Frage: Kann das Europäische Parlament einzelne Kommissare ablehnen?

Antwort:
Streng genommen nein. Der EU-Vertrag von Lissabon sieht nur vor, dass das Plenum über die gesamte Kommission abstimmt. Es könnte beim Votum (geplant für 26. Jänner) also nur die gesamte EU-Kommission ablehnen oder diese bestätigen. Anders ist es beim Kommissionspräsidenten. Er wird einzeln gewählt, braucht die Mehrheit aller Abgeordneten. Die Mehrheit der abgegebenen Stimmen reicht nicht mehr.

Frage: Welchen Sinn haben denn dann die Anhörungen?

Antwort: Sie entscheiden dennoch, ob ein Kandidat besteht oder durchfällt, bzw. sind extrem wichtig für das künftige Standing der Kommissare. Denn die Fachausschüsse verfassen nach dem Hearing ihre Berichte, in denen sie die Kandidaten beurteilen und dem Kommissionspräsidenten anzeigen, ob es gravierende Einwände gibt. Der Präsident muss dann entscheiden, ob er den Kandidaten aufrechterhält und eine Niederlage bei der Abstimmung riskiert, oder ob er von der Regierung seines Mitgliedslandes einen Ersatzkandidaten anfordert.

Frage: Ist schon einmal ein Kandidat durchgefallen?

Antwort: Ja, 2004 etwa wurde der Italiener Rocco Buttiglione, ein streng gläubiger Katholik, im Kreuzverhör zur Homo-Ehe befragt. Er sprach sich klar dagegen aus und zog seine Bewerbung freiwillig zurück. An seiner Stelle kam Franco Frattini.

Frage: Kann ein bereits gewählter Kommissar bei Verfehlungen wieder abgewählt werden?

Antwort: Nein. Aber die EU-Abgeordneten können den Präsidenten diesbezüglich unter Druck setzen. Der Kommissionspräsident ist vom EU-Vertrag, von der Geschäftsordnung und vom Ehrenkodex der Kommissare her mit einer außerordentlichen Machtfülle ausgestattet. Er kann einem Kommissar jederzeit das Vertrauen entziehen, kann ihm Zuständigkeiten wegnehmen, ihn zum Abgang zwingen. Aber ein Misstrauensvotum gegen einen einzelnen „Minister", wie auf nationalen Ebenen üblich, gibt es auf EU-Ebene nicht. Die Kommission arbeitet als Kollegialorgan, so wie sie alle Entscheidungen mit Mehrheit trifft. Einmal gewählt, kann auch nur die gesamte Kommission vom Parlament zu Fall gebracht werden, was noch nie passiert ist. 1999 trat die Santer-Kommission von sich aus zurück, um einer Abwahl zuvorzukommen.

Frage: Wie verläuft eine Anhörung?

Antwort: In der Regel mehrstufig, streng, öffentlich, vor allem transparent, ganz anders als Ministerbestellungen in Österreich. In den vergangenen Wochen mussten die Kandidaten einen Fragenkatalog der EU-Abgeordneten schriftlich beantworten. Dazu gehört die Offenlegung der Vermögensverhältnisse, der bisherigen beruflichen Tätigkeiten. Die zweite Stufe ist die Anhörung im zuständigen Fachausschuss. Sie dauert in der Regel drei Stunden, wobei die Fragezeit zwischen den Fraktionen genau aufgeteilt wird. (tom/DER STANDARD Printausgabe, 11.1.2010))