Die betagte Nasa-Raumsonde Voyager 1 steckte zuletzt in ernsten Schwierigkeiten. Seit sie im vergangenen November plötzlich begann, unsinnige Signale zu senden, arbeiten Technikerinnen und Techniker mit Hochdruck daran, die Systeme der Sonde wieder zum Laufen zu bringen; doch die Aussichten waren eher düster. Nun haben die Bemühungen offenbar doch Früchte getragen: Zum ersten Mal seit dem Auftreten der Störung hat Voyager 1 wieder etwas Verständliches von sich gegeben.

Es handelt sich um verwertbare Daten über den Zustand und die Funktion der technischen Systeme an Bord, wie das Jet Propulsion Laboratory der Nasa in Südkalifornien mitteilte. Ein wesentlicher Schritt ist damit geschafft. Als Nächstes soll die Sonde wieder in die Lage versetzt werden, ihre gesammelten wissenschaftlichen Daten zur Erde zu liefern.

Voyager 1 vor Sternen und Gaswolken
Kein menschengemachtes Objekt ist weiter gereist als Voyager 1. Die Sonde hat mittlerweile rund 25 Milliarden Kilometer zurückgelegt.
Illustr.: Nasa/JPL

In interstellaren Regionen

Voyager 1 und ihr Zwilling Voyager 2 sind die am weitesten gereisten Weltraumsonden der Menschheit. Seit rund 46 Jahren unterwegs, haben die beiden historischen Instrumententräger mittlerweile 25 (Voyager 1) beziehungsweise 20 Milliarden Kilometer (Voyager 2) im All zurückgelegt. Die beiden sind die einzigen Raumfahrzeuge, die den vom Sonnenwind beeinflussten Bereich des Sonnensystems verlassen haben und in den interstellaren Raum jenseits der Heliopause eingetreten sind.

Trotz schwindender Energiereserven und verständlicher Alterswehwehchen schickte Voyager 1 bis zum 14. November 2023 verlässlich ihre wissenschaftlichen Beobachtungen zur Erde. Doch dann kamen nur mehr 0-und-1-Folgen ohne Informationswert an. Bis zum vergangenen März konnte das Voyager-Team das Problem auf einen der drei Bordcomputer der Raumsonde eingrenzen. Das sogenannte Flight Data Subsystem (FDS) ist für die Zusammenstellung der wissenschaftlichen und technischen Daten verantwortlich, bevor diese zur Erde gesendet werden.

Umorganisierter Softwarecode

Das Team entdeckte schließlich, dass das Problem in einem einzelnen Chip steckt, der für die Speicherung eines Teils der FDS-Daten sowie des Softwarecodes für den FDS-Computer verantwortlich ist. Der Verlust dieses Codes machte die wissenschaftlichen und technischen Daten unbrauchbar. Da der Chip nicht repariert werden konnte, beschloss das Team, den betroffenen Code an anderer Stelle im FDS-Speicher zu platzieren. Doch kein einziger Speicherplatz ist groß genug, um den gesamten Codeabschnitt aufzunehmen.

Einige Stationen der Reisen von Voyager 1 und 2.
Grafik: Nasa/JPL

Solche Probleme verlangten nach hemdsärmeligen Softwarelösungen: Das Team entwickelte einen Plan, um den betroffenen Code in Abschnitte zu unterteilen und diese Fragmente an verschiedenen Stellen des Flugdatensystems abzulegen. Damit dieser Plan aufgehen kann, mussten diese Codeabschnitte in gewissen Bereichen auch angepasst werden, etwa um sicherzustellen, dass sie wiedervereint noch funktionieren. Alle Verweise auf den Ort dieses Codes in anderen Teilen des FDS-Speichers mussten ebenfalls aktualisiert werden.

So weit weg

Nach harter Codierarbeit gelang es schließlich am 18. April erstmals, Softwarecode, der für die "Verpackung" der technischen Daten des Raumfahrzeugs zuständig ist, an seinen neuen Platz im FDS-Speicher übertragen. Die uralte Technik und bisweilen fehlende Dokumentation ist bei einer solchen Aufgabe nicht die einzige Hürde. Auch der Entfernungsfaktor spielt eine erhebliche Rolle: Schickt man von der Erde aus Steuerungsbefehle an Voyager 1, dauert es 22,5 Stunden, bis sie dort ankommen. Das bedeutet, dass die Spezialistinnen und Spezialisten der Mission 45 Stunden warten müssen, um zu erfahren, ob eine Maßnahme zu einem gewünschten Ergebnis geführt hat.

Als am 20. April die mit Hochspannung erwartete Antwort von Voyager 1 eintraf, war klar, dass man sich auf dem richtigen Weg befindet: Offensichtlich hatten die Modifikation funktioniert und es der Raumsonde zum ersten Mal seit fünf Monaten wieder ermöglicht, sinnvolle Informationen über ihren Funktionszustand und Status heimzuschicken.

Voyager-Team freut sich über den Erfolg
Der ausgetüftelte Plan ist offenbar aufgegangen: Das Voyager-Team (einige Mitglieder sind selbst erfahrene Veteraninnen und Veteranen) am Jet Propulsion Laboratory der Nasa jubelte, nachdem die Voyager 1 zum ersten Mal seit fünf Monaten wieder verständliche Daten zur Erde geschickt hatte.
Foto: NASA/JPL-Caltech

Chance auf Gesundung

Noch ist Voyager 1 freilich nicht über den Berg. In den kommenden Wochen werden die Wissenschafterinnen und Wissenschafter die anderen betroffenen Teile der FDS-Software verlagern und entsprechend anpassen. Dazu zählen auch jene Bereiche, die die wissenschaftlichen Daten liefern werden. Sollte alles so verlaufen, wie man sich das erhofft, kann Voyager 1 vielleicht doch noch für eine Weile ihre Forschungsmission fortsetzen.

Doch lange wird es selbst im günstigsten Fall nicht mehr bis zum Ende der Mission dauern. Der begrenzte Energievorrat setzt den beiden Sonden ein unweigerliches Ablaufdatum. Die jeweils drei Radionuklidbatterien lieferten über Thermoelemente elektrische Energie für Jahrzehnte, doch nun sinkt die Leistung kontinuierlich ab, das radioaktive Material ist bald aufgebraucht. Selbst die Außerbetriebnahme von einzelnen Messinstrumenten und andere Tricks können die Weltraumsonden letztlich nicht vor dem Aus bewahren. Die Nasa rechnet damit, dass die beiden Veteraninnen spätestens ab Anfang der 2030er-Jahren verstummen werden. (Thomas Bergmayr, 23.4.2024)