Zu Besuch bei Hermann Nitsch: In seinem Schloss in Prinzendorf wird nicht nur geschüttet, sondern auch ganz normal gelebt. Bloß die Kochkunst, erfuhr Wojciech Czaja, muss mangels Talents ausgelagert werden.

"Ich muss damals 18 oder 19 Jahre alt gewesen sein. Ich kann mich erinnern, wie wenn das gestern gewesen wär: Es war ein wunderschöner Pfingstsonntag, die Eichkatzerln haben geblüht, die Lercherln haben gesungen, und die Landschaft war so golden wie seinerzeit bei den Impressionisten, mit einem prächtigen Barockschloss inmitten der Felder. Alle Schönheiten des irdischen Daseins haben sich an diesem Tag in vollster Pracht zusammengetan. Es war wie eine Erleuchtung. Jedenfalls hat mich das so glücklich gemacht, dass ich mir damals dachte: Wenn ich eines Tages alt bin, dann will ich hier in diesem Schloss wohnen. Wie man sieht, ist es mir gelungen, mir diesen Traum zu erfüllen.

Hermann Nitsch in seinem Barockschloss: "Ich bin ein Fan dieser Profigastronomieküchen. Ich finde diese Hightechgeräte aus Edelstahl einfach geil."
Foto: Lisi Specht

Das Schloss wurde um 1750, also im ausklingenden Hochbarock, errichtet. Baumeister war Franz Anton Pilgram. Ende der Sechzigerjahre habe ich mit dem damaligen Eigentümer, dem Stift Klosterneuburg, erstmals Kontakt aufgenommen. Wir waren einige Jahre in Verhandlung, bis ich das Anwesen schließlich 1971 für wenig Geld gekauft habe. Tatsächlich musste ich nur den Grund und Boden zahlen. Das Gebäude war gratis. Doch dafür war und ist der Bau mit strengen Auflagen verbunden, denn das gesamte Schloss steht unter Denkmalschutz.

Aber: Die Bausubstanz ist gut. Wir mussten nie sanieren, bestenfalls nur ein paar kleinere Reparaturen vornehmen. Der Stuck, um nur ein Beispiel zu nennen, ist überall original erhalten. Auch die Türen und Beschläge sind unverändert. Doch obwohl ich die Vergangenheit schätze, bin ich kein Freund des kompromisslosen Konservierens, denn Wohnen ist immer ein Work in Progress. Schloss Prinzendorf ist kein Museum, sondern ein ganz normales Haus, das wir benützen und das daher entsprechend praktisch eingerichtet ist. Im Zweifelsfall ziehe ich die Funktionalität der klösterlichen Diktatur vor.

Das Grundstück hat drei Hektar. Wie groß das Schloss ist und wie viele Zimmer wir haben, kann ich beim besten Willen nicht sagen. 2000 Quadratmeter werden es schon sein. Es gibt ein Archiv, ein paar Ausstellungsräume, unzählige Werkstätten und Büros sowie die Wohnung von meiner Frau und mir, wobei die Funktionen nahtlos ineinanderfließen. Eigentlich wohnen wir überall.

Das Zentrum unseres Wohnens ist eindeutig die Küche. Hier essen wir, hier halten wir Besprechungen ab, hier verbringe ich sicherlich die meiste Zeit des Tages. Wobei ich zugeben muss, dass ich selbst nicht kochen kann. Ich esse zwar gern, aber kochen? Ich kann nicht einmal Würstl kochen! Die springen bei mir auf. Deshalb haben wir Haushaltshilfen, die uns im Alltag unterstützen. Aber dafür habe ich eine andere Gabe: Ich kenne viele gute Restaurants. Von meinen Lieblingslokalen in New York weiß ich alle Öffnungszeiten und Ruhetage auswendig.

Während wir hier oben Essen für 30 bis 40 Leute zubereiten können, haben wir unten im Parterre eine professionelle Küche, in der wir für etwa 1200 Leute aufkochen können. Die nutzen wir für unsere Orgien-Mysterien-Theater, für die Drei-Tage-Spiele oder das eine Sechs-Tage-Spiel 1998. Ich muss zugeben, dass ich ein Fan dieser Profigastronomieküchen bin. Ich finde diese Hightechgeräte aus Edelstahl einfach geil.

Ziemlich geil ist auch das Verhalten unserer Haustiere. Wir haben rund 40 Pfaue am Grund. Meine Frau würde die Pfaue am liebsten verschenken, weil die sich vermehren wie die Karnickel. Aber ich will mich von diesen wunderbaren Vögeln nicht trennen. Ein Freund von mir hat mir vor vielen Jahren einmal ein Pfauenpärchen geschenkt. Und heute? 40 Stück! Sie sind überall. Inzestuöse Sippschaft! Aber man fühlt sich hier wie im Paradies." (DER STANDARD, 1.3.2014)