Die Architektenkammer ist angefressen auf Ulli Sima.

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Wien – Die Architektenkammer übt heftige Kritik an der Wiener Stadträtin Ulli Sima (SPÖ). Anlass ist ein vor kurzem im Falter erschienenes Interview: In diesem hatte Sima eingeräumt, ein Projekt, das von der Expertenjury in einem Architekturwettbewerb ausgewählt worden war, nicht umgesetzt zu haben, weil sie als Bauherrin überstimmt wurde. "Und das geht mir dann doch zu weit", sagte Sima. "Wir haben das Projekt dann halt einfach nicht umgesetzt."

Am Mittwoch erschienen als Replik zwei ganzseitige Inserate der Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten für Wien, Niederösterreich und Burgenland im Falter. "Achtung! In der Stadt Wien kommt Ihnen im Bereich der Geschäftsgruppe Umwelt und Wiener Stadtwerke eine Geisterfahrerin entgegen", hieß es etwa. Die Kritik der Kammer: Bei Vorliegen eines Wettbewerbs samt Juryentscheidung müsse diese umgesetzt werden, sagte Christoph Mayrhofer, Sektionsvorsitzender Architekten, dem STANDARD.

"Derartige Ignoranz"

Dass Sima eine "derartige Ignoranz" gegenüber dem Vergaberecht an den Tag legen würde, haben man laut Mayrhofer "bisher nicht erlebt". Dass das Projekt eines Jurysiegers nicht umgesetzt wird, weil es einem Mitglied der Stadtregierung missfalle, sei "absolut neu".

Schon zuvor habe es mit Betrieben und Abteilungen, die Sima unterstellt sind, "Probleme gegeben", sagte Mayrhofer. So wisse man bis heute nicht, in welcher Form Aufträge bei der Neuentwicklung der Copa Cagrana vergeben wurden.

Häupl um Gespräch gebeten

Die Architektenkammer hat Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) schriftlich um ein klärendes Gespräch gebeten. Sollte Sima ihre Entscheidung zur Juryentscheidung nicht zurücknehmen, "muss von uns logischerweise der Rücktritt Simas gefordert werden", sagte Mayrhofer.

Derzeit sieht es nicht so aus, dass Sima ihre Entscheidung revidiert. Sima sprach davon, dass sie nur in einem "ärgerlichen Einzelfall" das Siegerprojekt nicht umgesetzt habe. In anderen Fällen seien Jurysieger von offenen Wettbewerben umgesetzt worden, mit deren Ergebnis sie nicht zufrieden gewesen sei. Angesichts knapper Budgets müsse die Stadt "alle Prozesse überdenken".

Die Stadt könne nicht alle Projekte über offene Wettbewerbe ausschreiben, die länger dauern und teurer kommen würden. Man müsse alternative Wege gehen, von Direktvergaben über Wettbewerbe per Einladung bis zum "Ideenwettbewerb" bei der Copa Cagrana. "Wenn man meint, ein Architekturwettbewerb verteuere die Baukosten und sei langwierig, hat man die Bedeutung guter und qualitätsvoller Planung für die Kosten im Baugeschehen und die Einhaltung von Bauzeiten schlicht nicht verstanden", heißt es von der Kammer. (David Krutzler, 5.10.2016)