Die Sozialhilfe wird von überdurchschnittlich vielen anerkannten Flüchtlingen in Anspruch genommen. Das regt zurzeit zum wiederholten Mal auf. Dieses Angewiesensein auf das unterste soziale Absicherungsnetz im Land hat jedoch viel mit der gesetzlich vorgeschriebenen Untätigkeit während des Asylverfahrens zu tun. Für Asylwerbende, die sich in der Grundversorgung befinden, gibt es keine vorgeschriebenen Deutsch- und Integrationskurse – und de facto keinen Zugang zum Arbeitsmarkt. Das schlägt hier im Ergebnis negativ zu Buche.

Eingang zum Erstaufnahmezentrum in Traiskirchen
Eingang zum Lager in Traiskirchen: Der erste Weg führt Asylwerbende in ein Erstaufnahmezentrum und damit in Bundes-Grundversorgung.
Foto: Heribert Corn

Um die unbefriediegende Situation zu beenden, schlagen die in der Grundversorgung tätigen Organisationen der Bundesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrt (Bag), also Caritas, Diakonie, Volkshilfe und Rotes Kreuz, Integrationsmaßnahmen für Schutzsuchende ab dem ersten Tag in Österreich vor.

Training, um im Team Österreich zu bestehen

Grundversorgung ist ein Hilfssystem für mittellose Fremde und damit großteils Asylwerberinnen und -werber. Mindestsicherung soll die in Österreich lebenden Menschen vor Armut bewahren, schafft das aber zurzeit nicht gut. Um die Notwendigkeit von Integrationsschritten während laufender Asylverfahren zu unterstreichen, bemühte Rotkreuz-Bundesrettungskommandant Gerry Foitik bei einer Pressekonferenz am Montag einen sportlichen Vergleich.

"Jeder Mensch, der nach Österreich kommt, bringt Fähigkeiten und Talente mit, von denen die gesamte Gesellschaft profitieren kann. Um im gesellschaftlichen Teamgefüge mitspielen zu können, braucht es das notwendige Training", sagte Foitik. Konkret brauche es in der Grundversorgung ausreichende Zugänge zu Deutschkursen, eine frühe Perspektivenabklärung und jährliche Indexanpassungen bei Tagsätzen und anderen Ausgaben.

Grundversorgung wurde zweckentfremdet

Insgesamt haben die in der Bag zusammengefassten Hilfsorganisationen sechs Lösungsansätze für eine Grundversorgungsreform erarbeitet. Dringend erforderlich seien auch ausreichende Unterbringungskapazitäten in geeigneten Unterkünften, ein geregelter Übernahmeprozess zwischen Bund und Ländern, bundesweit einheitliche Betreuungs- und Beratungsstandards, kostendeckende Finanzierung einer menschenwürdigen Unterbringung und Betreuung sowie leistbare Mobilität.

Die Grundversorgung wurde 2004 zur Unterbringung von Asylsuchenden ins Leben gerufen. Im heurigen April seien jedoch nur 17.250 der 74.740 grundversorgten Personen in einem Asylverfahren, sagte die derzeitige Bag-Vorsitzende, Caritas-Generalsekretärin Anna Parr. "Es kann definitiv nicht das Ziel der Grundversorgung sein, Menschen mit Schutzstatus und Arbeitsmarktzugang – wie beispielsweise ukrainische Vertriebene – langfristig unterzubringen", sagte sie.

Quartiere müssen geeignet sein

Tatsächlich befinden sich auch mehrere Zehntausend Ukraine-Vertriebene sowie tausende subsidiär schutzberechtigte Personen in dem Auffangnetz für mittellose Fremde. Sie haben zwar Arbeitsmarktzugang, aber keinen Anspruch auf Mindestsicherung, mit Ausnahme von subsidiär Schutzberechtigten in Wien und Tirol. Eine Jobaufnahme ist für die meisten von ihnen daher ein Sprung ins kalte Wasser.

Entscheidend ist laut Bag daher, dass es genug Grundversorgungsplätze gibt und dass es sich dabei um menschenwürdige und geeignete Quartiere handelt. "Insbesondere die Bedürfnisse von vulnerablen Personen müssen endlich berücksichtigt werden", sagte Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser. Aktuell würden etwa unbegleitete Kinder und Jugendliche in Großquartieren des Bundes untergebracht – und dort oft über Monate bleiben, obwohl sie in ein geeignetes Quartier in einem Bundesland weitergebracht werden sollten.

Remuneranten-Papa statt staatlicher Obsorge

Im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen etwa, so Moser, komme es immer wieder vor, dass einem zwölfjährigen Kind stattdessen stundenweise ein sogenannter Remuneranten-Papa zur Seite gestellt werde, der selbst geflüchtet und in Traiskirchen untergebracht ist. Moser: "Dieser 'Papa' bekommt dafür ein paar zerquetsche Euro. Es gibt keine obsorgeberechtigte Person, die sich um das Wohl des Kindes kümmert. Das ist unhaltbar und verletzt das in der Bundesverfassung und in der Kinderrechtekonvention festgelegte Recht auf die vorrangige Beachtung des Kindeswohls."

Notwendig sei Obsorge ab dem ersten Tag: eine Forderung, die Hilfsorganisationen und Fachleute bereits sei Jahren an die Politik richten, bis dato ohne konkreten Erfolg. (bri, 29.4.2024)