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Welches "Material" schützt vor dauernder Präsenz in mobilen Medien für die Firma? Reflektierte Chefs? Selbstdisziplin? Tarifliche Regelung oder eine Betriebsvereinbarung?

Foto: APA/epa/Christodoulou

Weltweit verbringt fast die Hälfte der Arbeitnehmer im Urlaub bis zu drei Stunden täglich mit beruflicher Arbeit, sagt eine aktuelle Studie von Regus mit 16.000 Befragten in 80 Ländern. Weitere 37 Prozent halten demnach Smartphone, iPad und andere mobile Technologien in Reichweite, um im Fall der Fälle schnell verfügbar zu sein. Die sogenannten Sommerferien haben sich also ziemlich relativiert, und Entgrenzung der Arbeit ist längst kein inhärentes Thema von Führungskräften mehr.

Es scheint: Je mehr geredet wird über die zentrale Bedeutung vom Wechsel zwischen Spannung und Entspannung, von der gesundheitlichen Notwendigkeit echter, selbstbestimmter Ruhepausen, desto weiter klafft die Wirklichkeit davon weg. Dass permanent hoher Cortisolspiegel und permanente Überschwemmung mit diesem Stresshormon psychische und physische Folgen zeitigt, ist Allgemeingut geworden. Parallel dazu schalten die Büromenschen aber kaum mehr ab.

Was also tun? Auf Selbstverantwortung setzen? Gesetzliche, tarifliche Regelungen überstülpen? Den Anti-Stress-Trainern auf Firmenkosten mehr Geschäft bescheren? Die Debatte darüber läuft hitzig - spätestens seit die deutsche Arbeitsministerin Ursula von der Leyen im Juni tarifliche Regelungen im Sinne des psychischen Arbeitnehmerschutzes verlangt hat. Allerdings: Arbeitszeit- und -schutzgesetze gibt es ja klar definiert - ob eine zusätzliche Regel hilft?

Der deutsche Volkswagen-Konzern hat mittlerweile von abends bis sieben Uhr früh ein Weiterleiten von Mails via Firmenserver unterbunden - natürlich nicht für Führungskräfte, und telefoniert werden darf. Theoretisch gibt es ja ausreichend Instrumente, sich gegen Chefterror nächtens oder im Urlaub zu wehren. Wenn das Weiterarbeiten aber zwischen Kollegen geschieht, sieht das schon wieder ganz anders aus. Und: Traut man sich wirklich, aus einer Firmenkultur der ständigen Erreichbarkeit auszuscheren - wer fühlt sich so selbstbewusst ungefährdet in seinem Job?

Gewerkschaftspräsident Erich Foglar räumt im Gespräch mit dem STANDARD ein, dass wohl auch vorauseilender Gehorsam der Arbeitnehmer Teil der Situation sei - der springende Punkt für ihn sind allerdings jene, die Mails "weit außerhalb der Arbeitszeiten" versenden und das mit bestimmten Erwartungshaltungen, die auch entsprechend zum Ausdruck gebracht würden, also: Ich rufe, du antwortest. Sofort.

Lösung auf Betriebsebene

Foglar empfiehlt Betriebsvereinbarungen zum jeweils adäquaten Umgang mit mobilen Technologien, hält allerdings auch das Festschreiben der Rahmenbedingungen in den jeweiligen Kollektivverträgen für "relativ leicht" machbar. "Die Schwierigkeiten beginnen dann aber bei der Anpassung an die jeweiligen betrieblichen Notwendigkeiten." Deswegen: Betriebsvereinbarungen. "Wir raten das auch den Unternehmen, wir kennen ja alle die Burnout-Zahlen und die Explosion bei den Invaliditätspensionen." Andauernde Fremdbestimmung, das sei ja fraglos, könne nicht gesundheitsförderlich sein.

Dass selbst das bei international aufgestellten Firmen, die gemeinsame Projekte über Kontinente und Zeitzonen hinweg bearbeiten, nur schwer machbar erscheint, bestätigt HP-Personaldirektorin Evelin Mayr.

Sie hält Kappen der Weiterleitung so wie jede Art der "Bevormundung" für nicht sinnvoll: "Mitarbeiter wollen das auch gar nicht." Mayr setzt auf die wertschätzende Unternehmenskultur, die Mitarbeitern gemeinsam mit ihren Vorgesetzten einen jeweils angemessenen Umgang mit den elektronischen Teufelchen ermöglicht. Das ist für sie der beste Rahmen, um allen zu ermöglichen, dass sie sowohl frei und flexibel arbeiten, als auch ihre Akkus wieder aufladen.

Denn, so Mayr: Darauf müssten Unternehmen bewusst das Augenmerk richten. (Karin Bauer, DER STANDARD, 4./5.8.2012)