Ein aktueller Mockup des Default-Desktops von GNOME3, die Änderungen sind hier zunächst mal vor allem am Panel zu erkennen.

Grafik: Jakub Steiner / Red Hat

Wird die Activities-Ansicht aktiviert, werden die geöffneten Fenster, Workspaces und die zentralen Anwendungen übersichtlich präsentiert.

Grafik: Jakub Steiner / Red Hat

Eine vollständig neue User Experience soll die kommende Veröffentlichung von GNOME 3.0 auszeichnen, ein Umbau für den vor allem eine Entwicklung verantwortlich zeichnet: Die GNOME Shell. Vor rund eineinhalb Jahren auf einem Hackfest im Rahmen des Boston GNOME Summit ersonnen, sollen damit zentrale Aufgaben des Desktop-Alltags erleichtert werden, vom Anwendungsstart bis zum Workspace-Management.

Zentral

Eine Rolle mit der man natürlich auch Verantwortung trägt, eine zu frühe Auslieferung könnte schnell ein schlechtes Licht auf den gesamten Desktop werfen, so die Überzeugung innerhalb des Projekts. Also haben sich die zuständigen EntwicklerInnen gegenüber dem GNOME Release Team für eine Verschiebung von GNOME 3.0 um weitere sechs Monate ausgesprochen - ein Wunsch dem die Softwaresammlung mittlerweile nachgekommen ist. Als Begründung hieß es nur recht kurz, dass man der eigenen Software noch etwas weiteren "Feinschliff" zukommen lassen wolle, am Rande der aktuell in Den Haag stattfindenden GNOME-Konferenz GUADEC präzisiert Chefentwickler Owen Taylor nun die anstehenden Pläne gegenüber dem WebStandard - und spricht dabei auch über längerfristige Vorhaben.

Redesign

So wird die GNOME Shell schon bald einer optischen Generalüberholung unterzogen, eine Möglichkeit die sich dadurch aufgetan habe, dass mit Jakub Steiner der wohl profilierteste Designer im GNOME-Umfeld kürzlich von Novell zu Red Hat gewechselt ist, wie Taylor offen bekennt. Die grundlegenden Prinzipien - wie die Präsentation von Workspaces und Anwendungen im Activities-Overview - sollen dabei unangetastet bleiben, hier sei in der Vergangenheit bereits einiges an hervorragender Arbeit geleistet worden, wie Steiner bei einer Präsentation seiner Arbeit selbst betont. In der konkreten optischen Umsetzung fallen dann aber schnell Unterschiede auf, so zeigen die aktuellen Mockups etwa eine Abkehr von der Schwarz-Dominanz der bisherigen Entwürfe.

Nix Zoom

Außerdem entfällt der Herauszoom-Effekt beim Aufrufen des Overviews, womit einiges an optischer "Unruhe" beseitigt wird, auf die Darstellung von Fensterrahme verzichtet man in der Übersicht ebenso. Die Anwendungsauswahl wird weiter umgestaltet, so sollen hier zwar von Haus aus alle verfügbaren Programme bloß alphabetisch geordnet gereiht werden, wer will kann aber auch die bekannten Kategorien als Filter verwenden.

Für eine wirklich konsistente User Experience gebe es denn noch einiges zu tun, wie Taylor herausstreicht, so sollen etwa all die zentralen System-Dialoge - wie der Login-Screen oder die Anzeige eines gesperrte Bildschirms - im GNOME Shell-Design neu gestaltet werden. Selbiges gilt auch für alle Dropdown-Menüs der im Panel angesammelten Elemente, hierfür gebe es aber bereits einige Patches, die nur mehr dem obligatorischen Code-Review unterzogen werden müssen.

Reduktion

Dass diese Arbeit nicht zu umfangreich wird, dafür sorgt alleine schon ein anderer Design-Grundgedanke der GNOME Shell: Der Bereich rechts oben soll künftig ausschließlich zur System-Status-Anzeige genutzt werden dürfen, also etwa für die Wahl der Netzwerkverbindung oder den Akku-Ladestand. Alles andere wandert in den Messaging-Bereich am unteren Bildschirmbereich, der erste beim Bewegen des Mauszeigers in diese Richtung dargestellt wird.

Ein Konzept mit dem man den bisherigen Wildwuchs im Panel in den Griff bekommen will, der aber auch für manch bestehende Anwendung Probleme bedeuten könnte. Ein Extremfall ist dabei sicher das Desktop-Wiki Tomboy, das bislang im Benachrichtigungsbereich die einzelnen Notizen zugänglich macht. Dass eine Verschiebung in die Messaging Area hier ein kaum benutzbares Ergebnis abliefern würde, gesteht auch Taylor offen ein. Für solche Fälle müsse man aber ohnehin vollständig neue Ansätze finden, im konkreten Fall diskutiere man dies bereits mit dem zuständigen Entwickler. Eine der Ideen dabei ist, die Notizen über das Anwendungs-Icon in der Activities-Übersicht zugänglich zu machen. Wichtig sei aber auch die Verschränkung der Suchfunktionen, so dass einzelne Tomboy-Notizen direkt über die Shell gesucht und aufgerufen werden können.

Neben zahlreichen kleineren Umbauten am neuen Benachrichtigungssystem der GNOME Shell stehen auch Verbesserungen am Fenstermanagement auf der Liste jener Arbeiten, die in näherer Zukunft fertig gestellt werden sollen. So plant man etwa eine automatisch Anordnung von Fenstern, wie sie von Windows 7 her bekannt ist.

Noch unklar ist hingegen die Integration zweier immer wieder ins Spiel gebrachter Technologien: Der Desktop-Suche Tracker und des Aktivitäts-Frameworks Zeitgeist. Zwar sei man prinzipiell an beiden interessiert, wie Taylor betont, wann man sich dieser Arbeit widmen kann, hänge aber nicht zuletzt von den Entwicklungsresourcen ab. Eine Überarbeitung des Bereichs File Management sei für die Zukunft aber sicher eine wichtige Herausforderung, die bedeutsamere Komponente sei hier aus seiner Sicht Tracker, könne man darüber doch jede Menge Metadaten zu einer Datei erfahren, was bei der Darstellung wirklich relevanter Kontext-Informationen essentiell sei.

Erweiterungen

Etwas langfristiger ausgelegt ist auch eine andere Idee: Taylor würde der GNOME Shell gern ein vollständiges Erweiterungssystem verpassen, über das sich die Funktionalität der Software leicht ausbauen lassen soll. Als Vorbild nennt er hier den Firefox, entsprechende GNOME-Shell-Erweiterungen sollten dann über eine eigene Web-Plattform zum Download gestellt werden. Auf diese Weise könnten die NutzerInnen dann leicht mit neuen Ansätzen experimentieren, ohne gleich den gesamten Window Manager austauschen zu müssen - wie es momentan meist der Fall sei.

Performance

Eine wichtige Rolle in der GNOME-Shell-Entwicklung will man in den nächsten Monaten auch der Performance-Optimierung zukommen lassen. "Es gibt eigentlich keinen Grund, warum die GNOME Shell auf irgendeinem System langsamer laufen sollte als Compiz, gesteht Taylor indirekt aktuelle Defizite ein. Um hier weiter nachzuforschen will man entsprechende Tests in die Software einbauen, mit der die NutzerInnen dann die Geschwindigkeit ihres Desktops überprüfen und mit ähnlichen Systemen vergleichen können sollen. Bewusst ist man sich aber auch, dass es kurzfristig kaum möglich sein wird, dass die GNOME Shell auf allen verfügbare Systemen zu hundert Prozent optimal läuft. Das ergibt sich alleine schon aus dem Umstand, dass die Software funktionierende 3D-Beschleunigung voraussetzt, was etwa in virtuellen Machinen noch nicht ausreichend gewährleistet ist.

Fedora 14

Als Red-Hat-Entwickler ist Taylor natürlich auch um eine optimale Integration der eigenen Software in Fedora bemüht, für die kommende Release will man hier nun einen Schritt weitergehen. So soll die GNOME Shell in Fedora 14 von Haus aus mitgeliefert werden, eine nachträgliche Installation ist also nicht mehr vonnöten. Als Default-Interface soll das Ganze zwar noch nicht zum Tragen kommen - laut Taylor wäre dies aber ohnehin selbst bei einer Veröffentlichung von GNOME 3.0 im Herbst der Fall gewesen - eventuell soll aber auf die GNOME-Shell-Option beim ersten Login hingewiesen werden.

GTK+3

Ein nicht uninteressantes Implementationsdetail ist der Umstand, dass die aktuellen Entwicklungsversionen der GNOME Shell bereits auf GTK+3 basieren, die nächste stabile GNOME-Version - 2.32 - hingegen noch einmal GTK+2 nutzen soll. Taylor sieht auch keine Veranlassung diese Entscheidung zu ändern, ganz im Gegenteil: Die kommende Generation des Toolkits sei bereits in einem sehr guten Zustand, insofern sei es sinnvoller hier die eigenen Kräfte zu investieren. Klar bedeute dies, dass man eine Zeitlang GTK+2 und GTK+3 parallel installieren müsse - weil kaum davon auszugehen ist, dass alle Programme des GNOME-Ökosystems umgehend auf die neue Generation umsteigen - aber damit sei die Situation auch nicht anders als beim Wechsel von GTK+1.2 zu GTK+2. Und der reale Mehrverbrauch sei kaum bemerkbar, erlaubt sich Taylor einen kleinen Seitenhieb auf Canonical, der Ubuntu-Hersteller hatte verkündet für die kommende Ausgabe der eignen Distribution aus Platzgründen auf GTK+3 im Default-Install zu verzichten. (Andreas Proschofsky, derStandard.at, 29.07.10)