"Somehow this don't feel like home anymore" : Country-Musiker Bad Blake (Jeff Bridges) beim Komponieren in "Crazy Heart".

Foto: ABC-Film

Mit feiner Zurückhaltung entwirft er das Porträt eines Mannes, der sich zu lange gehen ließ.

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Wien – Ziemlich schnell kann man erkennen, dass dieser Mann seine eingeübten Gewohnheiten hat. Zum Beispiel öffnet er hinterm Steuer seines alten Karren gerne Gürtel und Knopf seiner Hose – ein Anblick, der kurz irritiert, wenn er wieder aussteigt, und der im Film als Gag gleich mehrmals eingesetzt wird. Mit dem verschlurften Äußeren und dieser Müdigkeit in der Gestik strahlt Bad Blake aber immer noch etwas Überlegenes aus. Coolness ist eben eine Frage der Haltung.

Dennoch hat der Country-Sänger fraglos bessere Zeiten hinter sich, viel bessere. Auf den Bühnen in den schäbigen Bars und Bowlinghallen von New Mexico behält er eigentlich nur durch die Treue seiner eisernsten Fans einen Rest von Würde. Am Anfang von Crazy Heart verspielt Bad Blake noch diesen: Während eines Konzerts verschwindet er im Hinterausgang, um sich zu übergeben und fischt seine Sonnenbrille hernach aus dem Erbrochenen heraus.

Scott Cooper, selbst Schauspieler, erzählt in seinem ersten Spielfilm (nach Thomas Cobbs Roman) eine All-American-Story von einem Mann, der tief sinkt, dann aber einsieht, dass er etwas ändern muss. Das ist die Grundmelodie, die leicht falsch klingen könnte, würde hier nicht mit Zurückhaltung, Detailliebe und einer feinen Dosis Humor gearbeitet. Keine Kleinigkeit, die Cooper da gelingt: Er begnügt sich nicht mit Sympathie für den abgehalfterten Helden, sondern will ihn in seiner Erschöpfung und Verlorenheit auch ernst nehmen.

Spätestens an dieser Stelle kommt natürlich Jeff Bridges ins Spiel, der für diese Rolle endlich einen Oscar erhielt. Ein Part, der dem zurückgezogen lebenden US-Star am Herzen lag – den er aber erst annahm, als er erfuhr, dass Musiker wie T-Bone Burnett und Stephen Bruton mitbeteiligt sind. Bridges war immer schon ein Minimalist: Er eignet sich nichts übertrieben an, sondern lässt seine Figuren eine Leere, in der jede Schwingung umso deutlicher zum Vorschein tritt.

In Crazy Heart ist es die Begegnung mit der Journalistin Jean (Maggie Gyllenhaal), die den Auslöser gibt. Bad Blake betrachtet sich beim Interview mit ihr seit langem wieder einmal selbst – er will ihr gefallen und entdeckt im selben Moment, dass er sich ein wenig zu sehr gehen ließ. Und dass er sich für das Motelzimmer, in dem sie sitzen, geniert.

Cooper inszeniert solche Szenen mit sicherem Gefühl für das Timing. Es gibt Blicke, Gesten und Sätze in diesem Film, die andauern und nachhallen. Wie in den Songs, die oft ähnliche Bilder und Erfahrungen zum Inhalt haben, kommt es in Crazy Heart auf die Betonung, die entsprechende Phrasierung an – so lässt sich auch das ein oder andere Klischee des Drehbuchs, die Kontaktsuche mit dem verlorenen Sohn, als archetypisches Thema verstehen, das zu dieser Welt einfach dazugehört.

Es finden sich aber auch überraschende Momente, die wie nebenbei erhascht wirken. Robert Duvall, auch einer der Ko-Produzenten, hat als Freund von Bad Blake ein paar großartig lapidare Szenen. Die Präferenz für eine persönliche Art der Countrymusik wird an der Figur von Tommy (Colin Farrell) deutlich, Bads musikalischen Ziehsohn. Er ist mittlerweile ein großer Star.

Die beiden werden zwar ein Duett singen, bleiben aber dennoch Proponenten musikalisch konträrer Welten. Auch dafür gibt es ein treffendes Bild: Vor den großen Hallen, in denen Tommy spielt, parkt dessen Truck-Flotte – daneben ein rostigroter Karren, den ein Mann mit locker sitzender Hose fährt. (Dominik Kamalzadeh/DER STANDARD, Printausgabe, 30. 6. 2010)