Sonnenfinsternis-Beobachter am Wiener Flakturm im Esterhazypark

Foto: STANDARD/Fischer

Dass der Mond nur ein Hörndl von der Sonne übrig lässt, kommt sehr selten vor

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Wien - Draußen stehen dick eingepackte Menschen mit seltsamen Brillen auf der Nase, drinnen verteilen Haus-des-Meeres-Mitarbeiter Extrawurstsemmerln und Becher mit heißem Tee. Im obersten Stockwerk des Flakturms im Esterhazypark ist es um diese Tageszeit normalerweise noch ziemlich ruhig.

Verschlafen am Turm

Doch wenn der Mond die Sonne verdeckt, kann es dort auch in aller Herrgottsfrühe ganz schön eng werden. Am Dienstag hat der Wiener Astronom Hermann Mucke zum kollektiven Sonnenfinsternis-Schauen auf die Aussichtsplattform des Kriegsrelikts geladen. Seit 7.30 Uhr war der Experte, der schon Ende der 50er den Flakturm als Sternwarte genutzt hat, zur Stelle - und hält die nach und nach eintrudelnden, teils noch recht verschlafen dreinschauenden Besucher über die aktuellen Geschehnisse am Himmel auf dem Laufenden.

"Dass der Mond nur ein Hörndl übrig lässt, dessen Spitzen nach oben zeigen, kommt sehr selten vor", erklärt der Chef des Astronomischen Büros, der einige Jahre das Planetarium im Prater leitete. Wer besagtes Hörndl aus der Nähe betrachten will, darf auch gern durch Muckes Teleskop schauen. "Sehen Sie? Ist das nicht schön?" Der Großteil der Besucher scheint vom astronomischen Phänomen aber auch ohne Muckes Zutun ähnlich angetan wie der Experte selbst.

Bett in Flammen

"Es gibt nicht viel, was mich um diese Zeit aus dem Bett holt", sagt etwa eine junge Frau mit grauer Wollhaube, "entweder steht mein Bett in Flammen, oder es gibt eine Sonnenfinsternis." Hobbymäßig interessiere sie sich von jeher für Sterne. Die Schutzbrille, durch die die Systemadministratorin die partiell verdeckte Sonne nicht aus den Augen lässt, war dabei eine Leihgabe von Muckes Ehefrau Ruth. "Die Brille vom letzten Mal habe ich leider nicht mehr gefunden." Zuletzt war 1999 in Österreich eine Sonnenfinsternis zu beobachten. Da verdeckte der Mond die Sonne vollständig - jedenfalls in Teilen des Landes.

Mucke ist damals mit einer Runde von Hobby-Sternschauern eigens ins Burgenland gefahren. "Ich war sehr traurig, dass ich nicht mitfahren konnte", sagt eine Besucherin mit Pelzmantel. "Diesmal ist es sich aber zum Glück ausgegangen - früh aufstehen tu ich ja sowieso."

Nostalgie

Früh aufgestanden ist auch Peter Locatin. Ende der Fünfziger einer der ersten Mitarbeiter von Mucke, wurde er später Mediziner. Aus nostalgischen Gründen, sagt er, habe er sich wieder ein Fernrohr gekauft. Und während Locatin draußen sein Teleskop auf die Sonne richtet, demonstriert drinnen Mucke mittels selbstgestrickten, schon vor langer Zeit aus der Mode geratenen DOS-Programms dem interessierten Publikum, wie die Sonnenfinsternis von unterschiedlichen Breitengraden aus aussieht - um dann zu einem äußerst ausführlichen Bericht zur Geschichte der Astronomie anzusetzen. Draußen wird derweil munter weiter in die Sonne geschaut - bis kurz vor 11 Uhr der Mond verschwindet.

Das nächste kollektive Sonnenfinsternis-Schauen ist in Österreich erst in fünf Jahren wieder möglich. Dann gibt es die nächste partielle Verdunkelung, eine vollständige ist 2081 zu sehen. (Martina Stemmer, DER STANDARD Printausgabe, 5.1.2010)