Der etwas melancholisch sich gebende Brumm-Tragöde Matt Berninger (von The National aus New York) war auch Teil des diesjährigen Frequency-Angebots.

Foto: Standard/Christian Fischer

Musik gab es traditionell auch - diesmal u. a. von Scott Matthew, The National und Liam Gallaghers Beady Eye.

St. Pölten - Ein junger Mann in Badehose läuft Pirouetten drehend und die Flugversuche eines Truthahns nachahmend über die Wiese. Dann wirft er sich entzückt mit dem Rücken zu Boden und teilt der Sonne über Gottes kleinem Acker in der Industriezone von St. Pölten mit, dass heute alles "voi geil" sei. Die Uhrzeit sagt, halb vier Bier, also früher Nachmittag.

Auch der Stand, an dem zu den Marschrhythmen einer angesichts der eigenen Kunst sehr löblich auszuckenden DJane Bier mit Tequila-Aroma ausgeschenkt wird, ist bestens besucht. Möglicherweise handelt es sich dabei um eine frisch für den Fun-Rausch- und Schluckspecht-Markt entwickelte, sogenannte weiche Einstiegsdroge. Weiter, weiter. Schon zehn umgefallene Mannslängen dahinter gibt es die harten Getränke alter Schule in Halblitergläsern mit einem Schuss vom Gogagola und Würfi-Eis.

Ja, gib mir gleich noch zwei. Bis du die gebracht hast, sind bei der Hitze die, die ich grad wegtue, eh schon verdunstet. Wenn es warm ist, fährt das Zeug viel besser ein. Wahnsinn. Rock und Roll.

Es gibt auch andere Möglichkeiten, den musikalischen Belästigungen auf den diversen, unter anderem auch von einer Whiskeymarke gesponserten Bühnen zu entkommen. Irgendwelche auf Frequency-Festival-Muttersender FM4 gespielten britischen Grunge-Rock- oder Beatles-Verwalter (Yuck! oder Bombay Bicycle Club), australische Ukulele-Tragöden (Scott Matthew) oder Dubstep-Liedermacher (Jamie Woon) schauen sich bei dieser Hitze höchstens Leute an, die harte Feldarbeit gewohnt sind.

Oder diese Personen versuchen gerade über die Resthirn-App im iPhone ein Ausstiegsszenario zu finden, weil sie nicht mehr aus den Metallzaunabsperrungen vor der Bühne herausfinden. Hitzeschlag, Schattendrang. Viel lustiger ist es etwa, mit warmem Dosenbier im kühlen Fluss Traisen herumzustehen, diesbezüglich auf irgendeine positive chemische Reaktion zu warten - und die Fische mittels derber Traktorgangster-Raps im Stile der Trackshittaz sauer werden lassen.

Auch feste Nahrung

Man kann aber auch auf der St. Pöltner Porschestraße zwischen Frequency-Daypark (richtige Musik) und Frequency-Nightpark (DJs) bei Herb's Würstlstand auf eine "Eitrige Kaiser Kombo" (kein Kommentar) und ein "Freaky Frequency Frühstück" gehen. Es soll ja Leute geben, die immer noch an feste Nahrung glauben. Verrückt.

Das freaky Frühstück besteht aus einer Leberkässemmel, einem Zuckerriegel und einem beliebten Verleihgetränk von Flügeln. Das Rezept ist einfach wie durchschlagskräftig: Verkaterte sollen mittels drohender Herzattacke durch plötzlichen Fett-, Zucker- und Koffeinschock von der biologischen Müllkippe zurück auf die Party befördert werden. Kirtag und Narkose, Ebbe und Flut, Vordurst und Nachdurst. Ewiger Kreislauf des Lebens. Apropos Herzinfarkt: Junge Leute wollen heute nicht mehr auf Kräne klettern und bungeejumpen, sie wollen riesenraden. Deshalb hat der heute schon einmal erwähnte, für den Schuss in den Schnaps zuständige Gogagola ein Riesenrad für Zwerge aufgestellt. Mit dem kann man gefühlte zehn Meter hoch Richtung Sonne hinauffahren, einen Blick auf die größere der beiden Hauptbühnen werfen.

Auch gute Musik

Wie angedeutet, gibt es beim Novarock-Festival in Nickelsdorf nämlich auch Musik. Oft sogar gute. Wie, wir sind gar nicht in Nickelsdorf, sondern beim Frequency in St. Pölten? Ha, ha, da habt ihr mich aber schön reingelegt. Das kostet euch eine Runde.

Auch auf den Bühnen wird konsumiert. Scott Matthew kühlt sich mit Rotwein. Der seltsam am Rande eines manisch-depressiven Schubs agierende Brumm-Tragöde Matt Berninger von The National auch. Danach setzt es Bierduschen bei den auf ihren Vespas ergrauten Beatles- und Stones-Raubkopisten Beady Eye um Ekel Liam "Oasis" Gallagher. Bei den nach vierjähriger Pause wieder aktiven Berliner Dancehall-Superstars Seeed schickt Jah Rauchwolken vom jamaikanischen Planetensystem der "grünen Tomaten". Zum Abkühlen war "Opa's Chili sin Carne" bei Herb im Würstlpuff am Ende ideal zum Runterkommen. Runter ins Discozelt im "Nightpark", so in etwa links oder rechts von der Porschestraße.

Junge Leute haben ein Recht darauf, sich altersgemäß entsprechend zu amüsieren. Am besten, sie machen das unter sich. Eine Alternative gibt es übrigens immer. Ein Fünftelliter Mineralwasser kostet ohne Becherpfand zwei Euro siebzig. (Christian Schachinger, DER STANDARD - Printausgabe, 20./21. August 2011)