Nicht zuletzt durch die Anstrengungen von Organisationen wie der Ada Initiative ist in den vergangenen Jahren die Wahrnehmung für das Thema Sexismus in der stark männlich dominierten IT-Branche deutlich gestiegen. Ein deutlich sichtbares Zeichen für dieses gestiegene Problembewusstsein ist der Umstand, dass sich zahlreiche IT-Konferenzen mittlerweile sogenannten Anti-Harrassment-Policys verschrieben haben, in deren Zug sich alle TeilnehmerInnen verpflichten müssen, einen nicht diskriminierenden Umgang miteinander zu pflegen.

Hintergrund

Ein Regelwerk, das nicht zuletzt als direkte Reaktion auf eine Reihe von ganz konkreten Vorfällen entstanden ist - von frauenfeindlichen Witzen in Vorträgen bis zu direkter sexualisierter Belästigung. Und natürlich aus der Erkenntnis, dass Frauen durch solche Mechanismen aktiv aus diesem Umfeld verdrängt werden, worunter letztendlich auch die betroffenen Projekte leiden.

Umgang

Dass mit einem solchen Regelwerk allein aber natürlich nicht umgehend all die dahinterstehenden strukturellen Probleme verschwinden, demonstriert nun ein Vorfall auf der Python-Konferenz PyCon. Vor allem aber zeigt er auf, wie schwer sich manches Unternehmen damit tut, mit solchen Situationen korrekt und angemessen umzugehen - und wie weit Teile der "Hacker-Community" noch von einer halbwegs reflektierten Position entfernt sind.

"Humor"

Ausgangspunkt war ein Vortrag, bei dem zwei männliche Zuhörer im Publikum sexualisierte und frauenfeindliche Witze austauschten. Diese kamen auch der eine Reihe davor sitzenden SendGrid-Mitarbeiterin Adria Richards zu Ohren, die nach eigenen Aussagen zunächst eigentlich vor hatte den Vorfall einfach zu ignorieren. Erst als sie im Vortrag das Bild eines jungen Mädchen sah, das an einem Workshop für junge EntwicklerInnen teilnahm, sei ihr bewusst geworden, dass sie selbst auch etwas gegen solch ein Ausschlüsse produzierendes Klima tun müsse. Also fertigte sie ein Foto der beiden an und tweetete es mit der Bemerkung, ob nicht einmal jemand die beiden Herren darüber aufklären könnte, dass solche Sprüche weder cool noch mit der Konferenz-Policy vereinbar seien.

Klärung?

Was folgte war zunächst einmal eine relativ rasche Reaktion der PyCon-OrganisatorInnen: Die zwei Entwickler wurden in einem privaten Gespräch daran erinnert, dass solch ein Verhalten auf der Konferenz unerwünscht sei, und sie solche diskriminierenden Bemerkungen künftig zu unterlassen hätten.

Rauswurf

Damit könnte die Angelegenheit auch schon wieder erledigt sein, hätte sich dann nicht auch noch der Arbeitgeber der beiden, Playhaven, eingeschaltet, und einen der Entwickler gefeuert. In Folge tauchte sowohl ein - anonym veröffentlichter - Beitrag auf Pastebin als auch ein Posting des betroffenen Entwicklers bei Hacker News auf, in dem er gleichermaßen Richards Darstellung in Teilen widersprach, sich aber auch öffentlich für den Vorfall entschuldigte.

Mobbing

Die Reaktion von Teilen der Szene ließ nicht lange auf sich warten - und offenbarte einmal mehr die dunkelste Seite derselben. Anstatt Playhaven für die Entscheidung zum Rauswurf zu kritisieren (auch wenn das Unternehmen mittlerweile betont, dass der Vorfall nur einer von vielen Gründen für die Kündigung war), ist es Richards, die sich seitdem wilden Beschimpfungen und sogar Todesdrohungen ausgesetzt sieht. Zudem wurde sowohl ihr Blog als auch die Webseite ihres Arbeitgebers zum Ziel von Distributed-Denial-of-Service-(DDoS-)Attacken.

Rauswurf II

Dies wiederum scheint eine weitere Reaktion ausgelöst zu haben, mit der wohl nur wenige gerechnet haben: Wie SendGrid über Twitter und Facebook informiert, habe man das Arbeitsverhältnis von Richards mit sofortig Wirkung beendet. In einem Blog-Eintrag argumentiert das Unternehmen, dass Richards mit der Veröffentlichung des Fotos auf Twitter "eine Linie überschritten" und "die Community gespalten" habe, was ihrer Aufgabe als "Developer Evangelist" bei SendGrid direkt zuwiderlaufe.

Aussage

Eine Entscheidung, die eine geradezu verheerende Message sendet: Hat SendGrid doch damit nicht nur die ursprünglich von der sexistischen Belästigung Betroffene gefeuert, sondern auch noch den Angriffen eines offensichtlich durch Frauenhass motivierten Mobs nachgegeben. Anders ist es wohl nicht zu erklären, dass Richards und nicht etwa Playhaven zum Ziel der Attacken wurde. (red, derStandard.at, 22.3.2013)