Mister Bombastic: Die Daunenjacken kommen (wie bei Moncler) jetzt bombig, breit und aufgeblasen daher.

Foto: Moncler

Nicht zu übersehen: der XXL-Steppmantel des Labels Marques Almeida.

Foto: Marques Almeida

Von den Schultern gerutscht: die rote Steppjacke von Balenciaga.

Foto: Balenciaga

Er ist wohlgerundet und nicht zu übersehen. Ein echter Dickmacher poltert in diesem Herbst in die Welt der Mode: Die feuerwehrrote Steppjacke von Balenciaga, entworfen von Modedarling Demna Gvasalia, rund 2500 Euro schwer, hat alles, was die brav taillierten, funktionsorientierten Steppjacken nicht haben.

Sie rutscht beidseitig von den Schultern und ist völlig ungeeignet für die Piste – diese Jacke führt ihre funktionelle Ausrichtung ad absurdum. Und wird ob ihrer Unförmigkeit von den Modemagazinen umarmt: Die Magazinbeilage der "New York Times" und das Printmagazin des Luxus-Onlineshops Net-à-Porter hoben sie bereits im Frühjahr auf ihre Titel.

Ganzjahresjacken

Das ist durchaus bemerkenswert. Bislang war das Daunensegment eine Angelegenheit für Outdoor-Spezialisten. Sie schauen zunehmend modisch und filigran aus und taugen als Angebermodelle für Kitzbühel, Lech, St. Moritz. Am Wiener Graben werden sie, wenn der Wind durch die Fußgängerzone pfeift, über den Anzug gezogen. Im Wiener Kaufhaus Steffl auf der Kärntner Straße sind es denn auch die Klassiker, die sich am besten verkaufen. Die Steppjacken von Herno sind bei den Männern derzeit besonders beliebt, die Frauen greifen zu weiblicher geschnittenen Modellen von Max & Co. Mittlerweile wird die dünne Daunenjacke ganzjährig getragen: Sommerdaunen seien "seit etwa vier Jahren ein ganz starkes Thema", erklärt Rafael Duleba, Einkäufer für das Kaufhaus Steffl. Die Nachfrage steige konstant an, "gerade in den Übergangszeiten wie September und April".

Diesen immer schmaler ausfallenden Modellen treten jetzt die Dickmacher, die modischen Oversize-Ungetüme aus den großen Modehäusern entgegen. Viele Modelle tun es dem feuerwehrroten, unförmigen Bestseller aus dem Modehaus Balenciaga gleich. Das verwundert nicht. Wuchtige Eleganz ist wieder gefragt: Mit dem Revival der Schulterpolster sind in den letzten Saisonen Opulenz und Großzügigkeit in die Mode eingezogen.

Aufgepumpte Daunenmäntel

Und so lief beim britischen Label Marques Almeida eine orangefarbene XXL-Version eines Daunenmantels über den Laufsteg, Acne legte Stepp in Zitrustönen auf, Stella McCartney pumpte einen senffarbenen Steppmantel zu beeindruckender Größe auf. Bei Moncler sehen einige Modelle so aus, als lehnten sie sich an die geschleckten Looks der markenbewussten Paninari, der italienischen Popper aus den 1980ern, an.

Sie trugen damals in Mailands Fußgängerzonen kanarienbunte, gepolsterte Moncler-Jacken zu Timberland-Schuhen spazieren – gepaart mit einem aufgeblasenen Selbstbewusstsein: Sehen wir nicht verdammt gut aus? Prinzessin Diana folgte ihnen Mitte der 1990er. Sie trug in Lech zum Skifahren eine kastige rote Steppjacke, die die große Schwester des aktuellen Balenciaga-Modells hätte sein können. In ihr strahlte selbst die Prinzessin die Eleganz eines Michelin-Männchens aus. Diana taten es im März während der New Yorker Modewoche ausgerechnet jene Moderedakteurinnen gleich, die sonst auf ihre schlanke Linie bedacht sind: Sie bewiesen, dass die überdimensionierte Daunenjacke auch vor den Kameras der Streetstyle-Fotografen standhält. An den Auftritt von Rihanna aber kam keine heran: Sie marschierte im Sommer in einem besonders aufgeblasenen Modell durch New York – entworfen hat die dicke Daune der Belgier Raf Simons.

Ob all der Wucht und Opulenz sollten aber nicht die inneren Werte, die eigentlichen Dickmacher, übergangen werden. Die Steppjacke wurde schließlich einst als wattierter Kälteschutz erfunden. Vor achtzig Jahren befüllte ein gewisser Eddie Bauer in Seattle das erste Mal eine Jacke mit Gänsedaunen. Ihm folgte Klaus Obermeyer, der der Firmenlegende nach in Aspen eine Daunendecke in eine Jacke umschneiderte.

Synthetische Füllstoffe

Heute werden die Steppjacken neben Gänse- und Entendaunen zunehmend mit synthetischen Ersatzfüllstoffen wie Thinsulaten, Thermoliten oder Primaloft befüllt. Auch weil über die Daunengewinnung, die Lebendrupf bei Gänsen, heute kritisch diskutiert wird. Welches das bessere Füllmaterial ist? Beide hätten ihre Vorteile, erklärt Simone Unterrainer, Einkäuferin beim Outdoor-Shop Blue Tomato: "Für echte Daune spricht die sogenannte "Bauschkraft" oder "Fillpower"". Sie gebe die Ausdehnung der Daune an, bemessen wird sie in der internationalen Maßeinheit Cuin. Je mehr Volumen die Füllung erzeuge, desto besser isoliere sie, erklärt Unterrainer.

Und weil die Nähte von Outdoor-Jacken oft nicht mehr genäht, sondern ultraschallverschweißt werden, können jetzt besonders feine Daunen verwendet werden, sie rutschen nicht mehr durch die Nähte. Synthetische Füllungen hingegen sind "leicht zu reinigen und trocknen sehr schnell", erklärt die Einkäuferin. Im Outdoor-Bereich spielten jene synthetischen Füllstoffe eine immer größere Rolle, weil es immer besser gelinge, "die Struktur von Daunen zu imitieren und die Nachteile der natürlichen Daunen zu reduzieren", meint die Einkäuferin. Sie halten aber weniger warm.

Kein Wunder, dass die Modehäuser im Zuge des Hypes um das Thema Stepp auf das Know-how der Spezialisten zurückgreifen. Marc Jacobs zum Beispiel, der in diesem Herbst ein besonders exzentrisches Modell, eine mit Federn besetzte Daunenjacke, im Programm führt, hat mit dem kanadischen Jackenspezialisten Canada Goose kooperiert: Bei dem gefiederten Steppjackenmonster, das bereits Missy Elliott tragen durfte, handelt es sich um eine Weiterentwicklung des Modells "Manitoba Parka".

Auch Designer Demna Gvasalia, der den roten Dickmacher bei Balenciaga zu verantworten hat, brachte gemeinsam mit Canada Goose einige Modelle für sein Label Vetements heraus. Die Schnitte für Männer wie Frauen kommen ähnlich bollerig daher – genderkonforme Mode ist schließlich längst von gestern. (Anne Feldkamp, RONDO, 28.11.2016)