Es war kein lustiger Vormittag für Artur Wechselberger. Noch nie sah sich ein Ärztekammerpräsident in der Bundesgesundheitskommission mit so viel Gegenwind konfrontiert wie in deren letzter Sitzung vor gut zwei Wochen. Augen- und Ohrenzeugen sprechen von heftigen Wortgefechten in dem Gremium, in dem sonst ganz friedlich strukturelle Fragen der Gesundheitspolitik diskutiert werden. Und dann gab es angesichts heftiger Kampagnen ("Mein Spital ist weg") einen Beschluss, der der Ärztekammer signalisieren sollte: Bis hierhin und nicht weiter. Die Ärzte sollen sich "wieder um das Wohl der Patienten kümmern, anstatt sie zu verunsichern".

Selten gab es in dem stark fragmentierten Gesundheitssystem derartige Einigkeit. So haben die Landespolitiker Sonja Wehsely (Wien, SP), eine wesentliche Tempomacherin der Reform, und Wolfgang Sobotka (Niederösterreich, VP), der die schwarzen Landespolitiker ins Boot holte, ihre Differenzen weitgehend über Bord geworfen; fast unisono tragen sie ihre Vorschläge vor. Erstmals sitzen bei Verhandlungen über eine 15a-Vereinbarung, die ja nur zwischen Bund und Ländern akkordiert werden muss, Vertreter der Sozialversicherung am Tisch - bis zur Unterschriftsreife. Und der Gesundheitsminister tut das, was er am besten kann: nicht polarisieren, sondern unauffällig den Konsens suchen.

Unter Zeitdruck

Dabei drängt Alois Stöger die Zeit, denn sachpolitisch wird sich wohl im Wahljahr 2013 nicht mehr viel bewegen. Heute, Dienstag, tagt voraussichtlich zum letzten Mal die Steuerungsgruppe inklusive der Landesgesundheitsreferenten. Sie soll eine beschlussreife 15a-Vereinbarung vorlegen, die dann von den Landtagen und vom Nationalrat abgesegnet werden soll. Für den 19. Dezember hat Tirols Landeshauptmann Günther Platter, derzeit Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz, vorsorglich ein außerordentliches Treffen einberufen; die Gesundheitsreform soll das große Projekt seiner Vorsitzzeit werden. Wohl deshalb versuchte er am Montag, noch einmal Punkte zu sammeln und forderte zusätzliches Geld von der Sozialversicherung - ein Punkt, bei dem sich die Verhandler schon seit einigen Wochen handelseins sind.

Bisher saßen die treibenden Kräfte eher im Osten, Vorarlberg und Tirol gaben sich skeptisch ob der strengen finanziellen Vorgaben. Um 3,6 Prozent sollen die Ausgaben für das Gesundheitssystem in den kommenden Jahren steigen - und nicht um die prognostizierten 5,2 Prozent. Wie genau das bei Nichteinhaltung sanktioniert werden soll, ist ein zentraler Verhandlungsgegenstand.

Geld für Prävention

Das Herzstück der Reform, die gemeinsame Steuerung des Gesundheitssystems, steht längst außer Streit. In einem Landesgremium sollen künftig die Strukturen der Versorgung festgelegt werden, sprich: Wie viele Kassenstellen gibt es? Wo braucht es Krankenhäusern vorgelagerte Versorgungszentren, um die Ambulanzen zu entlasten? Welche medizinischen Schwerpunkte sind in bestimmten Regionen notwendig? Über all das sollen sich Länder- und Kassenvertreter gemeinsam den Kopf zerbrechen - statt wie bisher jeweils für die Spitäler und den niedergelassenen Bereich.

60 zu 40 lautet künftig der Verteilungsschlüssel für die Gesundheitsausgaben, den größeren Teil sollen die Länder tragen. Als Ausgleich hat man sich auf einen Fonds für Präventionsmaßnahmen geeinigt - 15 Millionen Euro pro Jahr für zehn Jahre, je 13 Millionen Euro davon kommen von den Kassen. Damit versucht man, eines der zentralen Probleme des Gesundheitssystems anzugehen; In allen internationalen Rankings schneidet Österreich im Bereich Prävention eher blamabel ab.

Und die Ärztekammer? Dort hat man in den letzten Tagen fieberhaft versucht, ein Exit-Szenario zu finden. Gespräche mit der Bundesregierung verliefen bisher erfolglos - würde sie den zentralen Forderungen der Ärzte entgegenkommen, würde das im Wesentlichen bedeuten, die Reform abzusagen. Der heftige Protest - ein Streik im Jänner steht immer noch im Raum - setzt allerdings auch Fliehkräfte innerhalb der Kammer frei, einzelnen Ländern ist die Bundes-Ärztekammer zu sehr aufbrausend, anderen zu wenig. Egal was also heute herauskommt: Präsident Artur Wechselberger dürften noch einige unlustige Sitzungen ins Haus stehen. (Andrea Heigl, DER STANDARD, 11.12.2012)