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Wer das Washingtoner Lincoln Memorial im Dezember 1995 besuchen wollte, hatte Pech: Das Monument sperrte wegen eines Budgetstreites zwischen Republikanern und Demokraten ebenso wie hunderte andere Bundes- behörden zu.

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Frage: In den Medien heißt es, der US-Regierung könnte schon bald das Geld ausgehen. Sind die USA pleite?

Antwort: Nein. Die USA sind zwar hoch verschuldet, können sich derzeit aber am Markt billig Geld von Investoren holen. Die Probleme sind politischer Natur: Die USA stoßen am 17. Oktober an die Schuldenobergrenze. Das zweite Problem ist, dass in der Nacht auf den 1. Oktober das Haushaltsjahr 2014 beginnt. Republikaner und Demokraten konnten sich zuletzt weder auf ein neues Budget noch auf eine Anhebung der Schuldengrenze einigen. Bis zuletzt verhandelten die beiden Parteien über ein Notbudget, dass die Regierung zumindest bis Mitte November, durchfinanzieren würde.

Frage: Was geschieht, wenn es kein Budget gibt?

Antwort: Ohne Budget beginnt der "shutdown": Die US-Bundesbehörden müssen ihre Dienstleistungen auf ein Minimum zurückfahren. Bis zu zwei Millionen Bundesbedienstete müssten einen unbezahlten Urlaub antreten, betroffen wären alle Ministerien. Nationalparks und Musseen müssten zusperren. Ausgenommen sind Bedienstete, deren Arbeit für die Gesundheit oder nationale Sicherheit als essenziell eingestuft wird. So müssen Soldaten ihren Dienst weiter versehen, auch Richter und der Präsident würden weiter arbeiten. Programme, die über ein Fixbudget verfügen, wie das Gesundheitsprogramm Medicaid für sozial Schwächere, bleiben ebenfalls finanziert. Ein "government shutdown" ist übrigens keine Seltenheit: Seit den 70er-Jahren hat sich die US-Regierung 16-mal selbst heruntergefahren. Die Episoden waren immer kurz (der längste Shutdown war 1995/1996 und dauerte 21 Tage). An den Märkten waren die Auswirkungen gering: Das Finanzministerium darf während eines Shutdowns weiter Zinsen zahlen und Schulden tilgen, eine Staatspleite droht also nicht.

Frage: Was geschieht, wenn die Schuldenobergrenze nicht rechtzeitig angehoben wird?

Antwort: Dies wäre tatsächlich das ernsthaftere Problem. Ist die Schuldenobergrenze erreicht, darf das Finanzministerium keine neuen Kredite aufnehmen. Da die US-Ausgaben weit über den laufenden Einnahmen liegen, würde der Regierung das Geld ausgehen. Während die Behörden für einen shutdown Notfallpläne besitzen, gibt es keine Planspiele dafür, was geschieht, wenn das Schuldenlimit erreicht wird. Erwartet wird, dass die US-Regierung sofortige Sparmaßnahmen einleitet und - notgedrungen - die Rückzahlung von auslaufenden Staatsschulden verschiebt. Dies käme einer formellen Staatspleite gleich.

Frage: Welchen Sinn hat überhaupt eine Schuldenobergrenze?

Antwort: Keinen. Da der Kongress jedes Regierungsbudget absegnen muss, ist ein Limit überflüssig: Ist ein Budget einmal genehmigt, macht es Sinn, die Obergrenze mit anzuheben. Eingeführt wurde das Limit eigentlich als ein Schritt zur Vereinfachung des Budgetprozesses: Bis 1917 musste der Kongress jede Kreditaufnahme der Regierung genehmigen. Mit dem Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg wurde dieses Prozedere zu kompliziert, weshalb der Kongress begann, Obergrenzen festzulegen. Ab Ende der 70er-Jahre galt, dass die Schuldenobergrenze automatisch mit jedem Budgetbeschluss ansteigt. Die republikanische Mehrheit im Repräsentantenhaus machte dies 1995 rückgängig, weil die Obergrenze ihnen zusätzliche Verhandlungsmacht gegenüber Präsident Bill Clinton einräumte. (DER STANDARD, 1.10.2013)