis fast zehn Prozent. Nach BYD und Tesla senkte auch Li Auto die Preise.

Am Donnerstag beginnt die Automesse in Peking. Die deutschen Autobauer BMW, Mercedes-Benz und der Volkswagen-Konzern verdienen auf ihrem wichtigsten Markt Geld vor allem mit Verbrennerfahrzeugen. Am rasch wachsenden Markt für E-Autos spielen sie bisher kaum eine Rolle.

Volkswagen noch "hochprofitabel"

Bei Volkswagen ist der Konkurrenzkampf längst angekommen. "Die Preise fallen und fallen, der Wettbewerb wird härter", beschreibt der China-Chef von Volkswagen die angespannte Lage. Zwar sei das Geschäft mit herkömmlichen Autos mit Verbrennungsmotor für VW immer noch "hochprofitabel". Dank sprudelnder Gewinne verfüge man also über genügend Mittel, um kräftig investieren und umbauen zu können.

Das scheint auch nötig. Denn in China entwickelt sich der Markt rasant in Richtung smarter Elektroautos. Im ersten Quartal hat der Volkswagen Konzern in China nach eigenen Angaben 693.600 Fahrzeuge an Kunden ausgeliefert. Davon waren 41.000 reine E-Fahrzeuge. Das ist für VW zwar eine Verbesserung, im Vergleich zum Gesamtmarkt für E-Autos ist es dennoch relativ wenig.

Bereits im laufenden Jahr wird erwartet, dass 40 Prozent aller verkauften Fahrzeuge in China E-Autos sein werden, berichtete kürzlich die staatliche Zeitung "China Daily". Im nächsten Jahr dürfte demnach bereits jedes zweite in China verkaufte Neufahrzeug ein E-Auto sein.

E-Auto-Schwemme

Bei Verbrennungsmotoren konnten chinesische Hersteller nie mit der filigranen Technik der Deutschen mithalten. Doch bei den E-Autos wurden die Karten neu gemischt. Nicht mehr VW verkauft die meisten Fahrzeuge, sondern der chinesische Hersteller BYD, der früh ins E-Segment eingestiegen ist. Mithilfe staatlicher Subventionen, aber mindestens ebenso viel Erfindergeist ist es den Chinesen gelungen, Autos zu bauen, die den Geschmack der Käufer treffen. Zu den etablierten Herstellern gesellen sich Dutzende neuer chinesischer Anbieter, die den Markt mit technisch ausgereiften Fahrzeugen regelrecht überschwemmen. Auf den Straßen chinesischer Großstädte sind mittlerweile so viele verschiedene E-Auto-Marken unterwegs, dass es schwerfällt, den Überblick zu behalten.

Und dann ist da natürlich noch Tesla, das seine Fahrzeuge dank einer riesigen Fabrik in Schanghai auch vor Ort zu günstigen Preisen anbieten kann. Eine ganze Armada von Herstellern möchte sich auf dem Markt behaupten. Von einem regelrechten "Preiskrieg" spricht Cui Dongshu, Generalsekretär des chinesischen Automobilverbands CPCA.

All dies geschieht vor dem Hintergrund einer schwächelnden chinesischen Wirtschaft. Die Menschen überlegen sich zweimal, ob jetzt der richtige Zeitpunkt sei, ein neues Auto zu kaufen. Den Herstellern bleibt also nichts anderes übrig, als hohe Rabatte zu gewähren. Ein profitables Geschäft ist so kaum möglich.

Wichtigste Leistungsschau

Die Automesse in Peking, für viele Hersteller inzwischen das wichtigste Branchentreffen der Welt, wird erneut etliche Modelle präsentieren. Allein Volkswagen will mit seinen Konzernmarken wie Audi und Porsche 44 Fahrzeuge auf der Messe zeigen, darunter sechs Weltpremieren. Konzernchef Oliver Blume verspricht, die "innovative Stärke" des deutschen Autobauers unter Beweis zu stellen.

Trotz der Debatte über eine zu große Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von China sehen Autoexperten kaum eine Alternative für die Hersteller, als im Reich der Mitte am Ball zu bleiben.

"China muss ein wichtiger Markt für die deutschen Autobauer bleiben. Man kann die Absatzmengen in diesem riesigen Markt nicht einfach auf etwa die USA umverteilen", sagt Frank Schwope, der Automobilwirtschaft an der Fachhochschule des Mittelstands in Köln und Hannover lehrt. In China sei noch viel Wachstum möglich. Schon allein deshalb, weil dort gemessen an der Gesamtbevölkerung noch deutlich weniger Menschen ein Auto besitzen als in Amerika oder Europa.

Zukunftsmärkte

Auch andere Experten geben zu bedenken: Die Deutschen müssten schon deshalb versuchen, in China mit den einheimischen Herstellern mitzuhalten, weil diese ihnen sonst auch auf dem internationalen Markt den Rang ablaufen könnten. "Es geht da auch um die Zukunftsmärkte Südostasiens wie zum Beispiel Indonesien, die derzeit stark von den Chinesen besetzt werden", sagt Philipp Kupferschmidt, der bei der Unternehmensberatung Accenture im deutschsprachigen Raum für die Automobilindustrie verantwortlich ist.

Allerdings müsse man auch die politischen Entwicklungen im Auge behalten. "Es gibt einige Unsicherheit. Insbesondere hängt das Damoklesschwert Taiwan über dem Markt", warnt Kupferschmidt. Zwischen dem Inselstaat und China gibt es immer wieder Spannungen, weil Peking die Insel zum Gebiet Chinas zählt, obwohl in Taiwan seit Jahrzehnten eine unabhängige und demokratisch gewählte Regierung an der Macht ist. (Reuters, dpa, red; 22.4.2024)