Innsbruck – Gegen die drohende Abschiebung des 20-jährigen Gambiers Lamin J. erhob auch ein prominenter Tiroler Protest: der ehemalige EU-Agrarkommisar und ÖVP-Parteikollege der Innenministerin, Franz Fischler.

"Ganz große Bitte"

Fischler wendet sich in einem mit 13. 5. datierten Brief, der derStandard.at vorliegt, an Ministerin Johanna Mikl-Leitner mit folgenden Worten: "Ich wende mich heute mit einer ganz großen Bitte an Dich." Lamin J. sei "ausgezeichnet integriert", "trotzdem soll er abgeschoben werden, was ich nicht nachvollziehen kann. (...) Die letzte Beurteilung seiner Integration erfolgte 2007, seither hat sich Wesentliches verändert."

"Ich bitte dich, es zu ermöglichen, dass sie Erstbehörde den Sachverhalt erneut prüfen kann", schreibt Fischler weiter, und er vermutet, "dass es für das Innenministerium positiv sein könnte, in dieser Sache Druck herauszunehmen".

Die Polizei in Hall in Tirol hat Lamin J. am Freitag jenen festgenommen. Vor einigen Wochen war J.s Abschiebung von protestierenden AktivistInnen verhindert worden. Lamin J. meldete sich am Freitag wie üblich um acht Uhr morgens bei der Polizei in Hall in Tirol, wurde aber diesmal festgehalten und in Polizeihaft gebracht. Er soll noch heute nach Wien überstellt und laut seinen Betreuern Samstag früh abgeschoben werden.

Kirchenasyl

Lamin J. war Anfang Mai von der evangelischen Kirche Asyl gewährt worden (derStandard.at berichtete).

Das Innenministerium will sich zu dem Fall nicht äußern. In Einzelfällen werde keine Auskunft gegeben, ließ Sprecher Harald Noschiel ausrichten. Innenministerin Maria Mikl-Leitner habe den Fall auf die Frage hin geprüft, ob sich der Gambier rechtens im Land befinde – mit folgendem Fazit: "Er ist es nicht, deshalb sind diese Maßnahmen zu setzen, das ist vom Gesetz so vorgesehen".

Laut den Tiroler Grünen seien die RechtsberaterInnen J.s "bewusst falsch informiert" worden: Der nun vorliegende negative Bescheid zum humanitären Aufenthalt sei mit 19. Mai datiert, in telefonischen Auskünften habe es aber bis zuletzt geheißen, eine Entscheidung sei noch nicht getroffen worden.

"Entscheidung akzeptieren"

Der Leiter des Referates "Fremdenwesen" in der Bezirkshauptmannschaft, Klaus Lamplmayr, verwies auf den negativen Ausgang des Berufungsverfahrens. Der 20-Jährige halte sich damit illegal in Österreich auf, die Entscheidung sei "zu akzeptieren".

Die Grüne Landessprecherin Ingrid Felipe kritisierte die Festnahme. Der 20-Jährige habe sich an alle Auflagen gehalten. Während noch die Zusicherung der Innenministerin über die Bildschirme laufe, den Fall des Gambiers genau zu prüfen und dabei vor allem humanitäre Gesichtspunkte zu berücksichtigen, stehe "dem Bleiberechts-Anwärter" offenbar die Abschiebung in das Land bevor, "wo ihm Verfolgung und Tod drohen". Man wolle die verbleibenden Stunden dazu nutzen, um alle politischen und juristischen Mittel auszunützen, "um diesen Akt der Unmenschlichkeit zu verhindern", erklärte Felipe in einer Aussendung. (mas, derStandard.at, 27.5.2011)