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Vicco von Bülow alias Loriot entwickelte als Humorist die Grundlagen für eine Form, zu den alten, bewährten Dingen zurückzukehren.

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Langjähriges kongeniales Sketch-Duo: Loriot und Evelyn Hamann (Foto von 1989)

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Loriot bei der Verleihung des Deutschen Filmpreises 2009

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München - Unter den bürgerlichen Vorstellungen davon, "etwas Sinnvolles" zu tun, nimmt die Hausmusik eine bedeutende Position ein. Erinnern wir uns nur an das Ende der deutschen Filmkomödie Pappa ante portas, in der ein chaotischer Vorruheständler namens Heinrich Lohse mit seiner Frau Blockflöte spielt. So endet auf einer kulturellen Note, was vorher das ganz normale Durcheinander war, das ein Mann auslöst, dem es an Ruhe fehlt. Eine nicht geringe Ironie lag dabei in der Tatsache, dass der Schauspieler dieser Figur ein Mann von souveräner Ruhe war: Vicco von Bülow alias Loriot verkörperte im hektischen deutschen Unterhaltungsmetier ("Dalli! Dalli!") ein Element hanseatischer Distanz. Und je älter er wurde, desto stärker wurde dieser Zug ins Olympische.

Das Hanseatische war aber vor allem Habitus, denn in Wahrheit kam der Sohn aus mecklenburgischer Familie in seinem Leben weit in Deutschland herum - er kam 1923 in Brandenburg zur Welt, ging in Stuttgart zur Schule, begann in Hamburg seine Karriere und lebte schließlich am Starnberger See. Sein komisches Universum entstand allmählich und auf Grundlage seiner Zeichnungen. Als Werbegrafiker war er so kreativ, dass er in den frühen 50ern zum Cartoon wechselte. Seine Figuren sind zugleich unscheinbar und unverwechselbar - damit traf er genau den Nerv einer neuen Massengesellschaft, die sich im Wirtschaftswunder gerade mit der eigenen Biederkeit anfreundete, während die Mutigeren erste Marotten entwickelten.

Auf den Hund gekommen hieß 1954 das erste Buch von Loriot, der sich diesen Künstlernamen nach der französischen Bezeichnung für das Wappentier der mecklenburgischen Bülows gegeben hatte, den Pirol, eine Sperlingsart. Aus den Zeichnungen wurden kleine Szenen, sie bekamen Dialoge, und irgendwann war Loriot bei der Form angelangt, mit der er unsterblich wurde: beim Sketch.

Entenzutritt als Problem

Dieser besteht typischerweise aus wenigen Figuren (häufig zwei, wobei Evelyn Hamann als kongeniale Partnerin fungierte), einem einzigen, kniffligen Problem und einer Reihe von trockenen Pointen. So konnte Loriot zwei Herren namens Müller-Lüdenscheidt und Doktor Klöbner im Bad in ein verbissenes Duell um die Oberhoheit über Wasserspiegel, Entenzutritt und Wohlfühltemperatur verstricken, in dessen Verlauf mit vollendeter Unschuld die anzüglichsten Dinge gesagt werden: "Aber ich kann länger als Sie!"

Dergleichen zählt zu den Grundbausteinen nahezu jeder bundesrepublikanischen Biografie, bis irgendwann Didi Hallervorden begann, dieses Terrain mit "nonstop Nonsens" abzugraben. Da war Loriot aber schon ein distinguierter Bildungsbürger geworden, dem es einerseits erlaubt war, 1982 sogar die Berliner Philharmoniker zu dirigieren, andererseits aber eine Komödie mit dem Kalauertitel Ödipussi zu machen, in der ein deutscher Wirtschaftstreibender auf die Psychologie verfällt. Auch hier gibt es Hausmusik, in diesem Fall aber ist es die Mutter Winkelmann, die ein Lied von Brahms singt.

Man kann die zivilisatorische Leistung, die in Loriots Werk liegt, gar nicht hoch genug einschätzen, und gerade diese "ödipale" Szene ist dafür von wesentlicher Bedeutung. Denn die Hochkultur hatten die Deutschen ja eigentlich im 20. Jahrhundert preisgegeben, sie hatten sich unmöglich gemacht, und wer jetzt noch auf große Oper machte, war entweder geschichtsvergessen oder ein Schnösel. Loriot aber entwickelte aus seinen kleinen Formen allmählich wieder so etwas wie einen Lebensstil, eine neue Form, zu den guten alten Dingen zurückzukehren. Nicht zufällig gaben sich einige seiner frühen Werke die Form von Benimmfibeln: Unentbehrlicher Ratgeber für das Benehmen in feiner Gesellschaft oder einfach Der gute Ton hießen Bücher von ihm. So entstand bei diesem späten komischen Moralisten ein Zusammenhang zwischen Kleinigkeiten und dem höchsten Allgemeinen.

Am Montag ist Loriot 87-jährig in seinem Haus in Bayern an Altersschwäche gestorben. (Bert Rebhand/DER STANDARD, Printausgabe, 24. 8. 2011)