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Meran ist einer der ältesten Fremdenverkehrsorte der Alpen. Der wichtigste Kurgast in der Vergangenheit war wohl Kaiserin Elisabeth, die auch hier mit ihrem Kosenamen vor den Werbekarren gespannt wird. Elisabeth war 1870 mit ihrer Tochter nach Meran gekommen. Die Hoheiten hatten im Schloss Trauttmansdorff Aufenthalt genommen. Ihre 102 Personen zählende Entourage wohnte in den nahe gelegenen Schlössern Pienzenau und Rametz.

Schloss Trauttmansdorff beherbergt heute ein kurzweiliges Museum zur Tourismusgeschichte Tirols, das sich zeitgeistig-bescheuert "Touriseum" nennt. In Schloss Rametz ist eine Weinkellerei untergebracht, wo nachmittags Wein verkostet wird, und Schloss Pienzenau kann als Ganzes für Hochzeitsfeiern oder dergleichen gemietet werden. Für Gartenbesucher steht gleich daneben mitten im Meraner Villenviertel Obermais das neue Hotel Pienzenau, wo unter vielen anderen Wellness-Anwendungen auch ein "Kaiserin-Sissi-Rosenbad" angeboten wird.

Alle drei Schlösser liegen am "Sentiero Sissi" (auf der Schreibung mit zwei s wird in Meran und Umgebung bestanden), auf dem die asketisch sportliche Elisabeth an die Passer spazierte, wo man 1850 Promenaden und einen Park angelegt hatte, der heute selbstredend auch den Namen der Kaiserin trägt. "Spazieren" ist wahrscheinlich der falsche Ausdruck, die Kaiserin dürfte den nachmaligen "Sissi-Weg" in der Manier begangen haben, die man heute modisch "Nordic Walking" nennt. Mit dem Einsatz von rund 20 Millionen Euro und einer guten Idee schenkte sich die Kurstadt im Jahr 2001 mit den "Gärten von Schloss Trauttmansdorff" einen anders gelagerten Anziehungspunkt: Das um 1850 vom steirischen Grafen Trauttmansdorff erbaute Schloss mit seinen neogotischen Zinnen liegt auf einer Anhöhe, um die herum in siebenjähriger Bauzeit der erste botanische Garten Südtirols angelegt wurde.

Die meisten Besucher sind Hobbygärtner und Blumennarren, die in den Trauttmansdorffschen Gärten begeistert Forscher-Schwerstarbeit leisten: Acht der insgesamt zwölf Hektar des Anwesens sind gärtnerisch gestaltet, etwa 1,5 Hektar nimmt der für die Region typische Flaum- eichenwald ein.

Auf sechs Kilometern Wegen wandern die Gartenbesucher auf der Suche nach Inspiration für die heimische Gartenanlage. Je nach Jahreszeit sind 25 bis 30 Gärtner damit beschäftigt, die knapp 4000 verschiedenen Pflanzenarten und -sorten - insgesamt an die 200.000 Pflanzen - des Gartens zu betreuen. Das Areal lässt sich grob in vier Bereiche einteilen: Sonnengärten, Waldgärten, Wassergärten und die Landschaften Südtirols. In diesen Bereichen sind die Pflanzen nach ihrer Herkunft geordnet.

Unbarmherzig brennt die Sonne auf die Kakteen in der Sukkulentenabteilung: Der auch in unseren Breiten als Schwiegermuttersessel bekannte Kaktus erreicht in Meran tatsächlich Sitzgröße. Unscheinbar wirkt die aus Mittelamerika stammende "Königin der Nacht", die von Mitternacht bis etwa fünf Uhr in der Früh handtellergroße, vanillegelbe Blüten zeigt, die niemand bewundern kann, weil der Garten zu dieser Zeit geschlossen ist.

80 Prozent der Pflanzen im Garten sind dem Meraner Winter gewachsen, bei den Sukkulenten hat man allerdings mit einer Überdachung vorgesorgt. Bei aller Milde kennt Meran auch Frost.

In den Trauttmansdorffschen Gärten gedeihen dementsprechend nicht nur Pflanzen aus aller Welt, die auf einer annähernd ähnlichen geografischen Breite wie Meran liegen, sondern auch solche, die viel näher am Äquator zu Hause sind. Die chinesische Hanfpalme zum Beispiel ist schon seit mehr als hundert Jahren in Meran heimisch. Der nördlichste Olivenhain Italiens kam dadurch zustande, dass einige der im Gardaseegebiet unter Schutz stehenden Olivenbäume wegen Kanalisierungsarbeiten entfernt werden mussten. Also grub man die zwischen fünfzig und hundert Jahre alten Bäume samt den Wurzeln aus und pflanzte sie auf den Sonnenhang zu Füßen von Schloss Trauttmansdorff. Es handelt sich um im Vergleich zu Speiseoliven etwas kälteresistentere Öl- oliven; im vergangenen Jahr wurden aus den Früchten der 19 Bäume kostbare 20 Liter Öl gepresst - man fühlt sich unvermittelt zum Ölsparen veranlasst. Oberhalb der Olivenbäume, der knallorange blühenden Granatapfelbäume und der Seidenakazien locken die aufregend duftenden Lavendel- und Heiligenkrautpflanzungen.

Den Geruch von Lavendel kennt jeder, das Heiligenkraut dagegen ist eine Entdeckung wert: Lateinisch heißt es Santolina, besitzt kleine, grau-weiße, schuppenförmige Blätter mit kleinen, endständigen, dottergelben Blütenköpfchen, die so herb-frisch duften, dass man tief durch die Nase atmend vor dieser blau-gelben Terrasse hin und her patrouillieren möchte. (Der Standard/rondo/19/9/2003)