Eine Baustelle im Lichschatten. Zu sehen sind ein Kran und ein Bauarbeiter.
Die rasch gestiegenen Zinsen haben die Lage im Immobiliensektor deutlich verändert. Hinzu kommen gestiegene Löhne und teurer gewordenes Baumaterial. Bei Crowd-Finanzierungen gibt es erste Ausfälle.
APA/HARALD SCHNEIDER

Die Kette an unglücklichen Ereignissen, die die Immobilienbranche unter Druck gebracht hat, ist lang. Mit den Lieferkettenproblemen während der Pandemie sind die Materialkosten gestiegen. Hinzu kommen Inflation, gestiegene Löhne und vor allem die rasch angestiegenen Zinsen, die die Finanzlast der Immobilien-Entwickler deutlich erhöht hat. Die KIM-Verordnung, mit der die Vergabe von Krediten strenger geregelt wurde, hat auch dazu beigetragen, dass die Immo-Nachfrage gesunken ist, was die Lage für Entwickler und Bauherren zusätzlich verschärft hat.

Diese neue Realität schlägt auch bei Crowd-Investoren auf, die sich über Plattformen an der Finanzierung von Objekten beteiligt haben. Im Normalfall erhalten Anleger dafür Nachrangdarlehen und laufende Zinszahlungen auf ihr eingesetztes Kapital. Doch in diese Finanzierungsmöglichkeit kommt Sand ins Getriebe.

Immobiliengruppe insolvent

Ungemach droht etwa jenen Anlegern, die in Objekte der VMF-Gruppe investiert haben, die auf Immobilien-Invest-Plattformen wie Rendity oder Rocket ausgeschrieben waren. Bei Rendity scheinen zwei VMF-Objekte auf. Jenes in der Hawelgasse 17 im 18. Wiener Bezirk (Finanzierungsziel 1,2 Mio. Euro) und in der Brünner Straße 185 (Finanzierungsziel 1,0 Mio. Euro). Jeweils 8,25 Prozent Zinsen wurde Anlegern in Aussicht gestellt. Erworben werden konnten Nachrangdarlehen. Beide Objekte sind markiert mit "erfolgreich finanziert".

Doch sowohl über die VMF Vermögensverwaltung GmbH als auch die VMF-Immobilien GmbH und die VMF-Liegenschaft-Besitz GmbH wurde im April am Handelsgericht Wien ein Insolvenzverfahren eröffnet. "Die VMF Vermögensverwaltung GmbH kann ihren laufenden Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen. Vom zuständigen Handelsgericht Wien wurde ein Sanierungsverfahren eröffnet", heißt es etwa in der Mitteilung vom Alpenländischen Kreditorenverband.

Rendity hat betroffene Anleger bereits über die aktuelle Lage informiert und betont, dass man in den "letzten Jahren stets einen regelmäßigen und guten Austausch mit der Geschäftsleitung der VMF Gruppe" hatte. Die Zusammenarbeit sei bisher immer eine gute gewesen, so konnten "in der Vergangenheit auch bereits über sechs Millionen Euro an qualifizierten Nachrangdarlehen zurückgeführt werden". Doch diese Situation habe sich in den vergangenen Monaten geändert. Rendity habe "keinerlei Antworten bzw. Updates mehr erhalten", obwohl "wir intensiv auf einen ausführlichen Bericht über den aktuellen Status des Projekts von der Emittentin gedrängt haben". Mehrmals täglich habe man auf allen bekannten Telefonnummern angerufen, E-Mails verschickt und auch "dem Firmensitz sowie den Projektliegenschaften persönlich einen Besuch abgestattet. Eine Kontaktaufnahme mit der Geschäftsführung ist uns jedoch leider nicht gelungen", heißt es in der Rendity-Info an die Anleger, die dem STANDARD vorliegt. Letztlich wurde Rendity an die Anwälte der VMF-Gruppe verwiesen.

Schlechte Karten für Anleger

Im Gespräch mit dem STANDARD heißt es aus der Rendity-Geschäftsführung, dass man über die Probleme bei VMF selbst erst aus den KSV-Meldungen erfahren habe. Betroffene Anleger werden über die Rendity-Homepage laufend informiert, heißt es. Offen sei aktuell, wie der Fall weitergehe. Eine erste Gläubigerversammlung ist für den 2. Mai angesetzt, die Anmeldefrist für Forderungen läuft bis 14. Mai. Denkbar ist, dass im Zuge des Insolvenzverfahrens die offenen Objekte verkauft werden, damit Forderungen der Gläubiger gedeckt werden können.

Die Chancen für Crowd-Anleger stehen dennoch schlecht. Sie haben im Zuge ihres Investments Nachrangdarlehen erworben. Wie der Name schon sagt, werden diese Papiere nachrangig behandelt, also erst wenn alle anderen Gläubiger bedient worden sind. Allein mit den beiden genannten Objekten stehen 2,2 Millionen Euro Anlegergelder im Feuer. Tausende Inhaber dieser Papiere sind betroffen. Bei Rockets finden sich noch mehrere Objekte der VMF-Gesellschaften online. Der Gesamtschaden lässt sich wohl noch gar nicht beziffern.

Möglicher Betrugsfall?

Die ganze Causa könnte aber eine weitreichendere Dimension haben. Denn Rendity teilte seinen Anlegern auch mit, "von unterschiedlichen Quellen darüber informiert" worden zu sein, "dass derzeit nicht ausgeschlossen werden kann, dass Kapitalgeber der VMF-Gruppe, darunter auch fremdfinanzierende Banken, von einem Betrugsfall betroffen sind, wobei dies bereits an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft weitergeleitet wurde".

Wenig Rechte

Die Finanzmarktaufsicht FMA sieht die Ausgabe der Nachrangdarlehen höchst kritisch. Diese beraubten Anleger mehr oder minder all ihrer Rechte. Auch beim Crowd-Investing warnt die Aufsicht. Denn in Österreich können Crowd-Anbieter nach dem Alternativfinanzierungsgesetz ihr Geschäft anbieten. Dieses Geschäft unterliegt aber nicht der Aufsicht. Daher kann die FMA im Fall Anbieter auch nicht prüfen oder vor ihnen warnen. Crowd-Anbieter können sich aber auch nach der europäischen Verordnung zertifizieren. Die Verordnung über Europäische Crowdfunding-Dienstleister gilt seit 10. November 2021 und schafft einen harmonisierten Regulierungsrahmen für die gesamte EU. Diese Anbieter stehen unter der Aufsicht der FMA. (Bettina Pfluger, 26.4.2024)