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Dauerproteste in Sofia: Zu der Wut auf die neue Regierung und deren Personalpolitik kommt die Unsicherheit bei den Pensionen.

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VIG-Chef Peter Hagen wies Zweifel an dem Doverie-Verkauf zurück.

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Wien/Sofia - In Kent Road in Grays, einer Kleinstadt in der Grafschaft Essex, östlich von London, wohnt die Mittelklasse: Reihenhäuser mit den roten Ziegelsteinen, Plastikfenster, ein Kleinwagen vor der Tür. Hier hat auch die United Capital PLC ihren Postkasten. Online-Unternehmensregister führten die Firma bis vor kurzem als "schlafend" mit null oder 14 britischen Pfund Einlage. Vergangenen Juli ist United Capital aufgewacht und hat dem Vernehmen nach 150 Millionen Euro für den größten privaten Pensionsfonds in Bulgarien auf den Tisch gelegt. Die VIG als Mehrheitsaktionär hat ja gesagt. In Bulgarien, dem ärmsten Land der EU, herrscht seither Fassungslosigkeit über den Deal der Wiener.

Zukunft auf dem Spiel

1,25 Millionen Beitragszahler hat Doverie, an der die VIG mit 92,58 Prozent beteiligt ist. "Vertrauen" heißt "doverie" auf Bulgarisch (sprich: do-wer-i-e), und das wackelt nun gehörig. Denn die Eigentümer der Briefkastenfirma United Capital sind nicht völlig klar und ihre Strukturen offenbar so sehr im Fluss, dass auch zwei Monate nach der Bekanntgabe des Millionen-Deals immer noch kein Antrag des neuen Eigentümers bei der bulgarischen Finanzmarktaufsicht eingegangen ist. Die muss den Verkauf genehmigen. Aufsichtschef Stojan Mawrodiew kündigte genaue Untersuchungen an und kritisierte die Kommunikationspolitik von VIG und deren Kaufpartner.

Die Causa Doverie ist sensibel: Knapp ein Drittel der Bulgaren - 2,2 Millionen - sind Pensionisten. Die offizielle Arbeitslosenrate liegt bei zwölf Prozent, die durchschnittliche Pension bei umgerechnet 150 Euro im Monat. Die private Pensionsvorsorge ist noch neu im Balkanland. Umso mehr fürchten Doverie-Einzahler und Politiker bis hinauf zum Staatspräsidenten Rossen Pleweneliew, die VIG könnte leichtfertig mit der Zukunftsvorsorge der Bulgaren gespielt haben.

Russen dahinter

Recherchen der Nachrichtenagentur Reuters in London, Moskau und Hongkong hatten ergeben, dass United Capital Teil des Portfolios des russischen Bankers Sergej Mastjugin ist: Der Russe hält knapp 50 Prozent von United Capital über ein in Hongkong registriertes Unternehmen. Auch eine Londoner Bank - LJ Capital - ist dabei; sie vergrößerte ihren Anteil an United Capital auf ebenfalls knapp 50 Prozent. Vier Tage vor dem Kaufgeschäft in Wien kamen neue Manager an Bord: der Wiener Steuerberater Heinz Russwurm zum Beispiel, unter anderem auch Geschäftsführer der Filmfirma H-Medienverwaltungs GmbH, die ehemalige Hofpower.

VIG-Chef Peter Hagen wies Zweifel an dem Doverie-Verkauf zurück. United Capital und Sergej Mastjugin seien ein seriöser Investor, betonte Hagen im Gespräch mit dem Standard - Mastjugin will die Struktur von United Capital nach dem Verkauf noch einmal ändern. Laut Vertrag habe sich United Capital verpflichtet, den Kauf bei der Finanzaufsicht in Sofia einzureichen.

United Capital sammle derzeit alle Unterlagen, erklärte der VIG-Chef. Die seien jedoch wesentlich umfangreicher als erwartet. Sollte United Capital die Kriterien der Finanzaufsicht nicht erfüllen, käme der Verkauf nicht zustande. (Markus Bernath Claudia Ruff, DER STANDARD, 11.9.2013)