Musk hat gut lachen. Das, was der US-Unternehmer bis jetzt erreicht hat, würde wohl auch für mehrere Menschenleben reichen.
REUTERS/Aude Guerrucci

Elon Musk ist ein unglaublich vielseitiger und erfolgreicher Unternehmer. Was der Mann mit Space X und auch Tesla geschaffen hat, steht fast außer Konkurrenz. Seit sich einer der reichsten Männer der Welt allerdings vor zwei Jahren in die Idee verliebt hat, den Kurznachrichtendienst Twitter zu kaufen, ihn in X umzutaufen und inhaltlich seine Version von "Free Speech" zu propagieren, sackt der Wert seines jüngsten Projekts immer weiter ab.

Auch bei Tesla, im Gegensatz zu X börsennotiert, waren die Zahlen zuletzt unzufriedenstellend. Wohl auch deshalb melden sich immer wieder Investoren zu Wort, die sich vom Chef wieder mehr Fokus auf die E-Auto-Firma wünschen. Zu Recht, wie eine aktuelle Studie zeigt. Die Nachfrage und auch die Beliebtheit der Marke Tesla verlieren an Boden, und das kann sich auch ein Elon Musk nicht leisten.

Tesla verliert an Boden

Während in der medialen Berichterstattung über den US-Autobauer in den letzten Monaten vor allem der Cybertruck mit allen Stärken und Schwächen erwähnt wurde, freuten sich Tesla-Interessierte schon länger über starke Preisnachlässe bei diversen Modellen. Die Nachfrage beziehungsweise das Vertrauen in Tesla ging trotz dieser Preisreduktionen seit 2022 massiv zurück. Laut einer Umfrage der US-Beratungsfirma Caliber sank das Interesse an der Brand seit dem Start der Datenerhebung im November 2021 um die Hälfte. Das habe laut Caliber viel mit dem Firmenchef selbst zu tun. Die Reputation des Autoherstellers hänge nämlich sehr stark mit jener von Musk zusammen. Dieser hatte zuletzt eine eigene These zum schwindenden Interesse an seinen Autos: Die hohen Zinssätze seien dafür verantwortlich, dass die Nachfrage der potenziellen Käuferinnen und Käufer nach teuren Produkten wie Autos zurückgegangen sei, so der Unternehmer.

"Es ist sehr wahrscheinlich, dass Musk selbst zum Niedergang seines Rufs beiträgt", sagte Caliber-CEO Shahar Silbershatz gegenüber Reuters. Die Umfrage seines Unternehmens zeige, dass 83 Prozent der Amerikaner Musk mit Tesla in Verbindung bringen. Die politischen Kommentare von Musk auf X würden deshalb viel mehr schaden als helfen. Das bestätigen auch mehrere Autoverkäufer und Forschende im Bereich Auto-Marketing gegenüber Reuters. Tim Calkins von der Kellogg School of Management: "Es ist schon hart genug, erfolgreich zu verkaufen, ohne sich politisch zu äußern."

Der Druck aus China, allen voran durch BYD, mache es dem US-Hersteller zusätzlich schwer, am wachsenden E-Auto-Markt stark zu profitieren. In den USA wird für das erste Quartal 2024 ein E-Auto-Wachstum von 15 Prozent vorausgesagt. Tesla soll lediglich um drei Prozent zulegen, so die Analysten. Mehrere Bundesstaaten hätten zudem erstmals berichtet, dass die Anmeldungen von Teslas stark zurückgegangen seien – zum ersten Mal in drei Jahren. Kursziele wurden daraufhin von mehreren Analysten nach unten korrigiert, die Aktie büßte in diesem Jahr bereits rund 33 Prozent ein.

Tesla Beliebtheit
Das Vertrauen in die Marke ist angeschlagen, aber weniger wegen der gebauten Autos, sondern vielmehr durch das Verhalten ihres Besitzers.
Caliber/Reuters

Keine Einsicht

Schon oft wurde für das Schwächeln von Tesla der Chef höchstpersönlich verantwortlich gemacht. Zustimmende Kommentare zu antisemitischen Aussagen, das Anbiedern an die Republikaner und kontroverse Postings sorgten für viel Aufmerksamkeit, aber auch Verstimmungen etwa bei Tesla-Investoren. In einem Call mit genau diesen Investoren im Jänner 2023 wurde Musk gefragt, ob ihm bewusst sei, dass die politischen Kommentare der Marke und den Verkäufen von Tesla schaden könnten. Musk berief sich auf seine Strahlkraft und seine 127 Millionen Follower auf X, ohne die Frage wirklich zu beantworten. Auch er weiß, dass er polarisiert.

Eine Reuters exklusiv zur Verfügung gestellte Umfrage in den USA stellte fest, dass die Unbeliebtheitswerte von Musk seit der Übernahme von Twitter von 34 auf 42 Prozent gestiegen sind. Nur noch jeder Vierte ist neutral gegenüber Musk – die meisten haben sich eine Meinung zum extrovertierten Unternehmer gemacht, und das wirkt sich auch auf sämtliche Marken von Musk aus, die im Business-to-Consumer(B2C)-Bereich angesiedelt sind, also vom Interesse potenzieller Kundinnen und Kunden abhängig sind.

Das starke Rückgrat des Autobauers bleiben noch die Stammkunden, die mit der Mentalität "Einmal Tesla, immer Tesla" ausgestattet sind. 68 Prozent aller Tesla-Besitzer gaben in einer aktuellen US-Studie an, dass sie im letzten Jahr erneut einen Tesla gekauft hätten. Passend dazu wurden mehrere Besitzer befragt, warum sie zu dem Auto gegriffen hätten. Einer gab an, dass er mittlerweile "taub für den Blödsinn" rund um Musk geworden sei. Eine andere würde sich auch ein anderes E-Auto kaufen, jedoch sei die Infrastruktur in den USA bei Tesla einfach am besten.

Die Sache mit X

Die Plattform, wo Musk seine strittigen Aussagen tätigt, ist seit dieser Woche noch angeschlagener als in der Zeit davor. Für 44 Milliarden Dollar hatte Musk die Nachrichtenplattform Twitter im Jahr 2022 gekauft. Seitdem ist der Schätzwert der Plattform, die jetzt X heißt, um 73 Prozent gefallen. Das hat mehrere Gründe. Zunächst einmal haben sich zahlreiche große Anzeigenkunden aufgrund von Musks Aussagen zurückgezogen, obwohl der US-Unternehmer das immer wieder bestreitet. Tatsächlich liegt zwischen den erwarteten Werbeeinnahmen 2023, drei Milliarden Dollar, und den tatsächlichen, 2,5 Milliarden Dollar, ein rund 500 Millionen großes Minus.

Zudem kommt das Geld nicht mehr von Apple oder Disney, sondern von bekennenden Faschisten und Rassisten, wie das Center for Countering Digital Hate (CCDH) festgestellt hat. Die unabhängige Organisation beobachtete im vergangenen Jahr einen drastischen Anstieg von Hassbotschaften auf der Plattform. Außerdem konnte die NGO den Nachweis erbringen, dass mit Werbung, etwa auf dem Account des verurteilten Neonazis Andrew Anglin, Millionen verdient werden. Musk verklagte die NGO daraufhin, doch ein US-Gericht wies die Klage als Einschüchterungsversuch ab.

Die reduzierte Moderation auf der Plattform hat den Anstieg an Spam sowie die Verbreitung von Falschinformationen und Hassrede begünstigt. Viele Nutzerinnen und auch Werbekunden fühlen sich auf der Plattform nicht mehr wohl. Neue User müssen sich ab der ersten Minute mit der politischen Schlagseite der Plattform auseinandersetzen, wie ein Test des STANDARD kürzlich ergeben hat. Der Konflikt zwischen Musks Eintreten für die freie Meinungsäußerung und der Notwendigkeit einer verantwortungsvollen Moderation von Inhalten ist offensichtlich. Während er sich zur Wahrung der Grundsätze der freien Meinungsäußerung verpflichtet hat, hat Musk auch dem regionalen Einschränken von Inhalten zugestimmt.

Als ob das alles nicht genug wäre, veröffentlichte die "New York Times" Ende März Beweise, dass Musk der chinesischen Regierung sehr viele Zugeständnisse machen musste, um dort seine Gigafactory für Tesla bauen zu können. So liefen offenbar US-Wirtschaftsförderungen nach China, um das Werk dort errichten zu können. Auch lästigen Arbeitnehmerschutz muss Musk in China nicht befürchten: Nachdem im vergangenen Jahr ein Tesla-Arbeiter in der Fabrik Schanghai erdrückt wurde, verschwand plötzlich ein Bericht über potenzielle Sicherheitsmängel im Werk.

Schrecken ohne Ende

Elon Musk ist ein unglaublich vielseitiger und erfolgreicher Unternehmer. Seine Space-X-Projekte sorgen regelmäßig für atemberaubende Bilder, und auch die Revolution des Automarkts in Richtung E-Mobilität ist zu großen Teilen dem Mann zuzuschreiben, der offenbar nie schläft. Sein Ausflug in Richtung Nachrichtenplattform und deren Regulierungen darf allerdings als gescheitert angesehen werden. Der Kauf von Twitter war schon von Anfang an sehr holprig, und seitdem ist eigentlich alles schiefgegangen, was hätte schiefgehen können.

Vielleicht macht Musk irgendwann den Schritt zurück und lässt Politik einfach Politik sein. Ganz unpolitisch kann man als US-Unternehmer mit Niederlassungen auf der ganzen Welt nie sein, aber weniger emotional an Themen heranzugehen, die Definition von "Free Speech" noch einmal zu überdenken und sich dann wieder auf die eigene Kernkompetenz zu konzentrieren – das würde nicht nur den Aktienkursen der eigenen Unternehmen guttun, sondern wohl auch zukünftigen Projekten von Musk helfen. Ob das gerade im Superwahljahr stattfinden wird, darf jedoch bezweifelt werden. (Alexander Amon, 3.4.2024)