Durch ihre Mehrfarbigkeit sind Gemeine Delfine leicht von ihren bekannteren Verwandten, den Großen Tümmlern, zu unterscheiden.

Foto: NOAA/NMFS

Melbourne/Wien – Flipper hat uns allen das Gehirn gewaschen. Seit der gleichnamigen TV-Serie denkt so gut wie jeder beim Wort "Delfin" unwillkürlich an ein freundlich lächelndes Tier von silbergrauer Färbung – das ist allerdings ein Großer Tümmler (Tursiops truncatus). Bei der Spezies, die der ganzen Delfinfamilie den Namen gegeben hat, die schon auf minoischen Fresken abgebildet wurde und die auch heute noch rings um Europa viel häufiger vorkommt als der Tümmler, handelt es sich um ein anderes Tier.

Der Gemeine Delfin (Delphinus delphis) ist mit um die zwei Meter Länge und 70 Kilogramm Gewicht etwas kleiner und deutlich leichter als ein Großer Tümmler. Und er sieht auch etwas auffälliger aus: Der Rücken ist dunkel, der Bauch weiß, dazwischen zieht sich seitlich jeweils ein breiter gelblicher Streifen.

Auf hoher See

Dass diese Spezies trotz ihrer großen Verbreitung den meisten Menschen weniger geläufig ist als der Tümmler, liegt daran, dass sie die hohe See bevorzugt. Dort wandern die Delfine über weite Strecken in Gruppen von einigen Dutzend Tieren. Oft können sich auf ihren Reisen aber auch Ansammlungen von mehreren Zehntausend Exemplaren bilden: ein Naturschauspiel, das Landratten meistens verborgen bleibt. In Küstengewässern findet man den Gemeinen Delfin eher selten.

Umso erstaunlicher ist eine Entwicklung, die sich im vergangenen Jahrzehnt im Südosten Australiens abgezeichnet hat. In der Port-Phillip-Bucht, an der unter anderem die Millionenmetropole Melbourne liegt, hat sich eine kleine Population Gemeiner Delfine etabliert. Rings um die flache Bucht erstreckt sich eine stark urbanisierte Region, entsprechend hoch ist das Aufkommen an Schiffs- und Bootsverkehr und damit auch an Lärm. Das ist alles andere als der normale Lebensraum der Spezies.

Als sich in den frühen 2000er-Jahren zwischen den üblichen Tümmlern auch Sichtungen von Gemeinen Delfinen häuften, hielt man diese zunächst für seltene Gäste. Wissenschafter um Suzanne Mason vom Dolphin Research Institute in Hastings wollten es aber genauer wissen und begannen damit, die Bucht systematisch zu durchkämmen. Dabei ergaben sich einige überraschende Erkenntnisse, wie die Forscher im Fachmagazin "Royal Society Open Science" berichten.

Insgesamt 48 Überwachungsfahrten zwischen 2007 und 2014 zeigten, dass es sich nicht um Durchreisende handelt, sondern um eine Population, die sich dauerhaft in der Bucht niedergelassen hat. Sie ist in diesem Zeitraum leicht angewachsen und umfasst inzwischen 13 erwachsene Tiere mit deren Kindern – insgesamt sind es etwa 30 Delfine.

Identifiziert und wiedererkannt werden konnten die Tiere, denen man Namen wie "Funky Fin" oder "Triple Nick" verpasst hat, anhand ihrer Rückenflossen. Ein Nebenprodukt der Studie ist, dass diese bei Tümmlern schon lange angewandte Methode auch bei Gemeinen Delfinen funktioniert. Farbgebung und Form der Flossen ermöglichen zusammen mit verletzungsbedingten Einkerbungen eine eindeutige Identifizierung.

Damit unterscheiden sich die Delfine von Melbourne in zwei zentralen Punkten von ihren Artgenossen: Sie verzichten auf die Teilnahme an vieltausendköpfigen Versammlungen. Und sie halten sich im Schnitt nur 2,2 Kilometer von der Küste entfernt und in einer für sie sehr geringen Tiefe von 16 Metern auf.

Männchen gesucht

Eine andere Besonderheit der Population lässt sich in ihrer Bedeutung nicht so leicht einschätzen, weil man zu wenig über das Sozialleben der Hochseebewohner weiß. Die Delfingemeinschaft in der Port-Phillip-Bucht besteht nämlich fast ausschließlich aus Weibchen. Ob diese regelmäßig Besuch von außerhalb erhalten oder selbst kurz auf Bräutigamschau ins offene Meer schwimmen, ist unbekannt. Weitere Studien sollen klären, ob es ausreichend Genfluss gibt oder ob Inzuchtgefahr besteht.

Mason verweist auf die hohe Intelligenz der Tiere, die ihnen eine entsprechende Flexibilität ermöglicht. Von anderen Delfinarten, etwa Orcas, weiß man, dass oft innerhalb einer einzigen Spezies ganz unterschiedlichen Lebensstilen nachgegangen wird. Bei den Gemeinen Delfinen von Port Phillip könnte ein Fall von Philopatrie vorliegen: Den konstanten Bedingungen einer "Heimat" wird der Vorzug gegenüber Wanderungen ins Ungewisse gegeben. Das ist vor allem für Weibchen mit Nachwuchs verlockend.

Starkes Wachstum dürfte die ungewöhnliche Gemeinschaft allerdings nicht vertragen. Denn das Nahrungsaufkommen in der Bucht ist zwar stabil, aber auch begrenzt. Und es gibt beim Sardellenfang Konkurrenz durch zwei andere Spezies, auch wenn eine davon bereits eingeknickt ist: Der kommerzielle Fischfang in der Bucht wurde sukzessive heruntergefahren. Jetzt müssen sich die Delfine nur noch gegen den Zwergpinguin behaupten. (Jürgen Doppler, 30.9.2016)