Es wird ein großes Event. Am Samstag zelebriert die AfD im baden-württembergischen Donaueschingen ihren Wahlkampfauftakt für die EU-Wahl am 9. Juni. Von den Plakaten zur Ankündigung lächeln Spitzenkandidat Maximilian Krah sowie die beiden Parteichefs Alice Weidel und Tino Chrupalla – und zwar gemeinsam.

Die AfD-Chefs Tino Chrupalla und Alice Weidel versuchen die Angelegenheit wegzulächeln und Maximilian Krah (li.) wegzudrücken.
Die AfD-Chefs Tino Chrupalla und Alice Weidel versuchen die Angelegenheit wegzulächeln und Maximilian Krah (li.) wegzudrücken.
IMAGO/Frank Hoermann/SVEN SIMON

Doch vor Ort wird es doch nichts mit der großen Gemeinsamkeit, Krah kommt nicht nach Bayern. "Ich bin und bleibe Spitzenkandidat", sagte er zwar am Mittwoch in Berlin. Aber er räumte ein: "Der Wahlkampf wird jetzt durch diese Angelegenheit natürlich furchtbar überschattet." Daher sei er mit den AfD-Parteichefs übereingekommen, "dass ich am Samstag in Donaueschingen nicht dabei sein werde".

Krah stand, als er diese Sätze sagte, allein im kalten Wind vor dem Reichstag. Chrupalla und Weidel ließen sich nicht blicken. Die Parteiführung teilte bloß schriftlich mit, man habe mit Krah gemeinsam "die schwerwiegenden Spionagevorwürfe gegen seinen Mitarbeiter und die damit einhergehende Rufschädigung erörtert"; und dass Krah nicht kommen werde, "um den Wahlkampf sowie das Ansehen der Partei nicht zu belasten".

Video: Krah bleibt AfD-Spitzenkandidat für Europawahl.
AFP

Festnahme in Dresden

Krahs Mitarbeiter Jian G. war am Montag in Dresden festgenommen worden, am Mittwoch wurde ein Haftbefehl gegen ihn erlassen. Der Generalbundesanwalt wirft dem aus China stammenden Deutschen "geheimdienstliche Agententätigkeit in einem besonders schweren Fall" vor. Er soll Interna aus dem EU-Parlament an den chinesischen Geheimdienst weitergegeben und chinesische Oppositionelle ausspioniert haben. Das EU-Parlament hat ihn am Dienstag suspendiert.

Krah betonte auch am Mittwoch, er habe von den Aktivitäten seines Mitarbeiters nichts gewusst. "Es bleibt dabei, dass ich mir kein persönliches Fehlverhalten vorzuwerfen habe. Das ist sehr unangenehm, aber es ist nicht, dass ich es getan habe." Krah hat G. auch gekündigt.

Krahs Auftritt waren mehrere Krisengespräche mit Parteigranden vorangegangen, eines am Dienstagabend, eines am Mittwochvormittag. Dabei wurde ihm auch klargemacht, dass er sich grundsätzlich im Wahlkampf zurückhalten möge. Es solle weniger Auftritte geben, weniger Videos und auch keine große Plakatwelle.

Katja Mast, die parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, fordert von Krah und auch dem AfD-Bundestagsabgeordneten Petr Bystron eidesstattliche Erklärungen. "Ich fände es gut, wenn beide eine eidesstattliche Erklärung abgäben, dass sie mit den Vorwürfen nichts zu tun haben. Das machen sie nicht, und das spricht für sich."

Krah betont, er habe mit möglichen Verstrickungen seines Mitarbeiters nichts zu tun. Dennoch rückt sein freundliches Verhältnis zu China nun immer stärker in den Blick, etwa seine China-Reise im Jahr 2019. Damals zahlte der Netzwerkausrüster Huawei Flüge in der Businessclass und sechs Nächte in Luxushotels. Das hat Krah in einer Erklärung beim EU-Parlament angegeben.

"Gruselgeschichten" über Uiguren

Auf Facebook schrieb Krah nach der Reise: "Das Verteufeln von #Huawei hat geopolitische und ökonomische Gründe, Sicherheitsbedenken sind vorgeschoben. (...) Wie bei Energie mit North Stream 2 brauchen wir Huawei, um im 21. Jahrhundert souverän zu bleiben."

Auch bei Berichten über Internierung und Unterdrückung von Uiguren und Uigurinnen argumentiert Krah im Sinne Chinas. "Ich habe die Gruselgeschichten über Xinjiang immer für fragwürdig gehalten, Anti-#China-Propaganda ohne valide Fakten", schreibt der AfD-Spitzenkandidat auf X.

Laut dem Nachrichtenportal T-Online kam von Krah auch der Anstoß für ein deutsch-chinesisches Lobby-Netzwerk zur Anbahnung von Geschäften. Der Spiegel berichtet, Krahs nun verhafteter Mitarbeiter G. habe Nachwuchspolitikern der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative (JA) Reisen nach China angeboten, für Essen und Übernachtung sei dort gesorgt, sie müssten nur die Flüge bezahlen.

Ein "Vasall Chinas"

Der deutsche Grünen-Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer erklärte am Mittwoch im Deutschlandfunk, Krah sei der "lauteste Vasall Chinas" aus dem Lager der Rechten im EU-Parlament. Er meinte auch: "Tatsächlich kann ich mir nicht vorstellen, dass Krah unbekannt war, was sein Mitarbeiter treibt."

Krah und den von SPD-Politikerin Mast angesprochenen Petr Bystron, der auf Listenplatz zwei für die EU-Wahl steht, eint die prorussische Haltung. Sie stehen im Verdacht, Geld von einem prorussischen Netzwerk erhalten zu haben. Beide bestreiten dies. Krah wurde bei einer USA-Reise vom FBI dazu befragt.

Laut der tschechischen Tageszeitung Deník N, des ARD-Magazins Kontraste und der Zeit hat der tschechische Inlandsnachrichtendienst BIS Abgeordneten in Prag insgesamt vier Audioaufnahmen vorgespielt, die den Verdacht der Bezahlung durch ein Kreml-nahes Netzwerk erhärten. Die tschechischen Abgeordneten gehören dem für Geheimdienste zuständigen parlamentarischen Kontrollgremium an. Auf zwei Aufnahmen soll auch Bystron zu hören sein. Ein tschechischer Abgeordneter, der die Mitschnitte angehört hat, sagte: "Bystron raschelt auf der Aufnahme mit Geld und zählt es." (Birgit Baumann aus Berlin, 24.4.2024)