Klein, aber kratzbürstig: Microleo attenboroughi.

Illustration: Peter Schouten

Verschiedene Beutellöwenarten im Größenvergleich.

Illustration: UNSW

Malaga/Sydney – Der Beutellöwe Thylacoleo carnifex war das vielleicht größte fleischfressende Beuteltier, das es je gegeben hat: Er wurde zwar nur etwa eineinhalb Meter lang, war aber bullig gebaut und dürfte ein Gewicht von bis zu 150 Kilogramm erreicht haben. Zum Vergleich: Der heutige Rekordträger ist der nicht näher mit den Beutellöwen verwandte Beutelteufel mit mageren sechs bis acht Kilogramm.

Zähne und Klauen

Vor Kurzem erschien eine Studie im Fachmagazin "Paleobiology", derzufolge der Beutellöwe eine Jagdtaktik gehabt haben könnte, die unter heutigen Fleischfressern ohne Beispiel ist. Während etwa ein Löwe seine Beute mit den Pranken festhält und durch einen Biss tötet, könnte es beim Beutellöwen genau umgekehrt gewesen sein: Er fixierte sein Opfer mit den Zähnen und tötete es, indem er es mit dem Krallen seiner Vorderbeine zerfleischte.

Einig sind sich die Forscher um Borja Figueirido von der Universität Malaga in diesem Punkt zwar nicht. Die Möglichkeit schlossen sie aber aus der Anatomie des Fleischfressers, der Australien während des Eiszeitalters bewohnte und vermutlich sogar die größten Pflanzenfresser seiner Zeit reißen konnte. Seine vorderen Gliedmaßen erinnerten die Paläontologen in ihrer hohen Beweglichkeit eher an die von Primaten oder Faultieren als an die von Spezies aus der Ordnung der Raubtiere. Zudem hatten die Beutellöwen einen abspreizbaren Daumen, der zwar nicht ganz opponierbar wie der unsere, aber dafür mit einer verlängerten Klaue versehen war.

Räuberischer Winzling

Thylacoleo carnifex war allerdings nur der imposanteste Vertreter aus der Familie der Beutellöwen. Deren andere bislang gefundene Angehörige waren – teils deutlich – kleiner. Eine fast schon winzige Spezies wurde nun entdeckt und zu Ehren des großen Naturwissenschafters Sir David Attenborough Microleo attenboroughi benannt, wie australische Forscher im Magazin "Palaeontologia Electronica" berichten.

Die Fossilien des kleinen Räubers stammen aus der berühmten Fundstätte Riversleigh im Nordwesten Queenslands, wo sich vor 18 bis 19 Millionen Jahren üppige Regenwälder erstreckten. Mit einem Gewicht von etwa 600 Gramm war Microleo deutlich kleiner als seine bisher schon bekannten Verwandten – Anna Gillespie von der Universität New South Wales beschrieb ihn als "das niedliche, aber angriffslustige Kätzchen der Familie".

Schon früher wurden in Riversleigh Fossilien anderer Beutellöwenarten entdeckt. Zwei Spezies, die Katzen- bis Hundegröße erreichten, lebten dort zeitgleich mit Microleo. Die Forscher vermuten daher, dass die Räuber unterschiedliche Beuteschemata hatten. Der kleine, leichte Microleo könnte in Baumkronen gelebt und Insekten, Vögel und Echsen gejagt haben – stets auf der Hut, nicht selbst seinen größeren Verwandten zum Opfer zu fallen.

Einzigartiges Gebiss

Vorerst bleibt das aber Spekulation, weil noch keine Skelettteile vorliegen. Gefunden wurden von Microleo ein Teil des Schädels sowie einige Zähne – und die sind es, die die Zugehörigkeit zu den Beutellöwen klar machen: Anders als Raubtiere hatten Beutellöwen keine zu Fängen ausgebildete Eckzähne, sondern vergrößerte Schneidezähne und stark verlängerte, scharfe Prämolaren (Backenzähne), die wie Messer im Kiefer saßen.

Eine solche Gebissanordnung erscheint als ungewöhnliche Lösung der Natur, aber es war offenbar eine effektive: Beutellöwen besiedelten Australien mindestens 25 Millionen Jahre lang – bis vor etwa 45.000 Jahren der Mensch auf dem Kontinent auftauchte und der Beutellöwe zusammen mit anderen Vertretern der australischen Megafauna verschwand. (jdo, 3. 9. 2016)